Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891.
thun willst, dann gieb mir deine Unterweisungen schriftlich. Schreib' mir auf, was du weißt. Schreib' es möglichst kurz und klar und steck' es mir morgen während der Turnstunde zwischen die Bücher. Ich werde es nach Hause tragen, ohne zu wissen, daß ich es habe. Ich werde es unverhofft einmal wiederfinden. Ich werde nicht umhinkönnen, es müden Auges zu durchfliegen ... falls es unumgänglich nothwendig ist, magst du ja auch einzelne Randzeichnungen anbringen. Melchior. Du bist wie ein Mädchen. -- Uebrigens wie du willst! Es ist mir das eine ganz interessante Arbeit. -- -- Eine Frage, Moritz. Moritz. Hm? Melchior. -- Hast du schon einmal ein Mädchen gesehen? Moritz. Ja! Melchior. Aber ganz?! Moritz. Vollständig! Melchior. Ich nämlich auch! -- Dann werden keine Illustrationen nöthig sein. Moritz. Während des Schützenfestes, in Leilich's ana- tomischem Museum! Wenn es aufgekommen wäre, hätte man mich aus der Schule gejagt. -- Schön wie der lichte Tag, und -- o so naturgetreu! Melchior. Ich war letzten Sommer mit Mama in Frank- furt -- -- Du willst schon gehen, Moritz? Moritz. Arbeiten machen. -- Gute Nacht. Melchior. Auf Wiedersehen.
thun willſt, dann gieb mir deine Unterweiſungen ſchriftlich. Schreib' mir auf, was du weißt. Schreib' es möglichſt kurz und klar und ſteck' es mir morgen während der Turnſtunde zwiſchen die Bücher. Ich werde es nach Hauſe tragen, ohne zu wiſſen, daß ich es habe. Ich werde es unverhofft einmal wiederfinden. Ich werde nicht umhinkönnen, es müden Auges zu durchfliegen … falls es unumgänglich nothwendig iſt, magſt du ja auch einzelne Randzeichnungen anbringen. Melchior. Du biſt wie ein Mädchen. — Uebrigens wie du willſt! Es iſt mir das eine ganz intereſſante Arbeit. — — Eine Frage, Moritz. Moritz. Hm? Melchior. — Haſt du ſchon einmal ein Mädchen geſehen? Moritz. Ja! Melchior. Aber ganz?! Moritz. Vollſtändig! Melchior. Ich nämlich auch! — Dann werden keine Illuſtrationen nöthig ſein. Moritz. Während des Schützenfeſtes, in Leilich's ana- tomiſchem Muſeum! Wenn es aufgekommen wäre, hätte man mich aus der Schule gejagt. — Schön wie der lichte Tag, und — o ſo naturgetreu! Melchior. Ich war letzten Sommer mit Mama in Frank- furt — — Du willſt ſchon gehen, Moritz? Moritz. Arbeiten machen. — Gute Nacht. Melchior. Auf Wiederſehen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#MOR"> <p><pb facs="#f0026" n="10"/> thun willſt, dann gieb mir deine Unterweiſungen ſchriftlich.<lb/> Schreib' mir auf, was du weißt. Schreib' es möglichſt kurz und<lb/> klar und ſteck' es mir morgen während der Turnſtunde zwiſchen<lb/> die Bücher. Ich werde es nach Hauſe tragen, ohne zu wiſſen,<lb/> daß ich es habe. Ich werde es unverhofft einmal wiederfinden.<lb/> Ich werde nicht umhinkönnen, es müden Auges zu durchfliegen …<lb/> falls es unumgänglich nothwendig iſt, magſt du ja auch einzelne<lb/> Randzeichnungen anbringen.</p> </sp><lb/> <sp who="#MEL"> <speaker><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</speaker> <p>Du biſt wie ein Mädchen. — Uebrigens wie<lb/> du willſt! Es iſt mir das eine ganz intereſſante Arbeit. — —<lb/> Eine Frage, Moritz.</p> </sp><lb/> <sp who="#MOR"> <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker> <p>Hm?</p> </sp><lb/> <sp who="#MEL"> <speaker><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</speaker> <p>— Haſt du ſchon einmal ein Mädchen geſehen?</p> </sp><lb/> <sp who="#MOR"> <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker> <p>Ja!</p> </sp><lb/> <sp who="#MEL"> <speaker><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</speaker> <p>Aber ganz?!</p> </sp><lb/> <sp who="#MOR"> <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker> <p><hi rendition="#g">Vollſtändig</hi>!</p> </sp><lb/> <sp who="#MEL"> <speaker><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</speaker> <p>Ich nämlich auch! — Dann werden keine<lb/> Illuſtrationen nöthig ſein.</p> </sp><lb/> <sp who="#MOR"> <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker> <p>Während des Schützenfeſtes, in Leilich's ana-<lb/> tomiſchem Muſeum! Wenn es aufgekommen wäre, hätte man<lb/> mich aus der Schule gejagt. — Schön wie der lichte Tag, und —<lb/> o ſo naturgetreu!</p> </sp><lb/> <sp who="#MEL"> <speaker><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</speaker> <p>Ich war letzten Sommer mit Mama in Frank-<lb/> furt — — Du willſt ſchon gehen, Moritz?</p> </sp><lb/> <sp who="#MOR"> <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker> <p>Arbeiten machen. — Gute Nacht.</p> </sp><lb/> <sp who="#MEL"> <speaker><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</speaker> <p>Auf Wiederſehen.</p> </sp> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [10/0026]
thun willſt, dann gieb mir deine Unterweiſungen ſchriftlich.
Schreib' mir auf, was du weißt. Schreib' es möglichſt kurz und
klar und ſteck' es mir morgen während der Turnſtunde zwiſchen
die Bücher. Ich werde es nach Hauſe tragen, ohne zu wiſſen,
daß ich es habe. Ich werde es unverhofft einmal wiederfinden.
Ich werde nicht umhinkönnen, es müden Auges zu durchfliegen …
falls es unumgänglich nothwendig iſt, magſt du ja auch einzelne
Randzeichnungen anbringen.
Melchior. Du biſt wie ein Mädchen. — Uebrigens wie
du willſt! Es iſt mir das eine ganz intereſſante Arbeit. — —
Eine Frage, Moritz.
Moritz. Hm?
Melchior. — Haſt du ſchon einmal ein Mädchen geſehen?
Moritz. Ja!
Melchior. Aber ganz?!
Moritz. Vollſtändig!
Melchior. Ich nämlich auch! — Dann werden keine
Illuſtrationen nöthig ſein.
Moritz. Während des Schützenfeſtes, in Leilich's ana-
tomiſchem Muſeum! Wenn es aufgekommen wäre, hätte man
mich aus der Schule gejagt. — Schön wie der lichte Tag, und —
o ſo naturgetreu!
Melchior. Ich war letzten Sommer mit Mama in Frank-
furt — — Du willſt ſchon gehen, Moritz?
Moritz. Arbeiten machen. — Gute Nacht.
Melchior. Auf Wiederſehen.
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