Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_013.001 So hat, zwischen den Wandlungen des allgemeinen Welt- und Menschenbildes pwe_013.006 1 pwe_013.038
O. F. Bollnow, Dilthey. Eine Einführung in seine Philosophie. Leipzig 1936. pwe_013.039 - Wolfgang Erxleben, Um Diltheys Grundlegung der Geisteswissenschaften. pwe_013.040 "Kant-Studien". N. F. Bd. 42 (1942/43) 217 ff. pwe_013.001 So hat, zwischen den Wandlungen des allgemeinen Welt- und Menschenbildes pwe_013.006 1 pwe_013.038
O. F. Bollnow, Dilthey. Eine Einführung in seine Philosophie. Leipzig 1936. pwe_013.039 – Wolfgang Erxleben, Um Diltheys Grundlegung der Geisteswissenschaften. pwe_013.040 „Kant-Studien“. N. F. Bd. 42 (1942/43) 217 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0019" n="13"/><lb n="pwe_013.001"/> in tiefer dialektischer Beziehung zum Nicht-Sein, zur Ohnmacht, zum <lb n="pwe_013.002"/> Schweigen. Aber es ist auch unbestreitbar, daß damit die Aufgabe, Dichtung <lb n="pwe_013.003"/> angemessen zu verstehen, radikal neu gestellt worden ist und der <lb n="pwe_013.004"/> Literaturbetrachtung ganz neue Perspektiven eröffnet wurden.</p> <lb n="pwe_013.005"/> <p> So hat, zwischen den Wandlungen des allgemeinen Welt- und Menschenbildes <lb n="pwe_013.006"/> einerseits und den neuen dichterischen Sprach- und Gestaltungsformen <lb n="pwe_013.007"/> andererseits, auch die <hi rendition="#g">Literaturwissenschaft</hi> als Vermittlerin <lb n="pwe_013.008"/> zwischen dem theoretischen und dem gestalterischen Bereich einen weiten <lb n="pwe_013.009"/> Weg zurückgelegt. Die moderne deutsche Literaturwissenschaft sieht sich <lb n="pwe_013.010"/> immer wieder zurückverwiesen auf den Gründer einer neuen, ihrer selbst <lb n="pwe_013.011"/> bewußten Geisteswissenschaft, <hi rendition="#k">Wilhelm Dilthey</hi><note xml:id="PWE_013_1" place="foot" n="1"><lb n="pwe_013.038"/> O. F. Bollnow, <hi rendition="#i">Dilthey. Eine Einführung in seine Philosophie.</hi> Leipzig 1936. <lb n="pwe_013.039"/> – Wolfgang Erxleben, <hi rendition="#i">Um Diltheys Grundlegung der Geisteswissenschaften.</hi> <lb n="pwe_013.040"/> „Kant-Studien“. N. F. Bd. 42 (1942/43) 217 ff.</note>. Sie orientiert sich am <lb n="pwe_013.012"/> Gegensatz zu einer als positivistisch, empiristisch, kausalitätsgläubig verstandenen <lb n="pwe_013.013"/> Naturwissenschaft. Gegen die positivistische Schererschule mit <lb n="pwe_013.014"/> ihrer mechanischen Formel des „Erlebten, Erlernten, Ererbten“ beharrt sie <lb n="pwe_013.015"/> auf der Eigenart des geschichtlichen Geistes und klärt das Wesen historischen <lb n="pwe_013.016"/> Verstehens als eines im fruchtbaren Kreislauf von Einfühlen und <lb n="pwe_013.017"/> Auslegen erfolgenden, selbst geschichtlichen Prozesses. Dichtung wird im <lb n="pwe_013.018"/> Sinne Goethes als Auslegung des „Lebens“ aus ihm selbst verstanden, und <lb n="pwe_013.019"/> das „Erlebnis“ im weitesten Sinne erscheint als ihr eigentlicher, nicht mehr <lb n="pwe_013.020"/> reduzierbarer Quellpunkt. Die Literarhistorie hat in sorgsamer Betrachtung <lb n="pwe_013.021"/> der Werke und ihrer Entstehung im Zusammenhang der Lebensgeschichte <lb n="pwe_013.022"/> des Dichters wie seiner Zeit die zentrale Erlebnisweise zu formulieren, <lb n="pwe_013.023"/> ja schließlich auch gewisse Typen des Erlebens und der Weltanschauung <lb n="pwe_013.024"/> herauszustellen und ihre Geschichte im Lauf der Jahrhunderte <lb n="pwe_013.025"/> zu schreiben. <hi rendition="#k">Diltheys</hi> Rückgriff auf die Positionen der Goethezeit und <lb n="pwe_013.026"/> des Idealismus wurde für die Literaturwissenschaft schicksalhaft. Der mysteriöse <lb n="pwe_013.027"/> Begriff des Erlebnisses, zunächst nur ein Name für den Einheits- <lb n="pwe_013.028"/> und Beziehungspunkt eines Werks oder eines Stils, verlockte zu einer unhaltbaren <lb n="pwe_013.029"/> Systematisierung (z. <hi rendition="#k">B. Ermatingers</hi> Stoff-, Gedanken- und <lb n="pwe_013.030"/> Formerlebnis, <hi rendition="#k">Gundolfs</hi> Ur- und Bildungserlebnis) oder verführt zum Abgleiten <lb n="pwe_013.031"/> in rein biographische „Erklärung“. Anderseits liegt es nahe, die <lb n="pwe_013.032"/> dichterische Äußerung zum Beleg von Weltanschauungen, die Dichtungsgeschichte <lb n="pwe_013.033"/> zur bloßen Illustration einer an sich abstrakten Bewegung des <lb n="pwe_013.034"/> objektiven Geistes, d. h. zu Ideen- und Problemgeschichte (<hi rendition="#k">Rudolf Un- <lb n="pwe_013.035"/> ger, August Hermann Korff</hi>) werden zu lassen. Trotz des Versuchs, das <lb n="pwe_013.036"/> Geschehen durch eine weltanschauliche Typologie zu organisieren, bleibt <lb n="pwe_013.037"/> ein gewisser Wertrelativismus und Historismus bestehen und wird vor allem </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [13/0019]
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in tiefer dialektischer Beziehung zum Nicht-Sein, zur Ohnmacht, zum pwe_013.002
Schweigen. Aber es ist auch unbestreitbar, daß damit die Aufgabe, Dichtung pwe_013.003
angemessen zu verstehen, radikal neu gestellt worden ist und der pwe_013.004
Literaturbetrachtung ganz neue Perspektiven eröffnet wurden.
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einerseits und den neuen dichterischen Sprach- und Gestaltungsformen pwe_013.007
andererseits, auch die Literaturwissenschaft als Vermittlerin pwe_013.008
zwischen dem theoretischen und dem gestalterischen Bereich einen weiten pwe_013.009
Weg zurückgelegt. Die moderne deutsche Literaturwissenschaft sieht sich pwe_013.010
immer wieder zurückverwiesen auf den Gründer einer neuen, ihrer selbst pwe_013.011
bewußten Geisteswissenschaft, Wilhelm Dilthey 1. Sie orientiert sich am pwe_013.012
Gegensatz zu einer als positivistisch, empiristisch, kausalitätsgläubig verstandenen pwe_013.013
Naturwissenschaft. Gegen die positivistische Schererschule mit pwe_013.014
ihrer mechanischen Formel des „Erlebten, Erlernten, Ererbten“ beharrt sie pwe_013.015
auf der Eigenart des geschichtlichen Geistes und klärt das Wesen historischen pwe_013.016
Verstehens als eines im fruchtbaren Kreislauf von Einfühlen und pwe_013.017
Auslegen erfolgenden, selbst geschichtlichen Prozesses. Dichtung wird im pwe_013.018
Sinne Goethes als Auslegung des „Lebens“ aus ihm selbst verstanden, und pwe_013.019
das „Erlebnis“ im weitesten Sinne erscheint als ihr eigentlicher, nicht mehr pwe_013.020
reduzierbarer Quellpunkt. Die Literarhistorie hat in sorgsamer Betrachtung pwe_013.021
der Werke und ihrer Entstehung im Zusammenhang der Lebensgeschichte pwe_013.022
des Dichters wie seiner Zeit die zentrale Erlebnisweise zu formulieren, pwe_013.023
ja schließlich auch gewisse Typen des Erlebens und der Weltanschauung pwe_013.024
herauszustellen und ihre Geschichte im Lauf der Jahrhunderte pwe_013.025
zu schreiben. Diltheys Rückgriff auf die Positionen der Goethezeit und pwe_013.026
des Idealismus wurde für die Literaturwissenschaft schicksalhaft. Der mysteriöse pwe_013.027
Begriff des Erlebnisses, zunächst nur ein Name für den Einheits- pwe_013.028
und Beziehungspunkt eines Werks oder eines Stils, verlockte zu einer unhaltbaren pwe_013.029
Systematisierung (z. B. Ermatingers Stoff-, Gedanken- und pwe_013.030
Formerlebnis, Gundolfs Ur- und Bildungserlebnis) oder verführt zum Abgleiten pwe_013.031
in rein biographische „Erklärung“. Anderseits liegt es nahe, die pwe_013.032
dichterische Äußerung zum Beleg von Weltanschauungen, die Dichtungsgeschichte pwe_013.033
zur bloßen Illustration einer an sich abstrakten Bewegung des pwe_013.034
objektiven Geistes, d. h. zu Ideen- und Problemgeschichte (Rudolf Un- pwe_013.035
ger, August Hermann Korff) werden zu lassen. Trotz des Versuchs, das pwe_013.036
Geschehen durch eine weltanschauliche Typologie zu organisieren, bleibt pwe_013.037
ein gewisser Wertrelativismus und Historismus bestehen und wird vor allem
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„Kant-Studien“. N. F. Bd. 42 (1942/43) 217 ff.
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