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Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891.

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Frau Bergmann. Ich glaube aber beinahe, er hat dir
auch etwas mitgebracht -- eine Brosche oder was.
Wendla. Es ist wirklich schade!
Frau Bergmann. Ich sage dir ja, daß er dir eine
Brosche mitgebracht hat!
Wendla. Ich habe Broschen genug ...
Frau Bergmann. Dann sei auch zufrieden, Kind. Was
willst du denn noch?
Wendla. Ich hätte so furchtbar gerne gewußt, ob er
durchs Fenster oder durch den Schornstein geflogen kam.
Frau Bergmann. Da mußt du Ina fragen. Ha, das
mußt du Ina fragen, liebes Herz? Ina sagt dir das ganz genau.
Ina hat ja eine ganze halbe Stunde mit ihm gesprochen.
Wendla. Ich werde Ina fragen, wenn ich hinunterkomme.
Frau Bergmann. Aber ja nicht vergessen, du süßes
Engelsgeschöpf! Es interessirt mich wirklich selbst, zu wissen, ob
er durchs Fenster oder durch den Schornstein kam.
Wendla. Oder soll ich nicht lieber den Schornsteinfeger
fragen? -- Der Schornsteinfeger muß es doch am besten wissen,
ob er durch den Schornstein fliegt oder nicht.
Frau Bergmann. Nicht den Schornsteinfeger, Kind;
nicht den Schornsteinfeger. Was weiß der Schornsteinfeger vom
Storch! -- Der schwatzt dir allerhand dummes Zeug vor, an das
er selbst nicht glaubt ... Wa -- was glotzst du so auf die Straße
hinunter??
Wendla. Ein Mann, Mutter -- dreimal so groß wie
ein Ochse! -- mit Füßen wie Dampfschiffe ...!
Frau Bergmann (an's Fenster stürzend). Nicht möglich! --
Nicht möglich! --
Frau Bergmann. Ich glaube aber beinahe, er hat dir
auch etwas mitgebracht — eine Broſche oder was.
Wendla. Es iſt wirklich ſchade!
Frau Bergmann. Ich ſage dir ja, daß er dir eine
Broſche mitgebracht hat!
Wendla. Ich habe Broſchen genug …
Frau Bergmann. Dann ſei auch zufrieden, Kind. Was
willſt du denn noch?
Wendla. Ich hätte ſo furchtbar gerne gewußt, ob er
durchs Fenſter oder durch den Schornſtein geflogen kam.
Frau Bergmann. Da mußt du Ina fragen. Ha, das
mußt du Ina fragen, liebes Herz? Ina ſagt dir das ganz genau.
Ina hat ja eine ganze halbe Stunde mit ihm geſprochen.
Wendla. Ich werde Ina fragen, wenn ich hinunterkomme.
Frau Bergmann. Aber ja nicht vergeſſen, du ſüßes
Engelsgeſchöpf! Es intereſſirt mich wirklich ſelbſt, zu wiſſen, ob
er durchs Fenſter oder durch den Schornſtein kam.
Wendla. Oder ſoll ich nicht lieber den Schornſteinfeger
fragen? — Der Schornſteinfeger muß es doch am beſten wiſſen,
ob er durch den Schornſtein fliegt oder nicht.
Frau Bergmann. Nicht den Schornſteinfeger, Kind;
nicht den Schornſteinfeger. Was weiß der Schornſteinfeger vom
Storch! — Der ſchwatzt dir allerhand dummes Zeug vor, an das
er ſelbſt nicht glaubt … Wa — was glotzſt du ſo auf die Straße
hinunter??
Wendla. Ein Mann, Mutter — dreimal ſo groß wie
ein Ochſe! — mit Füßen wie Dampfſchiffe …!
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[32/0048] Frau Bergmann. Ich glaube aber beinahe, er hat dir auch etwas mitgebracht — eine Broſche oder was. Wendla. Es iſt wirklich ſchade! Frau Bergmann. Ich ſage dir ja, daß er dir eine Broſche mitgebracht hat! Wendla. Ich habe Broſchen genug … Frau Bergmann. Dann ſei auch zufrieden, Kind. Was willſt du denn noch? Wendla. Ich hätte ſo furchtbar gerne gewußt, ob er durchs Fenſter oder durch den Schornſtein geflogen kam. Frau Bergmann. Da mußt du Ina fragen. Ha, das mußt du Ina fragen, liebes Herz? Ina ſagt dir das ganz genau. Ina hat ja eine ganze halbe Stunde mit ihm geſprochen. Wendla. Ich werde Ina fragen, wenn ich hinunterkomme. Frau Bergmann. Aber ja nicht vergeſſen, du ſüßes Engelsgeſchöpf! Es intereſſirt mich wirklich ſelbſt, zu wiſſen, ob er durchs Fenſter oder durch den Schornſtein kam. Wendla. Oder ſoll ich nicht lieber den Schornſteinfeger fragen? — Der Schornſteinfeger muß es doch am beſten wiſſen, ob er durch den Schornſtein fliegt oder nicht. Frau Bergmann. Nicht den Schornſteinfeger, Kind; nicht den Schornſteinfeger. Was weiß der Schornſteinfeger vom Storch! — Der ſchwatzt dir allerhand dummes Zeug vor, an das er ſelbſt nicht glaubt … Wa — was glotzſt du ſo auf die Straße hinunter?? Wendla. Ein Mann, Mutter — dreimal ſo groß wie ein Ochſe! — mit Füßen wie Dampfſchiffe …! Frau Bergmann (an's Fenſter ſtürzend). Nicht möglich! — Nicht möglich! —

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Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/48>, abgerufen am 21.11.2024.