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Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.

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aus Heidegger diese temporale Interpretation begründet, - es sind pwe_062.002
wohl seit den Zeiten des Idealismus die geschlossensten, wenn auch kühnsten pwe_062.003
Ansätze zu einer Poetik, deren Kategorien und Termini nicht mehr pwe_062.004
eklektischen oder zufällig empirischen Ursprungs sind, sondern eine systematisch-philosophische pwe_062.005
Begründung haben. Das erste Buch, Die Zeit als pwe_062.006
Einbildungskraft des Dichters,
geht induktiv von drei Gedichten Brentanos, pwe_062.007
Goethes und Gottfried Kellers aus, um aus der konkreten Werkinterpretation pwe_062.008
zur Zeitproblematik vorzustoßen; es gestattet sich auch noch die Erleichterung, pwe_062.009
daß mindestens zwei der drei Texte die Zeit auch thematisch pwe_062.010
zum Gegenstande haben. Die verschiedensten Merkmale des in den Werken pwe_062.011
sich manifestierenden Stils - Staiger bezeichnet "Stil" als literaturwissenschaftliche pwe_062.012
Fassung des Begriffs "Welt" -, sprachliche Formen, Metrum, pwe_062.013
Gedankliches, Bildmäßiges usw. werden in ihrer Einheitlichkeit gefaßt pwe_062.014
und bezogen auf ein "Allererstes", die "Art, die Welt zu sehen", bevor pwe_062.015
ein Gegenstand da ist; und dieses Apriori, diese Anschauungsform im pwe_062.016
Sinne Kants, diese jeweilige Einbildungskraft, ist auf ihren zeitlichen pwe_062.017
Sinn hin zu bestimmen. Es sind noch individuelle Bezeichnungen, die sich pwe_062.018
damit für die verschiedenen Stile ergeben: die "reißende" Zeit bei Brentano, pwe_062.019
der "Augenblick" bei Goethe, die "ruhende" Zeit bei Keller. Es sind pwe_062.020
Bestimmungen, die dann über das Einzelwerk hinaus u. U. auch für Personal-, pwe_062.021
National- und Epochenstil gelten können, denn dieser weitere Umkreis pwe_062.022
des Einzelwerks bleibt hier zur Hilfe oder zur Bestätigung und Folgerung pwe_062.023
gegenwärtig. Darüber hinaus aber wird eine kommende systematische pwe_062.024
Stilistik auf temporaler Grundlage ins Auge gefaßt, eine "auf die pwe_062.025
Zeit gerichtete Poetik, die imstande wäre, über den historischen Wirklichkeiten pwe_062.026
die Möglichkeiten der Poesie in klarer Ordnung aufzubauen". - Es pwe_062.027
ist die Aufgabe des zweiten, systematischen Werkes, diese Möglichkeiten pwe_062.028
der Poesie, d. h. die verschiedenen möglichen Zeitstrukturen der Einbildungskraft pwe_062.029
- als literaturwissenschaftliche Typologie im Rahmen einer pwe_062.030
Anthropologie - zu untersuchen. Es werden sich dabei die seit der Antike pwe_062.031
unterschiedenen Dichtarten, die poetischen Gattungen als die fundamentalen pwe_062.032
Weisen der Zeit in der dichterischen Existenz herausstellen; sie pwe_062.033
würden gestatten, den Ort der individuell-geschichtlichen Erscheinungen pwe_062.034
systematisch zu bestimmen. Darüber soll unten beim Gattungsproblem gesprochen pwe_062.035
werden. Erst dann wird vielleicht der letzte Sinn dieser temporalen pwe_062.036
Auslegung deutlich. Es handelt sich um letzte Beziehungspunkte und gemeinsame pwe_062.037
Nenner, deren Wert vor allem in der Klärung der literaturwissenschaftlichen pwe_062.038
Terminologie besteht und in der Kraft, die stilkritische Fragestellung pwe_062.039
zu leiten. Die Bemühung um die immer individuelle Einmaligkeit pwe_062.040
des Einzelwerks oder gar dessen Wert wird dadurch nicht überflüssig. pwe_062.041
"Denn wir fühlen selber allzu gut, wie die Gefahr der ödesten Formalisierung pwe_062.042
auf uns lauert, sobald das Zeitliche zu nackt erscheint und zu grell

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aus Heidegger diese temporale Interpretation begründet, – es sind pwe_062.002
wohl seit den Zeiten des Idealismus die geschlossensten, wenn auch kühnsten pwe_062.003
Ansätze zu einer Poetik, deren Kategorien und Termini nicht mehr pwe_062.004
eklektischen oder zufällig empirischen Ursprungs sind, sondern eine systematisch-philosophische pwe_062.005
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Einbildungskraft des Dichters,
geht induktiv von drei Gedichten Brentanos, pwe_062.007
Goethes und Gottfried Kellers aus, um aus der konkreten Werkinterpretation pwe_062.008
zur Zeitproblematik vorzustoßen; es gestattet sich auch noch die Erleichterung, pwe_062.009
daß mindestens zwei der drei Texte die Zeit auch thematisch pwe_062.010
zum Gegenstande haben. Die verschiedensten Merkmale des in den Werken pwe_062.011
sich manifestierenden Stils – Staiger bezeichnet „Stil“ als literaturwissenschaftliche pwe_062.012
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Gedankliches, Bildmäßiges usw. werden in ihrer Einheitlichkeit gefaßt pwe_062.014
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Sinn hin zu bestimmen. Es sind noch individuelle Bezeichnungen, die sich pwe_062.018
damit für die verschiedenen Stile ergeben: die „reißende“ Zeit bei Brentano, pwe_062.019
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National- und Epochenstil gelten können, denn dieser weitere Umkreis pwe_062.022
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– als literaturwissenschaftliche Typologie im Rahmen einer pwe_062.030
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Zitationshilfe: Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wehrli_poetik_1951/68>, abgerufen am 21.11.2024.