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Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891.

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Alles ... O du grundgütige Allmacht! -- nur heute nicht,
Wendla! -- Morgen, übermorgen, kommende Woche ... wann
du nur immer willst, liebes Herz ...
Wendla. Sag' es mir heute, Mutter; sag' es mir jetzt!
Jetzt gleich! -- Nun ich dich so entsetzt gesehen, kann ich erst
recht nicht eher wieder ruhig werden.
Frau Bergmann. -- Ich kann nicht, Wendla.
Wendla. O warum kannst du nicht, Mütterchen! --
Hier knie ich zu deinen Füßen und lege dir meinen Kopf in den
Schooß. Du deckst mir deine Schürze über den Kopf und erzählst
und erzählst, als wärst du mutterseelenallein im Zimmer. Ich
will nicht zucken; ich will nicht schreien; ich will geduldig aus-
harren, was immer kommen mag.
Frau Bergmann. -- Der Himmel weiß, Wendla, daß
ich nicht die Schuld trage! Der Himmel kennt mich! -- Komm'
in Gottes Namen! -- Ich will dir erzählen, Mädchen, wie du in
diese Welt hineingekommen. -- So hör' mich an, Wendla ...
Wendla (unter ihrer Schürze). Ich höre.
Frau Bergmann (ekstatisch). -- Aber es geht ja nicht,
Kind! -- Ich kann es ja nicht verantworten. -- Ich verdiene
ja, daß man mich in's Gefängniß setzt -- daß man dich von mir
nimmt ...
Wendla (unter ihrer Schürze). Faß' dir ein Herz, Mutter!
Frau Bergmann. So höre denn ...!
Wendla (unter ihrer Schürze, zitternd). O Gott, o Gott!
Frau Bergmann. Um ein Kind zu bekommen -- du
verstehst mich, Wendla?
Wendla. Rasch, Mutter -- ich halt's nicht mehr aus.
Frau Bergmann. -- Um ein Kind zu bekommen --
muß man den Mann -- mit dem man verheirathet ist ...
Alles … O du grundgütige Allmacht! — nur heute nicht,
Wendla! — Morgen, übermorgen, kommende Woche … wann
du nur immer willſt, liebes Herz …
Wendla. Sag' es mir heute, Mutter; ſag' es mir jetzt!
Jetzt gleich! — Nun ich dich ſo entſetzt geſehen, kann ich erſt
recht nicht eher wieder ruhig werden.
Frau Bergmann. — Ich kann nicht, Wendla.
Wendla. O warum kannſt du nicht, Mütterchen! —
Hier knie ich zu deinen Füßen und lege dir meinen Kopf in den
Schooß. Du deckſt mir deine Schürze über den Kopf und erzählſt
und erzählſt, als wärſt du mutterſeelenallein im Zimmer. Ich
will nicht zucken; ich will nicht ſchreien; ich will geduldig aus-
harren, was immer kommen mag.
Frau Bergmann. — Der Himmel weiß, Wendla, daß
ich nicht die Schuld trage! Der Himmel kennt mich! — Komm'
in Gottes Namen! — Ich will dir erzählen, Mädchen, wie du in
dieſe Welt hineingekommen. — So hör' mich an, Wendla …
Wendla (unter ihrer Schürze). Ich höre.
Frau Bergmann (ekſtatiſch). — Aber es geht ja nicht,
Kind! — Ich kann es ja nicht verantworten. — Ich verdiene
ja, daß man mich in's Gefängniß ſetzt — daß man dich von mir
nimmt …
Wendla (unter ihrer Schürze). Faß' dir ein Herz, Mutter!
Frau Bergmann. So höre denn …!
Wendla (unter ihrer Schürze, zitternd). O Gott, o Gott!
Frau Bergmann. Um ein Kind zu bekommen — du
verſtehſt mich, Wendla?
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[34/0050] Alles … O du grundgütige Allmacht! — nur heute nicht, Wendla! — Morgen, übermorgen, kommende Woche … wann du nur immer willſt, liebes Herz … Wendla. Sag' es mir heute, Mutter; ſag' es mir jetzt! Jetzt gleich! — Nun ich dich ſo entſetzt geſehen, kann ich erſt recht nicht eher wieder ruhig werden. Frau Bergmann. — Ich kann nicht, Wendla. Wendla. O warum kannſt du nicht, Mütterchen! — Hier knie ich zu deinen Füßen und lege dir meinen Kopf in den Schooß. Du deckſt mir deine Schürze über den Kopf und erzählſt und erzählſt, als wärſt du mutterſeelenallein im Zimmer. Ich will nicht zucken; ich will nicht ſchreien; ich will geduldig aus- harren, was immer kommen mag. Frau Bergmann. — Der Himmel weiß, Wendla, daß ich nicht die Schuld trage! Der Himmel kennt mich! — Komm' in Gottes Namen! — Ich will dir erzählen, Mädchen, wie du in dieſe Welt hineingekommen. — So hör' mich an, Wendla … Wendla (unter ihrer Schürze). Ich höre. Frau Bergmann (ekſtatiſch). — Aber es geht ja nicht, Kind! — Ich kann es ja nicht verantworten. — Ich verdiene ja, daß man mich in's Gefängniß ſetzt — daß man dich von mir nimmt … Wendla (unter ihrer Schürze). Faß' dir ein Herz, Mutter! Frau Bergmann. So höre denn …! Wendla (unter ihrer Schürze, zitternd). O Gott, o Gott! Frau Bergmann. Um ein Kind zu bekommen — du verſtehſt mich, Wendla? Wendla. Raſch, Mutter — ich halt's nicht mehr aus. Frau Bergmann. — Um ein Kind zu bekommen — muß man den Mann — mit dem man verheirathet iſt …

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Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/50>, abgerufen am 21.11.2024.