Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919.befaßt, und dann am allerwenigsten. Denn praktisch-politische Warum sollen wir das nun eigentlich nicht tun? Jch schicke befaßt, und dann am allerwenigſten. Denn praktiſch-politiſche Warum ſollen wir das nun eigentlich nicht tun? Jch ſchicke <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0023" n="24"/> befaßt, und dann am allerwenigſten. Denn praktiſch-politiſche<lb/> Stellungnahme und wiſſenſchaftliche Analyſe politiſcher Gebilde<lb/> und Parteiſtellung iſt zweierlei. Wenn man in einer Volks-<lb/> verſammlung über Demokratie ſpricht, ſo macht man aus ſeiner<lb/> perſönlichen Stellungnahme kein Hehl: gerade das: deutlich er-<lb/> kennbar Partei zu nehmen, iſt da die verdammte Pflicht und<lb/> Schuldigkeit. Die Worte, die man braucht, ſind dann nicht<lb/> Mittel wiſſenſchaftlicher Analyſe, ſondern politiſchen Werbens<lb/> um die Stellungnahme der anderen. Sie ſind nicht Pflug-<lb/> ſcharen zur Lockerung des Erdreiches des kontemplativen<lb/> Denkens, ſondern Schwerter gegen die Gegner: Kampfmittel.<lb/> Jn einer Vorleſung oder im Hörſaal dagegen wäre es Frevel,<lb/> das Wort in dieſer Art zu gebrauchen. Da wird man,<lb/> wenn etwa von „Demokratie“ die Rede iſt, deren verſchiedene<lb/> Formen vornehmen, ſie analyſieren in der Art, wie ſie funk-<lb/> tionieren, feſtſtellen, welche <choice><sic>einzelne</sic><corr>einzelnen</corr></choice> Folgen für die Lebens-<lb/> verhältniſſe die eine oder andere hat, dann die anderen nicht<lb/> demokratiſchen Formen der politiſchen Ordnung ihnen gegen-<lb/> überſtellen und verſuchen, ſo weit zu gelangen, daß der Hörer<lb/> in der Lage iſt, den Punkt zu finden, von dem aus <hi rendition="#g">er</hi> von<lb/><hi rendition="#g">seinen</hi> letzten Jdealen aus Stellung dazu nehmen kann. Aber<lb/> der echte Lehrer wird ſich ſehr hüten, vom Katheder herunter<lb/> ihm irgendeine Stellungnahme, ſei es ausdrücklich, ſei es durch<lb/> Suggeſtion – denn das iſt natürlich die illoyalſte Art, wenn<lb/> man „die Tatſachen ſprechen läßt“ – aufzudrängen.</p><lb/> <p>Warum ſollen wir das nun eigentlich nicht tun? Jch ſchicke<lb/> voraus, daß manche ſehr geſchätzte Kollegen der Meinung<lb/> ſind, dieſe Selbſtbeſcheidung durchzuführen, ginge überhaupt<lb/> nicht, und wenn es ginge, wäre es eine Marotte, das zu<lb/> vermeiden. Nun kann man niemandem wiſſenſchaftlich vor-<lb/> demonſtrieren, was ſeine Pflicht als akademiſcher Lehrer ſei.<lb/> Verlangen kann man von ihm nur die intellektuelle Recht-<lb/> ſchaffenheit: einzuſehen, daß Tatsachenfeſtſtellung, Feſtſtellung<lb/> mathematiſcher oder logiſcher Sachverhalte oder der inneren<lb/> Struktur von Kulturgütern einerſeits, und andererſeits die Be-<lb/> antwortung der Frage nach dem <hi rendition="#g">Wert</hi> der Kultur und ihrer<lb/> einzelnen Jnhalte und danach: wie man innerhalb der Kultur-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [24/0023]
befaßt, und dann am allerwenigſten. Denn praktiſch-politiſche
Stellungnahme und wiſſenſchaftliche Analyſe politiſcher Gebilde
und Parteiſtellung iſt zweierlei. Wenn man in einer Volks-
verſammlung über Demokratie ſpricht, ſo macht man aus ſeiner
perſönlichen Stellungnahme kein Hehl: gerade das: deutlich er-
kennbar Partei zu nehmen, iſt da die verdammte Pflicht und
Schuldigkeit. Die Worte, die man braucht, ſind dann nicht
Mittel wiſſenſchaftlicher Analyſe, ſondern politiſchen Werbens
um die Stellungnahme der anderen. Sie ſind nicht Pflug-
ſcharen zur Lockerung des Erdreiches des kontemplativen
Denkens, ſondern Schwerter gegen die Gegner: Kampfmittel.
Jn einer Vorleſung oder im Hörſaal dagegen wäre es Frevel,
das Wort in dieſer Art zu gebrauchen. Da wird man,
wenn etwa von „Demokratie“ die Rede iſt, deren verſchiedene
Formen vornehmen, ſie analyſieren in der Art, wie ſie funk-
tionieren, feſtſtellen, welche einzelnen Folgen für die Lebens-
verhältniſſe die eine oder andere hat, dann die anderen nicht
demokratiſchen Formen der politiſchen Ordnung ihnen gegen-
überſtellen und verſuchen, ſo weit zu gelangen, daß der Hörer
in der Lage iſt, den Punkt zu finden, von dem aus er von
seinen letzten Jdealen aus Stellung dazu nehmen kann. Aber
der echte Lehrer wird ſich ſehr hüten, vom Katheder herunter
ihm irgendeine Stellungnahme, ſei es ausdrücklich, ſei es durch
Suggeſtion – denn das iſt natürlich die illoyalſte Art, wenn
man „die Tatſachen ſprechen läßt“ – aufzudrängen.
Warum ſollen wir das nun eigentlich nicht tun? Jch ſchicke
voraus, daß manche ſehr geſchätzte Kollegen der Meinung
ſind, dieſe Selbſtbeſcheidung durchzuführen, ginge überhaupt
nicht, und wenn es ginge, wäre es eine Marotte, das zu
vermeiden. Nun kann man niemandem wiſſenſchaftlich vor-
demonſtrieren, was ſeine Pflicht als akademiſcher Lehrer ſei.
Verlangen kann man von ihm nur die intellektuelle Recht-
ſchaffenheit: einzuſehen, daß Tatsachenfeſtſtellung, Feſtſtellung
mathematiſcher oder logiſcher Sachverhalte oder der inneren
Struktur von Kulturgütern einerſeits, und andererſeits die Be-
antwortung der Frage nach dem Wert der Kultur und ihrer
einzelnen Jnhalte und danach: wie man innerhalb der Kultur-
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