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Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919.

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in Laboratorien oder statistischen Karthoteken mit dem kühlen
Verstand allein und nicht mit der ganzen "Seele" fabriziert
werde, so wie "in einer Fabrik". Wobei vor allem zu be-
merken ist: daß dabei meist weder über das, was in einer
Fabrik noch was in einem Laboratorium vorgeht, irgendwelche
Klarheit besteht. Hier wie dort muß dem Menschen etwas
- und zwar das richtige - einfallen, damit er irgend
etwas Wertvolles leistet. Dieser Einfall aber läßt sich nicht
erzwingen. Mit irgendwelchem kalten Rechnen hat er nichts
zu tun. Gewiß: auch das ist unumgängliche Vorbedingung.
Jeder Soziologe z. B. darf sich nun einmal nicht zu schade
dafür sein, auch noch auf seine alten Tage vielleicht monate-
lang viele zehntausende ganz trivialer Rechenexempel im
Kopfe zu machen. Man versucht nicht ungestraft, das auf
mechanische Hilfskräfte ganz und gar abzuwälzen, wenn man
etwas herausbekommen will, - und was schließlich heraus-
kommt, ist oft blutwenig. Aber, wenn ihm nicht doch etwas
Bestimmtes über die Richtung seines Rechnens und, während
des Rechnens, über die Tragweite der entstehenden Einzel-
resultate "einfällt", dann kommt selbst dies Blutwenige nicht
heraus. Nur auf dem Boden ganz harter Arbeit bereitet
sich normalerweise der Einfall vor. Gewiß: nicht immer. Der
Einfall eines Dilettanten kann wissenschaftlich genau die gleiche
oder größere Tragweite haben wie der des Fachmanns. Viele
unserer allerbesten Problemstellungen und Erkenntnisse ver-
danken wir gerade Dilettanten. Der Dilettant unterscheidet
sich vom Fachmann - wie Helmholtz über Robert Mayer
gesagt hat - nur dadurch, daß ihm die feste Sicherheit der
Arbeitsmethode fehlt, und daß er daher den Einfall meist nicht
in seiner Tragweite nachzukontrollieren und abzuschätzen oder
durchzuführen in der Lage ist. Der Einfall ersetzt nicht die
Arbeit. Und die Arbeit ihrerseits kann den Einfall nicht er-
setzen oder erzwingen, so wenig wie die Leidenschaft es tut.
Beide - vor allem: beide zusammen - locken ihn. Aber
er kommt, wenn es ihm, nicht, wenn es uns beliebt. Es ist
in der Tat richtig, daß die besten Dinge einem so, wie
Jhering es schildert: bei der Zigarre auf dem Kanapee, oder

in Laboratorien oder ſtatiſtiſchen Karthoteken mit dem kühlen
Verſtand allein und nicht mit der ganzen „Seele“ fabriziert
werde, ſo wie „in einer Fabrik“. Wobei vor allem zu be-
merken iſt: daß dabei meiſt weder über das, was in einer
Fabrik noch was in einem Laboratorium vorgeht, irgendwelche
Klarheit beſteht. Hier wie dort muß dem Menſchen etwas
– und zwar das richtige – einfallen, damit er irgend
etwas Wertvolles leiſtet. Dieſer Einfall aber läßt ſich nicht
erzwingen. Mit irgendwelchem kalten Rechnen hat er nichts
zu tun. Gewiß: auch das iſt unumgängliche Vorbedingung.
Jeder Soziologe z. B. darf ſich nun einmal nicht zu ſchade
dafür ſein, auch noch auf ſeine alten Tage vielleicht monate-
lang viele zehntauſende ganz trivialer Rechenexempel im
Kopfe zu machen. Man verſucht nicht ungeſtraft, das auf
mechaniſche Hilfſkräfte ganz und gar abzuwälzen, wenn man
etwas herausbekommen will, – und was ſchließlich heraus-
kommt, iſt oft blutwenig. Aber, wenn ihm nicht doch etwas
Beſtimmtes über die Richtung ſeines Rechnens und, während
des Rechnens, über die Tragweite der entſtehenden Einzel-
reſultate „einfällt“, dann kommt ſelbſt dies Blutwenige nicht
heraus. Nur auf dem Boden ganz harter Arbeit bereitet
ſich normalerweiſe der Einfall vor. Gewiß: nicht immer. Der
Einfall eines Dilettanten kann wiſſenſchaftlich genau die gleiche
oder größere Tragweite haben wie der des Fachmanns. Viele
unſerer allerbeſten Problemſtellungen und Erkenntniſſe ver-
danken wir gerade Dilettanten. Der Dilettant unterſcheidet
ſich vom Fachmann – wie Helmholtz über Robert Mayer
geſagt hat – nur dadurch, daß ihm die feſte Sicherheit der
Arbeitsmethode fehlt, und daß er daher den Einfall meiſt nicht
in ſeiner Tragweite nachzukontrollieren und abzuſchätzen oder
durchzuführen in der Lage iſt. Der Einfall erſetzt nicht die
Arbeit. Und die Arbeit ihrerſeits kann den Einfall nicht er-
ſetzen oder erzwingen, ſo wenig wie die Leidenſchaft es tut.
Beide – vor allem: beide zuſammen – locken ihn. Aber
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in der Tat richtig, daß die beſten Dinge einem ſo, wie
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[11/0010] in Laboratorien oder ſtatiſtiſchen Karthoteken mit dem kühlen Verſtand allein und nicht mit der ganzen „Seele“ fabriziert werde, ſo wie „in einer Fabrik“. Wobei vor allem zu be- merken iſt: daß dabei meiſt weder über das, was in einer Fabrik noch was in einem Laboratorium vorgeht, irgendwelche Klarheit beſteht. Hier wie dort muß dem Menſchen etwas – und zwar das richtige – einfallen, damit er irgend etwas Wertvolles leiſtet. Dieſer Einfall aber läßt ſich nicht erzwingen. Mit irgendwelchem kalten Rechnen hat er nichts zu tun. Gewiß: auch das iſt unumgängliche Vorbedingung. Jeder Soziologe z. B. darf ſich nun einmal nicht zu ſchade dafür ſein, auch noch auf ſeine alten Tage vielleicht monate- lang viele zehntauſende ganz trivialer Rechenexempel im Kopfe zu machen. Man verſucht nicht ungeſtraft, das auf mechaniſche Hilfſkräfte ganz und gar abzuwälzen, wenn man etwas herausbekommen will, – und was ſchließlich heraus- kommt, iſt oft blutwenig. Aber, wenn ihm nicht doch etwas Beſtimmtes über die Richtung ſeines Rechnens und, während des Rechnens, über die Tragweite der entſtehenden Einzel- reſultate „einfällt“, dann kommt ſelbſt dies Blutwenige nicht heraus. Nur auf dem Boden ganz harter Arbeit bereitet ſich normalerweiſe der Einfall vor. Gewiß: nicht immer. Der Einfall eines Dilettanten kann wiſſenſchaftlich genau die gleiche oder größere Tragweite haben wie der des Fachmanns. Viele unſerer allerbeſten Problemſtellungen und Erkenntniſſe ver- danken wir gerade Dilettanten. Der Dilettant unterſcheidet ſich vom Fachmann – wie Helmholtz über Robert Mayer geſagt hat – nur dadurch, daß ihm die feſte Sicherheit der Arbeitsmethode fehlt, und daß er daher den Einfall meiſt nicht in ſeiner Tragweite nachzukontrollieren und abzuſchätzen oder durchzuführen in der Lage iſt. Der Einfall erſetzt nicht die Arbeit. Und die Arbeit ihrerſeits kann den Einfall nicht er- ſetzen oder erzwingen, ſo wenig wie die Leidenſchaft es tut. Beide – vor allem: beide zuſammen – locken ihn. Aber er kommt, wenn es ihm, nicht, wenn es uns beliebt. Es iſt in der Tat richtig, daß die beſten Dinge einem ſo, wie Jhering es ſchildert: bei der Zigarre auf dem Kanapee, oder

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Zitationshilfe: Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_wissenschaft_1919/10>, abgerufen am 27.11.2024.