Weber, Max: Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Freiburg (Breisgau) u. a., 1895.Jdentifikation, tritt uns entgegen. Werturteile werden überall Und sollte es so ganz unnötig sein, daß gerade wir Jünger Jdentifikation, tritt uns entgegen. Werturteile werden überall Und ſollte es ſo ganz unnötig ſein, daß gerade wir Jünger <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0028" n="22"/> Jdentifikation, tritt uns entgegen. Werturteile werden überall<lb/> unbefangen gefällt – und ein Verzicht auf die <hi rendition="#g">Beurteilung</hi><lb/> der ökonomiſchen Erſcheinungen bedeutete ja in der That den<lb/> Verzicht auf eben diejenige Leiſtung, die man von uns verlangt.<lb/> Aber nicht die Regel, ſondern faſt die Ausnahme iſt es, daß<lb/> der Urteilende Andere <hi rendition="#g">und ſich ſelbſt</hi> ins Klare ſetzt über den<lb/> letzten ſubjektiven Kern ſeiner Urteile, eben über die <hi rendition="#g">Jdeale</hi>,<lb/> von welchen aus er zur Beurteilung der beobachteten Vorgänge<lb/> ſchreitet: die bewußte Selbſtkontrolle fehlt, die inneren Widerſprüche<lb/> des Urteils kommen dem Schriftſteller nicht zum Bewußtſein<lb/> und, wo er ſein ſpezifiſch „ökonomiſches“ Prinzip der Beurteilung<lb/> allgemein zu formuliren ſucht, fällt er in vage Unbeſtimmtheiten.<lb/> Jn Wahrheit ſind es <hi rendition="#g">keine</hi> eigenartigen und ſelbſtgewonnenen,<lb/> ſondern die <hi rendition="#g">alten allgemeinen Typen menſchlicher Jdeale</hi>,<lb/> die wir auch in den Stoff unſerer Wiſſenſchaft hineintragen.<lb/> Nur wer ausſchließlich das rein platoniſche Jntereſſe des Tech-<lb/> nologen oder wer umgekehrt die aktuellen Jntereſſen einer be-<lb/> ſtimmten, ſei es herrſchenden oder beherrſchten Klaſſe zu Grunde<lb/> legt, kann jenem Stoffe ſelbſt einen eigenen Maßſtab zu ſeiner<lb/> Beurteilung entnehmen wollen.</p><lb/> <p>Und ſollte es ſo ganz unnötig ſein, daß gerade wir Jünger<lb/> der deutſchen hiſtoriſchen Schule uns dieſe überaus einfachen<lb/> Wahrheiten vor Augen führen? Gerade wir verfallen leicht einer<lb/> ſpeziellen Jlluſion: derjenigen, uns des eigenen bewußten Wert-<lb/> urteiles <hi rendition="#g">überhaupt enthalten</hi> zu können. Die Folge iſt<lb/> freilich, wie man ſich leicht überzeugen kann, nicht, daß wir<lb/> einem entſprechenden Vorſatze treu bleiben, ſondern daß wir<lb/> unkontrollierten Jnſtinkten, Sympathien und Antipathien, ver-<lb/> fallen. Und noch leichter widerfährt es uns, daß der Punkt,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [22/0028]
Jdentifikation, tritt uns entgegen. Werturteile werden überall
unbefangen gefällt – und ein Verzicht auf die Beurteilung
der ökonomiſchen Erſcheinungen bedeutete ja in der That den
Verzicht auf eben diejenige Leiſtung, die man von uns verlangt.
Aber nicht die Regel, ſondern faſt die Ausnahme iſt es, daß
der Urteilende Andere und ſich ſelbſt ins Klare ſetzt über den
letzten ſubjektiven Kern ſeiner Urteile, eben über die Jdeale,
von welchen aus er zur Beurteilung der beobachteten Vorgänge
ſchreitet: die bewußte Selbſtkontrolle fehlt, die inneren Widerſprüche
des Urteils kommen dem Schriftſteller nicht zum Bewußtſein
und, wo er ſein ſpezifiſch „ökonomiſches“ Prinzip der Beurteilung
allgemein zu formuliren ſucht, fällt er in vage Unbeſtimmtheiten.
Jn Wahrheit ſind es keine eigenartigen und ſelbſtgewonnenen,
ſondern die alten allgemeinen Typen menſchlicher Jdeale,
die wir auch in den Stoff unſerer Wiſſenſchaft hineintragen.
Nur wer ausſchließlich das rein platoniſche Jntereſſe des Tech-
nologen oder wer umgekehrt die aktuellen Jntereſſen einer be-
ſtimmten, ſei es herrſchenden oder beherrſchten Klaſſe zu Grunde
legt, kann jenem Stoffe ſelbſt einen eigenen Maßſtab zu ſeiner
Beurteilung entnehmen wollen.
Und ſollte es ſo ganz unnötig ſein, daß gerade wir Jünger
der deutſchen hiſtoriſchen Schule uns dieſe überaus einfachen
Wahrheiten vor Augen führen? Gerade wir verfallen leicht einer
ſpeziellen Jlluſion: derjenigen, uns des eigenen bewußten Wert-
urteiles überhaupt enthalten zu können. Die Folge iſt
freilich, wie man ſich leicht überzeugen kann, nicht, daß wir
einem entſprechenden Vorſatze treu bleiben, ſondern daß wir
unkontrollierten Jnſtinkten, Sympathien und Antipathien, ver-
fallen. Und noch leichter widerfährt es uns, daß der Punkt,
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