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Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

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Capitel. und denen Gesetzen.
äussert. Denn nicht allerley Thun kan zwischen allerley Perso-
nen und Sachen gegeneinander vorgenommen werden/ sondern
ein jeder darff gegen dem andern nur das jenige thun/ was sich
schicket/ und was sein Vermögen gegen ihm austräget.

§. 7. Damit man nun klar und deutlich wissen möge/ was
die Person gegen jener Person oder gegen eine Sache zu thun ver-
möge; so findet man aus unsers HErrn und Gottes Rechen-Ta-
fel ein Exemplar vom Einmal-eins jedem Menschen von Natur
schon in seinem Hertzen eingepräget/ daraus erhellet/ nicht allein
was er gegen dem ursprünglichen Eins/ als gegen dem einigen
Gott und seinen Schöpffer gelte/ nehmlich daß alles was er an
sich habe nur lauter eins und eins sey/ und daß er alles was er
vermag von Gott habe/ Gottes Werck und Gottes Geschöpffe
sey/ und sich also demselben gantz überlassen solle/ von gantzem
Hertzen von allen Kräfften und von gantzem Gemüth ihn lieben
und ehren: sondern auch/ daß sein Nechster/ auch also wie er/ von
lauter eins von lauter Gaben Gottes zusammen gesetzet sey/ und
er also denselben als sich selbst lieb haben solle.

§. 8. Und dahero wenn er fernerweit wissen will/ was er ge-
gen einem seiner Nechsten/ er sey wer er wolle/ das ist gegen einem
andern Menschen/ wie auch selbst gegen sich/ gelte/ und wie er sich
gegen ihn und sich verhalten solle/ so darff er sich nur innerlich
ansehen und ermäßlich gegen jene halten/ so wird er schon die Ge-
gengeltung so er von Natur hat augenscheinlich erkennen. Denn
da findet er stracks die ursprüngliche Creutz-Zahl/ die Tetractyn/
bey sich auff zwey Tafeln gezeichnet/ deren erste ihme vor sich und
allein saget:

[1. Deum cole, ehre Gott.
[2. honeste vive, lebe erbar.

Die andere weiset ihn auff seinen Nechsten und spricht:

[3. neminem laede, beleidige niemand.
[4. suum cuique tribue, gib jedem das Seine. Kurtz:

Alles was du wilt das dir die Leuthe thun sollen/ das thu du
ihnen auch.

§. 9. Und diß ist das gantze Moralische Ein mahl eins/ wel-
ches hernach in die zehen Gebott extendiret worden/ zu dessen

Fassung

Capitel. und denen Geſetzen.
aͤuſſert. Denn nicht allerley Thun kan zwiſchen allerley Perſo-
nen und Sachen gegeneinander vorgenommen werden/ ſondern
ein jeder darff gegen dem andern nur das jenige thun/ was ſich
ſchicket/ und was ſein Vermoͤgen gegen ihm austraͤget.

§. 7. Damit man nun klar und deutlich wiſſen moͤge/ was
die Perſon gegen jener Perſon oder gegen eine Sache zu thun ver-
moͤge; ſo findet man aus unſers HErrn und Gottes Rechen-Ta-
fel ein Exemplar vom Einmal-eins jedem Menſchen von Natur
ſchon in ſeinem Hertzen eingepraͤget/ daraus erhellet/ nicht allein
was er gegen dem urſpruͤnglichen Eins/ als gegen dem einigen
Gott und ſeinen Schoͤpffer gelte/ nehmlich daß alles was er an
ſich habe nur lauter eins und eins ſey/ und daß er alles was er
vermag von Gott habe/ Gottes Werck und Gottes Geſchoͤpffe
ſey/ und ſich alſo demſelben gantz uͤberlaſſen ſolle/ von gantzem
Hertzen von allen Kraͤfften und von gantzem Gemuͤth ihn lieben
und ehren: ſondern auch/ daß ſein Nechſter/ auch alſo wie er/ von
lauter eins von lauter Gaben Gottes zuſammen geſetzet ſey/ und
er alſo denſelben als ſich ſelbſt lieb haben ſolle.

§. 8. Und dahero wenn er fernerweit wiſſen will/ was er ge-
gen einem ſeiner Nechſten/ er ſey wer er wolle/ das iſt gegen einem
andern Menſchen/ wie auch ſelbſt gegen ſich/ gelte/ und wie er ſich
gegen ihn und ſich verhalten ſolle/ ſo darff er ſich nur innerlich
anſehen und ermaͤßlich gegen jene halten/ ſo wird er ſchon die Ge-
gengeltung ſo er von Natur hat augenſcheinlich erkennen. Denn
da findet er ſtracks die urſpruͤngliche Creutz-Zahl/ die Tetractyn/
bey ſich auff zwey Tafeln gezeichnet/ deren erſte ihme vor ſich und
allein ſaget:

[1. Deum cole, ehre Gott.
[2. honeſtè vive, lebe erbar.

Die andere weiſet ihn auff ſeinen Nechſten und ſpricht:

[3. neminem læde, beleidige niemand.
[4. ſuum cuiq́ue tribue, gib jedem das Seine. Kurtz:

Alles was du wilt das dir die Leuthe thun ſollen/ das thu du
ihnen auch.

§. 9. Und diß iſt das gantze Moraliſche Ein mahl eins/ wel-
ches hernach in die zehen Gebott extendiret worden/ zu deſſen

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[119/0129] Capitel. und denen Geſetzen. aͤuſſert. Denn nicht allerley Thun kan zwiſchen allerley Perſo- nen und Sachen gegeneinander vorgenommen werden/ ſondern ein jeder darff gegen dem andern nur das jenige thun/ was ſich ſchicket/ und was ſein Vermoͤgen gegen ihm austraͤget. §. 7. Damit man nun klar und deutlich wiſſen moͤge/ was die Perſon gegen jener Perſon oder gegen eine Sache zu thun ver- moͤge; ſo findet man aus unſers HErrn und Gottes Rechen-Ta- fel ein Exemplar vom Einmal-eins jedem Menſchen von Natur ſchon in ſeinem Hertzen eingepraͤget/ daraus erhellet/ nicht allein was er gegen dem urſpruͤnglichen Eins/ als gegen dem einigen Gott und ſeinen Schoͤpffer gelte/ nehmlich daß alles was er an ſich habe nur lauter eins und eins ſey/ und daß er alles was er vermag von Gott habe/ Gottes Werck und Gottes Geſchoͤpffe ſey/ und ſich alſo demſelben gantz uͤberlaſſen ſolle/ von gantzem Hertzen von allen Kraͤfften und von gantzem Gemuͤth ihn lieben und ehren: ſondern auch/ daß ſein Nechſter/ auch alſo wie er/ von lauter eins von lauter Gaben Gottes zuſammen geſetzet ſey/ und er alſo denſelben als ſich ſelbſt lieb haben ſolle. §. 8. Und dahero wenn er fernerweit wiſſen will/ was er ge- gen einem ſeiner Nechſten/ er ſey wer er wolle/ das iſt gegen einem andern Menſchen/ wie auch ſelbſt gegen ſich/ gelte/ und wie er ſich gegen ihn und ſich verhalten ſolle/ ſo darff er ſich nur innerlich anſehen und ermaͤßlich gegen jene halten/ ſo wird er ſchon die Ge- gengeltung ſo er von Natur hat augenſcheinlich erkennen. Denn da findet er ſtracks die urſpruͤngliche Creutz-Zahl/ die Tetractyn/ bey ſich auff zwey Tafeln gezeichnet/ deren erſte ihme vor ſich und allein ſaget: [1. Deum cole, ehre Gott. [2. honeſtè vive, lebe erbar. Die andere weiſet ihn auff ſeinen Nechſten und ſpricht: [3. neminem læde, beleidige niemand. [4. ſuum cuiq́ue tribue, gib jedem das Seine. Kurtz: Alles was du wilt das dir die Leuthe thun ſollen/ das thu du ihnen auch. §. 9. Und diß iſt das gantze Moraliſche Ein mahl eins/ wel- ches hernach in die zehen Gebott extendiret worden/ zu deſſen Faſſung

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Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/129>, abgerufen am 24.11.2024.