Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.Gelehrten ist sie, so antipathisch sie sich äußern mag, relativ 4*
Gelehrten iſt ſie, ſo antipathiſch ſie ſich äußern mag, relativ 4*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0051" n="51"/> Gelehrten iſt ſie, ſo antipathiſch ſie ſich äußern mag, relativ<lb/> harmlos in dem Sinn: daß ſie in aller Regel den wiſſenſchaft-<lb/> lichen Betrieb nicht ſtört. Ganz anders beim Politiker. Er<lb/> arbeitet mit dem Streben nach <hi rendition="#g">Macht</hi> als unvermeidlichem<lb/> Mittel. „Machtinſtinkt“ – wie man ſich auszudrücken pflegt –<lb/> gehört daher in der Tat zu ſeinen normalen Qualitäten. –<lb/> Die Sünde gegen den heiligen Geiſt ſeines Berufs aber be-<lb/> ginnt da, wo dieſes Machtſtreben <hi rendition="#g">unſachlich</hi> und ein Gegen-<lb/> ſtand rein perſönlicher Selbſtberauſchung wird, anſtatt aus-<lb/> ſchließlich in den Dienſt der „Sache“ zu treten. Denn es gibt<lb/> letztlich nur zwei Arten von Todsünden auf dem Gebiet der<lb/> Politik: Unſachlichkeit und – oft, aber nicht immer, damit<lb/> identiſch – Verantwortungsloſigkeit. Die Eitelkeit: das Be-<lb/> dürfnis, ſelbſt möglichſt ſichtbar in den Vordergrund zu treten,<lb/> führt den Politiker am ſtärkſten in Verſuchung, eine von<lb/> beiden, oder beide zu begehen. Um ſo mehr, als der Demagoge<lb/> auf „Wirkung“ zu rechnen gezwungen iſt, – er iſt eben deshalb<lb/> ſtets in Gefahr, ſowohl zum Schauſpieler zu werden wie die<lb/> Verantwortung für die Folgen ſeines Tuns leicht zu nehmen<lb/> und nur nach dem „Eindruck“ zu fragen, den er macht. Seine<lb/> Unſachlichkeit legt ihm nahe, den glänzenden Schein der Macht<lb/> ſtatt der wirklichen Macht zu erſtreben, ſeine Verantwortungs-<lb/> loſigkeit aber: die Macht lediglich um ihrer ſelbſt willen, ohne<lb/> inhaltlichen Zweck, zu genießen. Denn obwohl, oder viel-<lb/> mehr: gerade <hi rendition="#g">weil</hi> Macht das unvermeidliche Mittel, und<lb/> Machtſtreben daher eine der treibenden Kräfte aller Politik iſt,<lb/> gibt es keine verderblichere Verzerrung der politiſchen Kraft,<lb/> als das parvenumäßige Bramarbaſieren mit Macht und die eitle<lb/> Selbſtbeſpiegelung in dem Gefühl der Macht, überhaupt jede<lb/> Anbetung der Macht rein als ſolcher. Der bloße „Macht-<lb/> politiker“, wie ihn ein auch bei uns eifrig betriebener Kult<lb/> zu verklären ſucht, mag ſtark wirken, aber er wirkt in der Tat<lb/> ins Leere und Sinnloſe. Darin haben die Kritiker der „Macht-<lb/> politik“ vollkommen recht. An dem plötzlichen inneren Zuſammen-<lb/> bruche typiſcher Träger dieſer Geſinnung haben wir erleben<lb/> können, welche innere Schwäche und Ohnmacht ſich hinter dieſer<lb/> protzigen, aber gänzlich leeren Geſte verbirgt. Sie iſt Produkt<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#right">4*</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [51/0051]
Gelehrten iſt ſie, ſo antipathiſch ſie ſich äußern mag, relativ
harmlos in dem Sinn: daß ſie in aller Regel den wiſſenſchaft-
lichen Betrieb nicht ſtört. Ganz anders beim Politiker. Er
arbeitet mit dem Streben nach Macht als unvermeidlichem
Mittel. „Machtinſtinkt“ – wie man ſich auszudrücken pflegt –
gehört daher in der Tat zu ſeinen normalen Qualitäten. –
Die Sünde gegen den heiligen Geiſt ſeines Berufs aber be-
ginnt da, wo dieſes Machtſtreben unſachlich und ein Gegen-
ſtand rein perſönlicher Selbſtberauſchung wird, anſtatt aus-
ſchließlich in den Dienſt der „Sache“ zu treten. Denn es gibt
letztlich nur zwei Arten von Todsünden auf dem Gebiet der
Politik: Unſachlichkeit und – oft, aber nicht immer, damit
identiſch – Verantwortungsloſigkeit. Die Eitelkeit: das Be-
dürfnis, ſelbſt möglichſt ſichtbar in den Vordergrund zu treten,
führt den Politiker am ſtärkſten in Verſuchung, eine von
beiden, oder beide zu begehen. Um ſo mehr, als der Demagoge
auf „Wirkung“ zu rechnen gezwungen iſt, – er iſt eben deshalb
ſtets in Gefahr, ſowohl zum Schauſpieler zu werden wie die
Verantwortung für die Folgen ſeines Tuns leicht zu nehmen
und nur nach dem „Eindruck“ zu fragen, den er macht. Seine
Unſachlichkeit legt ihm nahe, den glänzenden Schein der Macht
ſtatt der wirklichen Macht zu erſtreben, ſeine Verantwortungs-
loſigkeit aber: die Macht lediglich um ihrer ſelbſt willen, ohne
inhaltlichen Zweck, zu genießen. Denn obwohl, oder viel-
mehr: gerade weil Macht das unvermeidliche Mittel, und
Machtſtreben daher eine der treibenden Kräfte aller Politik iſt,
gibt es keine verderblichere Verzerrung der politiſchen Kraft,
als das parvenumäßige Bramarbaſieren mit Macht und die eitle
Selbſtbeſpiegelung in dem Gefühl der Macht, überhaupt jede
Anbetung der Macht rein als ſolcher. Der bloße „Macht-
politiker“, wie ihn ein auch bei uns eifrig betriebener Kult
zu verklären ſucht, mag ſtark wirken, aber er wirkt in der Tat
ins Leere und Sinnloſe. Darin haben die Kritiker der „Macht-
politik“ vollkommen recht. An dem plötzlichen inneren Zuſammen-
bruche typiſcher Träger dieſer Geſinnung haben wir erleben
können, welche innere Schwäche und Ohnmacht ſich hinter dieſer
protzigen, aber gänzlich leeren Geſte verbirgt. Sie iſt Produkt
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