Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_140.001 Wichtig und richtig ist wohl die hier erhobene Forderung, die literaturhistorischen pwe_140.006 Die kleinste und konkreteste chronologische Einheit stellt offenbar die pwe_140.013 1 pwe_140.038 Henri Peyre, Les generations litteraires. Paris 1948 (mit Bibliographie). 2 pwe_140.039
Walter Schachner, Das Generationsproblem in der Geistesgeschichte. Mit einem pwe_140.040 Exkurs über den Hainbund. Diss. Gießen 1937. pwe_140.001 Wichtig und richtig ist wohl die hier erhobene Forderung, die literaturhistorischen pwe_140.006 Die kleinste und konkreteste chronologische Einheit stellt offenbar die pwe_140.013 1 pwe_140.038 Henri Peyre, Les générations littéraires. Paris 1948 (mit Bibliographie). 2 pwe_140.039
Walter Schachner, Das Generationsproblem in der Geistesgeschichte. Mit einem pwe_140.040 Exkurs über den Hainbund. Diss. Gießen 1937. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0146" n="140"/><lb n="pwe_140.001"/> wieder angeschnitten worden. Einen guten historischen Rückblick auf das <lb n="pwe_140.002"/> Problem seit Hesiods Weltalterlehre samt Bibliographie gibt <hi rendition="#k">Henri Peyre</hi><note xml:id="PWE_140_1" place="foot" n="1"><lb n="pwe_140.038"/> Henri Peyre, <hi rendition="#i">Les générations littéraires.</hi> Paris 1948 (mit Bibliographie).</note> <lb n="pwe_140.003"/> als den nützlichsten Teil seines Buches. Klug und abgewogen ist die Darstellung <lb n="pwe_140.004"/> der heutigen Problemlage bei <hi rendition="#k">Wellek-Warren.</hi></p> <lb n="pwe_140.005"/> <p> Wichtig und richtig ist wohl die hier erhobene Forderung, die literaturhistorischen <lb n="pwe_140.006"/> Perioden zunächst einmal nach <hi rendition="#g">literarischen</hi> Kriterien <lb n="pwe_140.007"/> abzugrenzen und erst in zweiter Linie die gewonnenen Einteilungen mit <lb n="pwe_140.008"/> andern Periodensystemen zu konfrontieren. Literaturgeschichte bleibt dann <lb n="pwe_140.009"/> Stilgeschichte in einem weitesten Sinn; die Perioden bedeuten übergeordnete <lb n="pwe_140.010"/> Stilzusammenhänge, die nun allerdings möglichst viel Aspekte formaler, <lb n="pwe_140.011"/> gehaltlicher, struktureller Art decken und zur Deckung bringen sollen.</p> <lb n="pwe_140.012"/> <p> Die kleinste und konkreteste chronologische Einheit stellt offenbar die <lb n="pwe_140.013"/> <hi rendition="#g">Generation</hi> dar; selbst das Oeuvre eines Dichters ist oft nach Generationsstadien <lb n="pwe_140.014"/> gegliedert. Mit dem Begriff der Generation soll die unbestreitbare <lb n="pwe_140.015"/> Erscheinung gefaßt werden, daß der Literaturverlauf zu bestimmten <lb n="pwe_140.016"/> Zeiten eine Häufung und Intensivierung der Leistungen erfährt, <lb n="pwe_140.017"/> die zudem etwas Neues bedeuten. Es wären „couches d'hommes nouveaux“ <lb n="pwe_140.018"/> (<hi rendition="#k">Peyre</hi>), Gruppen Gleichaltriger mit ähnlichen Erfahrungen und Reaktionen, <lb n="pwe_140.019"/> „Jugendreihen“, wie sie ein Schlagwort <hi rendition="#k">Eduard Wechsslers</hi> nannte. <lb n="pwe_140.020"/> <hi rendition="#k">Schachners</hi><note xml:id="PWE_140_2" place="foot" n="2"><lb n="pwe_140.039"/> Walter Schachner, <hi rendition="#i">Das Generationsproblem in der Geistesgeschichte. Mit einem <lb n="pwe_140.040"/> Exkurs über den Hainbund.</hi> Diss. Gießen 1937.</note> Dissertation geht kaum über Fragen der Begriffsdefinition <lb n="pwe_140.021"/> hinaus. Kühner ist dagegen <hi rendition="#k">Peyre.</hi> Er diskutiert eine Reihe von anderen <lb n="pwe_140.022"/> möglichen Gruppenbegriffen: die Bewegung, die Schule, den Kreis usw., <lb n="pwe_140.023"/> um sie als ungeeignet zu verwerfen, da sie sich ja auch der konkreten <lb n="pwe_140.024"/> chronologischen Basis entziehen. Dagegen glaubt er nun auf Grund einer <lb n="pwe_140.025"/> langen chronologischen Untersuchung tabellarisch die Generation als grundlegendes <lb n="pwe_140.026"/> Prinzip empfehlen zu können. Er unterscheidet von 1490–1900 <lb n="pwe_140.027"/> genau 29 Generationen, in denen er nicht nur die Taktschritte der französischen, <lb n="pwe_140.028"/> sondern überhaupt der europäischen Literaturgeschichte sieht, ja <lb n="pwe_140.029"/> von denen er erwartet, daß sie sich auch in andern Künsten und Kulturgebieten <lb n="pwe_140.030"/> bestätigen. Toleranterweise läßt er die zeitliche Dauer der Generationswirkung <lb n="pwe_140.031"/> variabel sein (8–20 Jahre, also nicht etwa das übliche <lb n="pwe_140.032"/> Menschenalter von 30–35 Jahren, das sonst so bequem dreimal in ein Saeculum <lb n="pwe_140.033"/> paßt). Auch wendet er sich gegen die beliebten Versuche einer Rhythmisierung <lb n="pwe_140.034"/> der Generationenfolge etwa im Sinn einer Abstoßung zwischen <lb n="pwe_140.035"/> Vätern und Söhnen und einer Verwandtschaft zwischen Söhnen und Großvätern <lb n="pwe_140.036"/> (solche Schemata der Oszillation oder des Dreischritts kehren ja <lb n="pwe_140.037"/> auch im Epochensystem wieder, seit Hegel, Ottokar Lorenz, Karl Joel usw.). </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [140/0146]
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wieder angeschnitten worden. Einen guten historischen Rückblick auf das pwe_140.002
Problem seit Hesiods Weltalterlehre samt Bibliographie gibt Henri Peyre 1 pwe_140.003
als den nützlichsten Teil seines Buches. Klug und abgewogen ist die Darstellung pwe_140.004
der heutigen Problemlage bei Wellek-Warren.
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Wichtig und richtig ist wohl die hier erhobene Forderung, die literaturhistorischen pwe_140.006
Perioden zunächst einmal nach literarischen Kriterien pwe_140.007
abzugrenzen und erst in zweiter Linie die gewonnenen Einteilungen mit pwe_140.008
andern Periodensystemen zu konfrontieren. Literaturgeschichte bleibt dann pwe_140.009
Stilgeschichte in einem weitesten Sinn; die Perioden bedeuten übergeordnete pwe_140.010
Stilzusammenhänge, die nun allerdings möglichst viel Aspekte formaler, pwe_140.011
gehaltlicher, struktureller Art decken und zur Deckung bringen sollen.
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Die kleinste und konkreteste chronologische Einheit stellt offenbar die pwe_140.013
Generation dar; selbst das Oeuvre eines Dichters ist oft nach Generationsstadien pwe_140.014
gegliedert. Mit dem Begriff der Generation soll die unbestreitbare pwe_140.015
Erscheinung gefaßt werden, daß der Literaturverlauf zu bestimmten pwe_140.016
Zeiten eine Häufung und Intensivierung der Leistungen erfährt, pwe_140.017
die zudem etwas Neues bedeuten. Es wären „couches d'hommes nouveaux“ pwe_140.018
(Peyre), Gruppen Gleichaltriger mit ähnlichen Erfahrungen und Reaktionen, pwe_140.019
„Jugendreihen“, wie sie ein Schlagwort Eduard Wechsslers nannte. pwe_140.020
Schachners 2 Dissertation geht kaum über Fragen der Begriffsdefinition pwe_140.021
hinaus. Kühner ist dagegen Peyre. Er diskutiert eine Reihe von anderen pwe_140.022
möglichen Gruppenbegriffen: die Bewegung, die Schule, den Kreis usw., pwe_140.023
um sie als ungeeignet zu verwerfen, da sie sich ja auch der konkreten pwe_140.024
chronologischen Basis entziehen. Dagegen glaubt er nun auf Grund einer pwe_140.025
langen chronologischen Untersuchung tabellarisch die Generation als grundlegendes pwe_140.026
Prinzip empfehlen zu können. Er unterscheidet von 1490–1900 pwe_140.027
genau 29 Generationen, in denen er nicht nur die Taktschritte der französischen, pwe_140.028
sondern überhaupt der europäischen Literaturgeschichte sieht, ja pwe_140.029
von denen er erwartet, daß sie sich auch in andern Künsten und Kulturgebieten pwe_140.030
bestätigen. Toleranterweise läßt er die zeitliche Dauer der Generationswirkung pwe_140.031
variabel sein (8–20 Jahre, also nicht etwa das übliche pwe_140.032
Menschenalter von 30–35 Jahren, das sonst so bequem dreimal in ein Saeculum pwe_140.033
paßt). Auch wendet er sich gegen die beliebten Versuche einer Rhythmisierung pwe_140.034
der Generationenfolge etwa im Sinn einer Abstoßung zwischen pwe_140.035
Vätern und Söhnen und einer Verwandtschaft zwischen Söhnen und Großvätern pwe_140.036
(solche Schemata der Oszillation oder des Dreischritts kehren ja pwe_140.037
auch im Epochensystem wieder, seit Hegel, Ottokar Lorenz, Karl Joel usw.).
1 pwe_140.038
Henri Peyre, Les générations littéraires. Paris 1948 (mit Bibliographie).
2 pwe_140.039
Walter Schachner, Das Generationsproblem in der Geistesgeschichte. Mit einem pwe_140.040
Exkurs über den Hainbund. Diss. Gießen 1937.
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