Weigel, Valentin: Der güldene Griff/ Alle Ding ohne Jrrthumb zuerkennen. Halle (Saale), 1613.Der güldene Griff. Das sechste Capitel. Daß man nothwendig sehen muß ein zwi- fache Erkentniß/ als eine Natürliche/ Wirckliche zu diesem Leben/ vnd eine Vbernatürliche/ Leidenliche Erkent- niß zu dem ewigen Leben. DJeweil im Menschen eine dreyfache Begreiff- als C ij
Der guͤldene Griff. Das ſechſte Capitel. Daß man nothwendig ſehen muß ein zwi- fache Erkentniß/ als eine Natuͤrliche/ Wirckliche zu dieſem Leben/ vnd eine Vbernatuͤrliche/ Leidenliche Erkent- niß zu dem ewigen Leben. DJeweil im Menſchen eine dreyfache Begreiff- als C ij
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Der guͤldene Griff.
Das ſechſte Capitel.
Daß man nothwendig ſehen muß ein zwi-
fache Erkentniß/ als eine Natuͤrliche/ Wirckliche zu
dieſem Leben/ vnd eine Vbernatuͤrliche/ Leidenliche Erkent-
niß zu dem ewigen Leben.
DJeweil im Menſchen eine dreyfache Begreiff-
ligkeit gefunden wird/ als nach den Sinnen/ ein ſinnliche
Erkentnis/ vnd nach der Vernunff eine vernuͤnfftige Er-
kentnis/ vnd nach dem Verſtand/ eine verſtendige Erkentnis/ vnd
ſolche dreyfaltige Erkendtnis ſich helt mehrer theils leidenlich/ ſo
muß man ein zwiefaches Aug oder Erkentnis zugeben/ als nemlich
eine natuͤrliche Erkentnis durch eigne Kreffte vñ Geſchwindigkeit/
daß ſich der Menſch wircklich helt/ mit ſpeculirn, fantaſirn, be-
trachten vñ erforſchen/ vnd ein vbernatuͤrliche erkentnis oder weiß-
heit/ da der Menſch nichts im gegenwurff wirckt/ ſondern vielmehꝛ
in leidenlicher weiß/ ſeiner Erkentnis erwartet vnd empfahet/ von
dem vnbegreifflichen Gegenwurff/ von Gott ſelbſt/ der ſich in dem
leidenlichem Auge ergeuſt/ vnd alſo wircket der Menſch nichts in
dieſer Erkentnis/ er ſtehet ſtill in allen ſeinen Gedancken/ vnd iſt
gleichſam todt. Auge/ Begreiffligkeit vnd Erkentnis wird alhie fuͤr
ein ding genom̃en/ dañ mit dem Aug ſiehet man/ vnd erkent etwas/
vnd wie man mit den leiblichen vnd ſinlichen Augen ſiehet/ das ob-
jectum oder gegenwurff/ alſo mit den inwendigen geiſtlichẽ Auge/
ſieht vnd erkent man die objecta oder Gegenwurff/ vnd diß Aug
des inwendigen Menſchens ſol an beyden Liechtern der Natur vnd
gnaden verſtandẽ/ geuͤbt vnd gebraucht werden/ darum̃ vñ dieweil
man mit einem folchẽ inwendigen Auge alle ding erfehrt/ ſihet vnd
ergreifft/ ſo bleibt dz Aug oder begreiffligkeit vñ erkentnis ein ding/
welchs doch (wie geſagt) auff zwifache weiß muß gebraucht werdẽ/
als
C ij
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