Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_094.001 pwe_094.020 Wenn wir selber hier - in rein praktischer Absicht - eine Aufgliederung pwe_094.021 1 pwe_094.038
Reinhold Schwinger und Heinz Nicolai, Innere Form und dichterische Phantasie. pwe_094.039 Zwei Vorstudien zu einer neuen deutschen Poetik. Herausgegeben von K. J. pwe_094.040 Obenauer. München 1935. pwe_094.001 pwe_094.020 Wenn wir selber hier – in rein praktischer Absicht – eine Aufgliederung pwe_094.021 1 pwe_094.038
Reinhold Schwinger und Heinz Nicolai, Innere Form und dichterische Phantasie. pwe_094.039 Zwei Vorstudien zu einer neuen deutschen Poetik. Herausgegeben von K. J. pwe_094.040 Obenauer. München 1935. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0100" n="94"/><lb n="pwe_094.001"/> Gehalt und Gestalt, Inhalt und Form, um anzudeuten, wie wenig der Inhalt <lb n="pwe_094.002"/> etwas Herauslösbares und die Form etwas bloß Äußeres seien. (Ein Ausweg, <lb n="pwe_094.003"/> der sich schon lange empfohlen hat, ist der neuplatonische, seit Shaftesbury <lb n="pwe_094.004"/> wieder aufgenommene Begriff der „inneren Form“<note xml:id="PWE_094_1" place="foot" n="1"><lb n="pwe_094.038"/> Reinhold Schwinger und Heinz Nicolai, <hi rendition="#i">Innere Form und dichterische Phantasie. <lb n="pwe_094.039"/> Zwei Vorstudien zu einer neuen deutschen Poetik. Herausgegeben von K. J. <lb n="pwe_094.040"/> Obenauer.</hi> München 1935.</note>; diese contradictio in <lb n="pwe_094.005"/> adjecto ist zunächst nichts als ein sprachlicher Kompromiß, der das Problem <lb n="pwe_094.006"/> nur scheinbar löst.) <hi rendition="#k">Ingarden</hi> hat nicht weniger als neun verschiedene Verwendungen <lb n="pwe_094.007"/> des Begriffspaares unterschieden und für alle wieder eine Reihe verschiedener <lb n="pwe_094.008"/> Betrachtungsweisen, und hat gezeigt, wie die Unterscheidung noch <lb n="pwe_094.009"/> im letzten Element, im letzten Aspekt des Kunstwerks möglich ist, also niemals <lb n="pwe_094.010"/> ein einfaches Aufteilen bedeuten kann. Die Form-Inhalt-Unterscheidung <lb n="pwe_094.011"/> ruht aber offenbar so tief im Schematismus unserer Sprache und Vorstellung, <lb n="pwe_094.012"/> daß sie kaum vermeidbar ist und auch nicht vermieden werden <lb n="pwe_094.013"/> soll. Der doppelsinnige Gebrauch der Worte Form, Stil, Gestalt für das <lb n="pwe_094.014"/> Ganze und zugleich für ein Element des Ganzen kann nur heißen, daß das <lb n="pwe_094.015"/> Kunstwerk immer noch mehr ist als es selbst, daß es über sich hinausweist, <lb n="pwe_094.016"/> daß menschliches Dasein überhaupt nur über <hi rendition="#i">symbolische</hi> Formen und symbolische <lb n="pwe_094.017"/> <hi rendition="#i">Formen</hi> zu sich selbst gelangt. Diese Zeichenhaftigkeit wird sich <lb n="pwe_094.018"/> auch im Folgenden bei jedem einzelnen Aspekt des Kunstwerks wieder herausstellen.</p> <lb n="pwe_094.019"/> <lb n="pwe_094.020"/> <p> Wenn wir selber hier – in rein praktischer Absicht – eine Aufgliederung <lb n="pwe_094.021"/> wählen müssen, so stehen uns u. a. die Dispositionen von <hi rendition="#k">Petersen</hi> und <lb n="pwe_094.022"/> <hi rendition="#k">Kayser</hi> zur Verfügung (<hi rendition="#k">Wellek-Warren</hi> unterscheiden beim „Intrinsic <lb n="pwe_094.023"/> study of Literature“ Euphony, Rhythm, and Meter; Style and Stylistics; <lb n="pwe_094.024"/> Image, Metaphor, Symbol, Myth; the Nature and Modes of Narrative Fiction; <lb n="pwe_094.025"/> Literary Genres – was weniger eine Systematik als eine Organisation <lb n="pwe_094.026"/> nach einzelnen wichtigen Gesichtspunkten bedeutet). <hi rendition="#k">Petersen</hi> folgt dem <lb n="pwe_094.027"/> scharfsinnigen Schema eines pyramidenartigen Aufbaus, der aus den sieben <lb n="pwe_094.028"/> Stufen Grundriß, innere Form, Plan, Gestaltung, Verknüpfung, Persönlichkeit, <lb n="pwe_094.029"/> Geist besteht, auf jeder Stufe die drei Gesichtspunkte Stoff, Dichter <lb n="pwe_094.030"/> und Form (sozusagen als Seiten der dreieckigen Plattform) zeigt und spiralartig <lb n="pwe_094.031"/> erklommen wird bis zum Gipfel der „Idee“. <hi rendition="#k">Kaysers</hi> Vorgehen in <lb n="pwe_094.032"/> einer vierstufigen analytischen und einer vierstufigen synthetischen Runde <lb n="pwe_094.033"/> wurde bereits erwähnt (S. 56): Die Inhalt-Gehalt-Schicht und die Formschicht <lb n="pwe_094.034"/> erscheinen hier durch die Schichten Sprache-Stil und Aufbau-Gattung zugleich <lb n="pwe_094.035"/> begrenzt und ergänzt. Nachdem wir „Stil“ als umfassenden und ganzheitlichen <lb n="pwe_094.036"/> Begriff genommen haben und in der Gattung nicht einen Aspekt, <lb n="pwe_094.037"/> sondern einen Stiltypus sehen, was hier nicht mehr zur Rede steht, wollen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0100]
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Gehalt und Gestalt, Inhalt und Form, um anzudeuten, wie wenig der Inhalt pwe_094.002
etwas Herauslösbares und die Form etwas bloß Äußeres seien. (Ein Ausweg, pwe_094.003
der sich schon lange empfohlen hat, ist der neuplatonische, seit Shaftesbury pwe_094.004
wieder aufgenommene Begriff der „inneren Form“ 1; diese contradictio in pwe_094.005
adjecto ist zunächst nichts als ein sprachlicher Kompromiß, der das Problem pwe_094.006
nur scheinbar löst.) Ingarden hat nicht weniger als neun verschiedene Verwendungen pwe_094.007
des Begriffspaares unterschieden und für alle wieder eine Reihe verschiedener pwe_094.008
Betrachtungsweisen, und hat gezeigt, wie die Unterscheidung noch pwe_094.009
im letzten Element, im letzten Aspekt des Kunstwerks möglich ist, also niemals pwe_094.010
ein einfaches Aufteilen bedeuten kann. Die Form-Inhalt-Unterscheidung pwe_094.011
ruht aber offenbar so tief im Schematismus unserer Sprache und Vorstellung, pwe_094.012
daß sie kaum vermeidbar ist und auch nicht vermieden werden pwe_094.013
soll. Der doppelsinnige Gebrauch der Worte Form, Stil, Gestalt für das pwe_094.014
Ganze und zugleich für ein Element des Ganzen kann nur heißen, daß das pwe_094.015
Kunstwerk immer noch mehr ist als es selbst, daß es über sich hinausweist, pwe_094.016
daß menschliches Dasein überhaupt nur über symbolische Formen und symbolische pwe_094.017
Formen zu sich selbst gelangt. Diese Zeichenhaftigkeit wird sich pwe_094.018
auch im Folgenden bei jedem einzelnen Aspekt des Kunstwerks wieder herausstellen.
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Wenn wir selber hier – in rein praktischer Absicht – eine Aufgliederung pwe_094.021
wählen müssen, so stehen uns u. a. die Dispositionen von Petersen und pwe_094.022
Kayser zur Verfügung (Wellek-Warren unterscheiden beim „Intrinsic pwe_094.023
study of Literature“ Euphony, Rhythm, and Meter; Style and Stylistics; pwe_094.024
Image, Metaphor, Symbol, Myth; the Nature and Modes of Narrative Fiction; pwe_094.025
Literary Genres – was weniger eine Systematik als eine Organisation pwe_094.026
nach einzelnen wichtigen Gesichtspunkten bedeutet). Petersen folgt dem pwe_094.027
scharfsinnigen Schema eines pyramidenartigen Aufbaus, der aus den sieben pwe_094.028
Stufen Grundriß, innere Form, Plan, Gestaltung, Verknüpfung, Persönlichkeit, pwe_094.029
Geist besteht, auf jeder Stufe die drei Gesichtspunkte Stoff, Dichter pwe_094.030
und Form (sozusagen als Seiten der dreieckigen Plattform) zeigt und spiralartig pwe_094.031
erklommen wird bis zum Gipfel der „Idee“. Kaysers Vorgehen in pwe_094.032
einer vierstufigen analytischen und einer vierstufigen synthetischen Runde pwe_094.033
wurde bereits erwähnt (S. 56): Die Inhalt-Gehalt-Schicht und die Formschicht pwe_094.034
erscheinen hier durch die Schichten Sprache-Stil und Aufbau-Gattung zugleich pwe_094.035
begrenzt und ergänzt. Nachdem wir „Stil“ als umfassenden und ganzheitlichen pwe_094.036
Begriff genommen haben und in der Gattung nicht einen Aspekt, pwe_094.037
sondern einen Stiltypus sehen, was hier nicht mehr zur Rede steht, wollen
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Reinhold Schwinger und Heinz Nicolai, Innere Form und dichterische Phantasie. pwe_094.039
Zwei Vorstudien zu einer neuen deutschen Poetik. Herausgegeben von K. J. pwe_094.040
Obenauer. München 1935.
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