Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_056.001 Um dem dynamischen und ganzheitlichen Charakter des Dichtwerks Rechnung pwe_056.021 Es handelt sich hier also wohl weniger um Schichten einer Werkarchitektur, pwe_056.041 pwe_056.001 Um dem dynamischen und ganzheitlichen Charakter des Dichtwerks Rechnung pwe_056.021 Es handelt sich hier also wohl weniger um Schichten einer Werkarchitektur, pwe_056.041 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0062" n="56"/><lb n="pwe_056.001"/> gerissen zu werden – womit freilich die Möglichkeit eines <hi rendition="#i">poetischen</hi> <lb n="pwe_056.002"/> Relativismus noch nicht ausgeschlossen ist! Gegenüber <hi rendition="#k">Julius Pe- <lb n="pwe_056.003"/> tersens</hi> Werk ist hier ein Neues versucht. Wenn dort der Turmbau einer <lb n="pwe_056.004"/> Wissenschaft von der Dichtung als Systembildung im Rahmen einer mehr <lb n="pwe_056.005"/> technischen Organisation und Kompilation bleibt und vielleicht mit der <lb n="pwe_056.006"/> Vielfalt an Möglichkeiten erst recht Verwirrung zurücklassen kann, so ist <lb n="pwe_056.007"/> hier ein eigentlicher Lehrgang, eine Einführung in die Praxis der Auslegung <lb n="pwe_056.008"/> dichterischer Kunstwerke gegeben, in mühelos faßlicher und spannender <lb n="pwe_056.009"/> Entwicklung, in zurückhaltender, subtiler und doch beharrlicher <lb n="pwe_056.010"/> Problembehandlung, mit eingelegten Musterinterpretationen und mit einer <lb n="pwe_056.011"/> Fülle von Belegmaterial aus allen europäischen Literaturen. Es ist ein meisterhaft <lb n="pwe_056.012"/> pädagogisches Werk eher als ein Werk der systematischen Forschung. <lb n="pwe_056.013"/> Von einer Diskussion der wissenschaftlichen Literatur hat <hi rendition="#k">Kayser</hi> <lb n="pwe_056.014"/> das Buch entlastet, indem der Text nur wichtigere Vertreter berücksichtigt, <lb n="pwe_056.015"/> wogegen im Anhang eine umfangreiche Bibliographie geboten ist, die <lb n="pwe_056.016"/> wiederum keine Sprachgrenzen kennt. Es zeigt sich, wie im Zeichen des <lb n="pwe_056.017"/> sprachlichen Kunstwerks die Schlagbäume zwischen den einzelnen Nationalliteraturen <lb n="pwe_056.018"/> aufgehen – hier bringt gerade die Poetik entscheidende Anstöße <lb n="pwe_056.019"/> auch zur Revision der Literatur<hi rendition="#i">historie.</hi></p> <lb n="pwe_056.020"/> <p> Um dem dynamischen und ganzheitlichen Charakter des Dichtwerks Rechnung <lb n="pwe_056.021"/> zu tragen, schreitet <hi rendition="#k">Kayser</hi> seinen Gegenstand in zwei übereinanderliegenden <lb n="pwe_056.022"/> Kreisen ab. In einem ersten, „analytischen“ Teil behandelt er <lb n="pwe_056.023"/> jene Elemente des Werks, die sozusagen diesseits des Stilganzen oder von <lb n="pwe_056.024"/> außen her herauslösbar ins Auge fallen: (stofflich-motivischen) Inhalt, <lb n="pwe_056.025"/> Versform, sprachliche Formen (in der Stufung Laut, Wort, Satz), Aufbau <lb n="pwe_056.026"/> (im Sinn äußerer Bauformen). Es sollen damit die „elementaren Sachverhalte“ <lb n="pwe_056.027"/> vermittelt sein, „die mit der Seinsweise des Werkes als eines literarischen <lb n="pwe_056.028"/> Werkes gegeben sind“. Die zweite, höhere Runde ist dagegen <lb n="pwe_056.029"/> synthetischer Art und betrifft, in vier entsprechenden Stationen oder <lb n="pwe_056.030"/> „Schichten“, den ganzheitlichen Charakter des Werkes; die Isolierung jener <lb n="pwe_056.031"/> vier Elemente der Analytik ist hier aufgehoben, sie wirken hier zusammen, <lb n="pwe_056.032"/> weisen in bestimmter Richtung über sich hinaus als Gehalt, Rhythmus, <lb n="pwe_056.033"/> Stil, Gattungsgefüge – vom letzten, dem Gattungshaften her lassen <lb n="pwe_056.034"/> sich die verschiedenen vorangehenden Schichten gerade in ihrem Zusammenwirken <lb n="pwe_056.035"/> verstehen. Zwischen die beiden Hauptteile ist ein „Zwischenteil“ <lb n="pwe_056.036"/> geschaltet, der unter dem Titel „Formen der Darbietung“ einzelne, <lb n="pwe_056.037"/> etwas heterogene Fragen der „Technik“ behandelt (z. B. rhetorische Schemata <lb n="pwe_056.038"/> in der Lyrik, Bühnenprobleme des Dramas, Zeitbehandlung in der <lb n="pwe_056.039"/> Erzählung).</p> <lb n="pwe_056.040"/> <p> Es handelt sich hier also wohl weniger um Schichten einer Werkarchitektur, <lb n="pwe_056.041"/> als um Aspekte eines Ganzen, die sich nur gegenseitig erhellen und </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0062]
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gerissen zu werden – womit freilich die Möglichkeit eines poetischen pwe_056.002
Relativismus noch nicht ausgeschlossen ist! Gegenüber Julius Pe- pwe_056.003
tersens Werk ist hier ein Neues versucht. Wenn dort der Turmbau einer pwe_056.004
Wissenschaft von der Dichtung als Systembildung im Rahmen einer mehr pwe_056.005
technischen Organisation und Kompilation bleibt und vielleicht mit der pwe_056.006
Vielfalt an Möglichkeiten erst recht Verwirrung zurücklassen kann, so ist pwe_056.007
hier ein eigentlicher Lehrgang, eine Einführung in die Praxis der Auslegung pwe_056.008
dichterischer Kunstwerke gegeben, in mühelos faßlicher und spannender pwe_056.009
Entwicklung, in zurückhaltender, subtiler und doch beharrlicher pwe_056.010
Problembehandlung, mit eingelegten Musterinterpretationen und mit einer pwe_056.011
Fülle von Belegmaterial aus allen europäischen Literaturen. Es ist ein meisterhaft pwe_056.012
pädagogisches Werk eher als ein Werk der systematischen Forschung. pwe_056.013
Von einer Diskussion der wissenschaftlichen Literatur hat Kayser pwe_056.014
das Buch entlastet, indem der Text nur wichtigere Vertreter berücksichtigt, pwe_056.015
wogegen im Anhang eine umfangreiche Bibliographie geboten ist, die pwe_056.016
wiederum keine Sprachgrenzen kennt. Es zeigt sich, wie im Zeichen des pwe_056.017
sprachlichen Kunstwerks die Schlagbäume zwischen den einzelnen Nationalliteraturen pwe_056.018
aufgehen – hier bringt gerade die Poetik entscheidende Anstöße pwe_056.019
auch zur Revision der Literaturhistorie.
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Um dem dynamischen und ganzheitlichen Charakter des Dichtwerks Rechnung pwe_056.021
zu tragen, schreitet Kayser seinen Gegenstand in zwei übereinanderliegenden pwe_056.022
Kreisen ab. In einem ersten, „analytischen“ Teil behandelt er pwe_056.023
jene Elemente des Werks, die sozusagen diesseits des Stilganzen oder von pwe_056.024
außen her herauslösbar ins Auge fallen: (stofflich-motivischen) Inhalt, pwe_056.025
Versform, sprachliche Formen (in der Stufung Laut, Wort, Satz), Aufbau pwe_056.026
(im Sinn äußerer Bauformen). Es sollen damit die „elementaren Sachverhalte“ pwe_056.027
vermittelt sein, „die mit der Seinsweise des Werkes als eines literarischen pwe_056.028
Werkes gegeben sind“. Die zweite, höhere Runde ist dagegen pwe_056.029
synthetischer Art und betrifft, in vier entsprechenden Stationen oder pwe_056.030
„Schichten“, den ganzheitlichen Charakter des Werkes; die Isolierung jener pwe_056.031
vier Elemente der Analytik ist hier aufgehoben, sie wirken hier zusammen, pwe_056.032
weisen in bestimmter Richtung über sich hinaus als Gehalt, Rhythmus, pwe_056.033
Stil, Gattungsgefüge – vom letzten, dem Gattungshaften her lassen pwe_056.034
sich die verschiedenen vorangehenden Schichten gerade in ihrem Zusammenwirken pwe_056.035
verstehen. Zwischen die beiden Hauptteile ist ein „Zwischenteil“ pwe_056.036
geschaltet, der unter dem Titel „Formen der Darbietung“ einzelne, pwe_056.037
etwas heterogene Fragen der „Technik“ behandelt (z. B. rhetorische Schemata pwe_056.038
in der Lyrik, Bühnenprobleme des Dramas, Zeitbehandlung in der pwe_056.039
Erzählung).
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Es handelt sich hier also wohl weniger um Schichten einer Werkarchitektur, pwe_056.041
als um Aspekte eines Ganzen, die sich nur gegenseitig erhellen und
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