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Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891.

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Ina. Bis ich das nächste Mal vorspreche, springst du
vielleicht schon wieder im Haus herum. -- Leb' wohl, Mutter.
Ich muß durchaus noch zur Schneiderin. -- Behüt' dich Gott,
liebe Wendla.
(Küßt sie.) Recht, recht baldige Besserung!
Wendla. Leb' wohl, Ina. -- Bring' mir Himmelsschlüssel
mit, wenn du wiederkommst. Adieu. Grüße deine Jungens
von mir.
(Ina ab.)
Wendla. Was hat er noch gesagt, Mutter, als er
draußen war?
Frau Bergmann. Er hat nichts gesagt. -- Er sagte,
Fräulein von Witzleben habe auch zu Ohnmachten geneigt. Es
sei das fast immer so bei der Bleichsucht.
Wendla. Hat er gesagt, Mutter, daß ich die Bleichsucht habe?
Frau Bergmann. Du sollest Milch trinken und Fleisch
und Gemüse essen, wenn der Appetit zurückgekehrt sei.
Wendla. O Mutter, Mutter, ich glaube, ich habe nicht
die Bleichsucht. ...
Frau Bergmann. Du hast die Bleichsucht, Kind. Sei
ruhig, Wendla, sei ruhig; du hast die Bleichsucht.
Wendla. Nein, Mutter, nein! Ich weiß es. Ich fühl' es.
Ich habe nicht die Bleichsucht. Ich habe die Wassersucht. ...
Frau Bergmann. Du hast die Bleichsucht. Er hat ja
gesagt, daß du die Bleichsucht hast. Beruhige dich, Mädchen.
Es wird besser werden.
Wendla. Es wird nicht besser werden. Ich habe die
Wassersucht. Ich muß sterben, Mutter. -- O Mutter, ich muß
sterben!
Frau Bergmann. Du mußt nicht sterben, Kind! Du
mußt nicht sterben. ... Barmherziger Himmel, du mußt nicht
sterben!
Ina. Bis ich das nächſte Mal vorſpreche, ſpringſt du
vielleicht ſchon wieder im Haus herum. — Leb' wohl, Mutter.
Ich muß durchaus noch zur Schneiderin. — Behüt' dich Gott,
liebe Wendla.
(Küßt ſie.) Recht, recht baldige Beſſerung!
Wendla. Leb' wohl, Ina. — Bring' mir Himmelsſchlüſſel
mit, wenn du wiederkommſt. Adieu. Grüße deine Jungens
von mir.
(Ina ab.)
Wendla. Was hat er noch geſagt, Mutter, als er
draußen war?
Frau Bergmann. Er hat nichts geſagt. — Er ſagte,
Fräulein von Witzleben habe auch zu Ohnmachten geneigt. Es
ſei das faſt immer ſo bei der Bleichſucht.
Wendla. Hat er geſagt, Mutter, daß ich die Bleichſucht habe?
Frau Bergmann. Du ſolleſt Milch trinken und Fleiſch
und Gemüſe eſſen, wenn der Appetit zurückgekehrt ſei.
Wendla. O Mutter, Mutter, ich glaube, ich habe nicht
die Bleichſucht. …
Frau Bergmann. Du haſt die Bleichſucht, Kind. Sei
ruhig, Wendla, ſei ruhig; du haſt die Bleichſucht.
Wendla. Nein, Mutter, nein! Ich weiß es. Ich fühl' es.
Ich habe nicht die Bleichſucht. Ich habe die Waſſerſucht. …
Frau Bergmann. Du haſt die Bleichſucht. Er hat ja
geſagt, daß du die Bleichſucht haſt. Beruhige dich, Mädchen.
Es wird beſſer werden.
Wendla. Es wird nicht beſſer werden. Ich habe die
Waſſerſucht. Ich muß ſterben, Mutter. — O Mutter, ich muß
ſterben!
Frau Bergmann. Du mußt nicht ſterben, Kind! Du
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[71/0087] Ina. Bis ich das nächſte Mal vorſpreche, ſpringſt du vielleicht ſchon wieder im Haus herum. — Leb' wohl, Mutter. Ich muß durchaus noch zur Schneiderin. — Behüt' dich Gott, liebe Wendla. (Küßt ſie.) Recht, recht baldige Beſſerung! Wendla. Leb' wohl, Ina. — Bring' mir Himmelsſchlüſſel mit, wenn du wiederkommſt. Adieu. Grüße deine Jungens von mir. (Ina ab.) Wendla. Was hat er noch geſagt, Mutter, als er draußen war? Frau Bergmann. Er hat nichts geſagt. — Er ſagte, Fräulein von Witzleben habe auch zu Ohnmachten geneigt. Es ſei das faſt immer ſo bei der Bleichſucht. Wendla. Hat er geſagt, Mutter, daß ich die Bleichſucht habe? Frau Bergmann. Du ſolleſt Milch trinken und Fleiſch und Gemüſe eſſen, wenn der Appetit zurückgekehrt ſei. Wendla. O Mutter, Mutter, ich glaube, ich habe nicht die Bleichſucht. … Frau Bergmann. Du haſt die Bleichſucht, Kind. Sei ruhig, Wendla, ſei ruhig; du haſt die Bleichſucht. Wendla. Nein, Mutter, nein! Ich weiß es. Ich fühl' es. Ich habe nicht die Bleichſucht. Ich habe die Waſſerſucht. … Frau Bergmann. Du haſt die Bleichſucht. Er hat ja geſagt, daß du die Bleichſucht haſt. Beruhige dich, Mädchen. Es wird beſſer werden. Wendla. Es wird nicht beſſer werden. Ich habe die Waſſerſucht. Ich muß ſterben, Mutter. — O Mutter, ich muß ſterben! Frau Bergmann. Du mußt nicht ſterben, Kind! Du mußt nicht ſterben. … Barmherziger Himmel, du mußt nicht ſterben!

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Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/87>, abgerufen am 21.11.2024.