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Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.

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einer höchst dürftigen und oberflächlichen Blasiertheit gegen-
über dem Sinn menschlichen Handelns, welche keinerlei Ver-
wandtschaft hat mit dem Wissen um die Tragik, in die alles
Tun, zumal aber das politische Tun, in Wahrheit verflochten ist.

Es ist durchaus wahr und eine - jetzt hier nicht näher
zu begründende - Grundtatsache aller Geschichte, daß das
schließliche Resultat politischen Handelns oft, nein: geradezu
regelmäßig, in völlig unadäquatem, oft in geradezu paradoxem
Verhältnis zu seinem ursprünglichen Sinn steht. Aber des-
halb darf dieser Sinn: der Dienst an einer Sache, doch nicht
etwa fehlen, wenn anders das Handeln inneren Halt haben soll.
Wie die Sache auszusehen hat, in deren Dienst der Politiker
Macht erstrebt und Macht verwendet, ist Glaubenssache. Es kann
nationalen oder menschheitlichen, sozialen und ethischen oder
kulturlichen, innerweltlichen oder religiösen Zielen dienen, er
kann getragen sein von starkem Glauben an den "Fortschritt"
- gleichviel in welchem Sinn - oder aber diese Art von
Glauben kühl ablehnen, kann im Dienst einer "Jdee" zu stehen
beanspruchen oder unter prinzipieller Ablehnung dieses An-
spruches äußeren Zielen des Alltagslebens dienen wollen,
- immer muß irgendein Glaube da sein. Sonst lastet in
der Tat - das ist völlig richtig - der Fluch kreatürlicher
Nichtigkeit auch auf den äußerlich stärksten politischen Erfolgen.

Mit dem Gesagten sind wir schon in der Erörterung des
letzten uns heute abend angehenden Problems begriffen: des
Ethos der Politik als "Sache". Welchen Beruf kann sie
selbst, ganz unabhängig von ihren Zielen, innerhalb der sittlichen
Gesamtökonomie der Lebensführung ausfüllen? Welches ist,
sozusagen, der ethische Ort, an dem sie beheimatet ist? Da
stoßen nun freilich letzte Weltanschauungen aufeinander, zwischen
denen schließlich gewählt werden muß. Gehen wir resolut an
das neuerdings wieder - nach meiner Ansicht in recht ver-
kehrter Art - aufgerollte Problem heran.

Befreien wir es aber zunächst von einer ganz trivialen
Verfälschung. Es kann nämlich zunächst die Ethik auftreten
in einer sittlich höchst fatalen Rolle. Nehmen wir Beispiele.
Sie werden selten finden, daß ein Mann, dessen Liebe sich von

einer höchſt dürftigen und oberflächlichen Blaſiertheit gegen-
über dem Sinn menſchlichen Handelns, welche keinerlei Ver-
wandtſchaft hat mit dem Wiſſen um die Tragik, in die alles
Tun, zumal aber das politiſche Tun, in Wahrheit verflochten iſt.

Es iſt durchaus wahr und eine – jetzt hier nicht näher
zu begründende – Grundtatſache aller Geſchichte, daß das
ſchließliche Reſultat politiſchen Handelns oft, nein: geradezu
regelmäßig, in völlig unadäquatem, oft in geradezu paradoxem
Verhältnis zu ſeinem urſprünglichen Sinn ſteht. Aber des-
halb darf dieſer Sinn: der Dienſt an einer Sache, doch nicht
etwa fehlen, wenn anders das Handeln inneren Halt haben ſoll.
Wie die Sache auszuſehen hat, in deren Dienſt der Politiker
Macht erſtrebt und Macht verwendet, iſt Glaubensſache. Es kann
nationalen oder menſchheitlichen, ſozialen und ethiſchen oder
kulturlichen, innerweltlichen oder religiöſen Zielen dienen, er
kann getragen ſein von ſtarkem Glauben an den „Fortſchritt“
– gleichviel in welchem Sinn – oder aber dieſe Art von
Glauben kühl ablehnen, kann im Dienſt einer „Jdee“ zu ſtehen
beanſpruchen oder unter prinzipieller Ablehnung dieſes An-
ſpruches äußeren Zielen des Alltagslebens dienen wollen,
– immer muß irgendein Glaube da ſein. Sonſt laſtet in
der Tat – das iſt völlig richtig – der Fluch kreatürlicher
Nichtigkeit auch auf den äußerlich ſtärkſten politiſchen Erfolgen.

Mit dem Geſagten ſind wir ſchon in der Erörterung des
letzten uns heute abend angehenden Problems begriffen: des
Ethos der Politik als „Sache“. Welchen Beruf kann ſie
ſelbſt, ganz unabhängig von ihren Zielen, innerhalb der ſittlichen
Geſamtökonomie der Lebensführung ausfüllen? Welches iſt,
ſozuſagen, der ethiſche Ort, an dem ſie beheimatet iſt? Da
ſtoßen nun freilich letzte Weltanſchauungen aufeinander, zwiſchen
denen ſchließlich gewählt werden muß. Gehen wir reſolut an
das neuerdings wieder – nach meiner Anſicht in recht ver-
kehrter Art – aufgerollte Problem heran.

Befreien wir es aber zunächſt von einer ganz trivialen
Verfälſchung. Es kann nämlich zunächſt die Ethik auftreten
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[52/0052] einer höchſt dürftigen und oberflächlichen Blaſiertheit gegen- über dem Sinn menſchlichen Handelns, welche keinerlei Ver- wandtſchaft hat mit dem Wiſſen um die Tragik, in die alles Tun, zumal aber das politiſche Tun, in Wahrheit verflochten iſt. Es iſt durchaus wahr und eine – jetzt hier nicht näher zu begründende – Grundtatſache aller Geſchichte, daß das ſchließliche Reſultat politiſchen Handelns oft, nein: geradezu regelmäßig, in völlig unadäquatem, oft in geradezu paradoxem Verhältnis zu ſeinem urſprünglichen Sinn ſteht. Aber des- halb darf dieſer Sinn: der Dienſt an einer Sache, doch nicht etwa fehlen, wenn anders das Handeln inneren Halt haben ſoll. Wie die Sache auszuſehen hat, in deren Dienſt der Politiker Macht erſtrebt und Macht verwendet, iſt Glaubensſache. Es kann nationalen oder menſchheitlichen, ſozialen und ethiſchen oder kulturlichen, innerweltlichen oder religiöſen Zielen dienen, er kann getragen ſein von ſtarkem Glauben an den „Fortſchritt“ – gleichviel in welchem Sinn – oder aber dieſe Art von Glauben kühl ablehnen, kann im Dienſt einer „Jdee“ zu ſtehen beanſpruchen oder unter prinzipieller Ablehnung dieſes An- ſpruches äußeren Zielen des Alltagslebens dienen wollen, – immer muß irgendein Glaube da ſein. Sonſt laſtet in der Tat – das iſt völlig richtig – der Fluch kreatürlicher Nichtigkeit auch auf den äußerlich ſtärkſten politiſchen Erfolgen. Mit dem Geſagten ſind wir ſchon in der Erörterung des letzten uns heute abend angehenden Problems begriffen: des Ethos der Politik als „Sache“. Welchen Beruf kann ſie ſelbſt, ganz unabhängig von ihren Zielen, innerhalb der ſittlichen Geſamtökonomie der Lebensführung ausfüllen? Welches iſt, ſozuſagen, der ethiſche Ort, an dem ſie beheimatet iſt? Da ſtoßen nun freilich letzte Weltanſchauungen aufeinander, zwiſchen denen ſchließlich gewählt werden muß. Gehen wir reſolut an das neuerdings wieder – nach meiner Anſicht in recht ver- kehrter Art – aufgerollte Problem heran. Befreien wir es aber zunächſt von einer ganz trivialen Verfälſchung. Es kann nämlich zunächſt die Ethik auftreten in einer ſittlich höchſt fatalen Rolle. Nehmen wir Beiſpiele. Sie werden ſelten finden, daß ein Mann, deſſen Liebe ſich von

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Zitationshilfe: Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/52>, abgerufen am 22.11.2024.