Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.Capitel. Von der Empfindlichkeit. Krafft/ nehmlich die Krafft etwas Moralisch zu leiden und zuempfangen/ anführen. Es ist aber solche Krafft nichts anders als eine Moralische §. 2. Nehmlich/ sie ereignet sich sonderlich in Erkennung §. 11. Welche zwar so viel müglich mit der natürlichen Em- steckte
Capitel. Von der Empfindlichkeit. Krafft/ nehmlich die Krafft etwas Moraliſch zu leiden und zuempfangen/ anfuͤhren. Es iſt aber ſolche Krafft nichts anders als eine Moraliſche §. 2. Nehmlich/ ſie ereignet ſich ſonderlich in Erkennung §. 11. Welche zwar ſo viel muͤglich mit der natuͤrlichen Em- ſteckte
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Capitel. Von der Empfindlichkeit.
Krafft/ nehmlich die Krafft etwas Moraliſch zu leiden und zu
empfangen/ anfuͤhren.
Es iſt aber ſolche Krafft nichts anders als eine Moraliſche
Empfindung/ welche der natuͤrlichen Empfindungs-Krafft/ als
der Fuͤhlung/ (dem ſehen/ dem hoͤren/ dem ſchmecken/ dem rie-
chen) der Erkennung/ der Einbildung/ der Erinnerung: der Dar-
andenckung/ der zu Gemuͤtheziehung und Vorſtellung/ gleichfoͤr-
mig iſt; aber nicht in einer ſolchen natuͤrlichen/ ſondern einer an-
genommenen Moraliſchen Thaͤtigkeit/ beſtehet.
§. 2. Nehmlich/ ſie ereignet ſich ſonderlich in Erkennung
und zu Gemuͤthziehung der Moraliſchen Fuͤhlbarkeiten (patibi-
lium qualitatum moralium) welche nicht wie die natuͤrliche Fuͤh-
lung mit ſo mancherley Sinnen und Jnſtrumenten/ ſondern nur
mit einerley/ nehmlich mit der Moraliſchen Weſens Form der
Imputation, ſo wir allhier die Anrechnung/ Anziehung nennen/
exercirt und veruͤbet wird. Dahero wenn ein Thun und Werck
ſonſt noch ſo fuͤhlbar zu ſeyn ſcheinet/ zum Exempel ein Schelt-
wort/ eine Ohrfeige; dennoch wenn ſichs einer nicht imputirt/
und ſolche ſich nicht anrechnet/ wenn er ſichs nicht annimt/ oder
anziehet/ ſo fuͤhlet ers Moraliſcher Weiſe nicht: und alſo beſte-
het das Moraliſche Fuͤhlen in einer Anrechnung.
§. 11. Welche zwar ſo viel muͤglich mit der natuͤrlichen Em-
pfindungs-Krafft alſo verbunden/ daß in deme/ was man im
gemeinen Weſen nothwendig fuͤhlen muß/ wenn die bloſſe Mora-
liſche Achtbarkeit und Anrechnung nicht genug zu ſeyn ſcheinet/
mehrentheils eine natuͤrliche Fuͤhlung ſo wohl des guten/ durch
Genieſſung einiger Gaben; als des boͤſen/ durch Außſtehung ei-
niger Schmertzen/ zur Huͤlffe genommen zu werden pfleget. Auf-
richtige Bidermaͤnner aber/ die da lebendige friſche Glieder des
politiſchen Leibes ſind/ die fuͤhlen die Moraliſchen Fuͤhlbarkei-
ten/ (Ehre/ Lob/ oder Schmach/ Schand) viel ſtaͤrcker als
die natuͤrlichen Fuͤhlbarkeiten (anmuthige Anblicke/ liebliche
Harmonien/ oder Dreck und Garſtigkeiten/) ja mehr als Tod
und Schmertzen. Dahero man billig ſaget vita & fama pari paſſu
ambulant, es thut eben ſo wehe/ die Achtbarkeit/ als das Leben zu
verlieren. Darum auch die unaͤchtigen/ als inficirte und ange-
ſteckte
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