Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weirauch, Christian: Della Ragione di Stato Das ist Von der Geheimen und Ungemeinen Regirungs-Klugheit. Leipzig u. a., 1673.

Bild:
<< vorherige Seite

irrdische auch die prächtigsten vor mit Dör-
nern geflochten zuschätzen/ eine Seeligkeit
verschertzen solle/ dargegen auch die vollkom-
nesten Glückseeligkeiten vor nichts anders
als bittere Gall und Mirrhen zurechnen
sind.

Gesetzt/ du herrschest von einem Ende
biß zum andern/ du strecktest einen Fuß ge-
gen Auffgang/ den andern gegen Untergang/
du reichest mit deinen Armen von Mittag
biß Mitternacht/ du seiest ein Herr der
Welt: Ach wie lange/ wenn es auch am
längsten wehrete/ und du nur gedenckest/ daß
ein Ende sey daß du davon mussest/ würde
auch diese Langwierigkeit ein Augenblick zu-
rechnen seyn gegen jener unendlichen Ewig-
keit/ die durch die denen sündlichen Willen
gar zu wohl schmeckende Regier-Süßigkeit
köndte ausser Augen gesetzet werden? Und in
diesem Augenblick/ wo du deiner Ungebun-
denheit am meisten gebrauchtest/ dürffte dein
Gewissen ungekräncket nicht bleiben/ die bey-
wohnenden Menschlichen Schwachheiten
könten der kleinen Herrligkeit genungsam
Wermuth zuschütten. Die immer mehr
und mehr wachsenden Begierden würden

dir

irrdiſche auch die praͤchtigſten vor mit Doͤr-
nern geflochten zuſchaͤtzen/ eine Seeligkeit
verſchertzen ſolle/ dargegen auch die vollkom-
neſten Gluͤckſeeligkeiten vor nichts anders
als bittere Gall und Mirrhen zurechnen
ſind.

Geſetzt/ du herrſcheſt von einem Ende
biß zum andern/ du ſtreckteſt einen Fuß ge-
gen Auffgang/ den andern gegen Untergang/
du reicheſt mit deinen Armen von Mittag
biß Mitternacht/ du ſeieſt ein Herr der
Welt: Ach wie lange/ wenn es auch am
laͤngſten wehrete/ und du nur gedenckeſt/ daß
ein Ende ſey daß du davon muſſeſt/ wuͤrde
auch dieſe Langwierigkeit ein Augenblick zu-
rechnen ſeyn gegen jener unendlichen Ewig-
keit/ die durch die denen ſuͤndlichen Willen
gar zu wohl ſchmeckende Regier-Suͤßigkeit
koͤndte auſſer Augen geſetzet werden? Und in
dieſem Augenblick/ wo du deiner Ungebun-
denheit am meiſten gebrauchteſt/ duͤrffte dein
Gewiſſen ungekraͤncket nicht bleiben/ die bey-
wohnenden Menſchlichen Schwachheiten
koͤnten der kleinen Herrligkeit genungſam
Wermuth zuſchuͤtten. Die immer mehr
und mehr wachſenden Begierden wuͤrden

dir
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0499"/>
irrdi&#x017F;che auch die pra&#x0364;chtig&#x017F;ten vor mit Do&#x0364;r-<lb/>
nern geflochten zu&#x017F;cha&#x0364;tzen/ eine Seeligkeit<lb/>
ver&#x017F;chertzen &#x017F;olle/ dargegen auch die vollkom-<lb/>
ne&#x017F;ten Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeiten vor nichts anders<lb/>
als bittere Gall und Mirrhen zurechnen<lb/>
&#x017F;ind.</p><lb/>
        <p>Ge&#x017F;etzt/ du herr&#x017F;che&#x017F;t von einem Ende<lb/>
biß zum andern/ du &#x017F;treckte&#x017F;t einen Fuß ge-<lb/>
gen Auffgang/ den andern gegen Untergang/<lb/>
du reiche&#x017F;t mit deinen Armen von Mittag<lb/>
biß Mitternacht/ du &#x017F;eie&#x017F;t ein Herr der<lb/>
Welt: Ach wie lange/ wenn es auch am<lb/>
la&#x0364;ng&#x017F;ten wehrete/ und du nur gedencke&#x017F;t/ daß<lb/>
ein Ende &#x017F;ey daß du davon mu&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t/ wu&#x0364;rde<lb/>
auch die&#x017F;e Langwierigkeit ein Augenblick zu-<lb/>
rechnen &#x017F;eyn gegen jener unendlichen Ewig-<lb/>
keit/ die durch die denen &#x017F;u&#x0364;ndlichen Willen<lb/>
gar zu wohl &#x017F;chmeckende Regier-Su&#x0364;ßigkeit<lb/>
ko&#x0364;ndte au&#x017F;&#x017F;er Augen ge&#x017F;etzet werden? Und in<lb/>
die&#x017F;em Augenblick/ wo du deiner Ungebun-<lb/>
denheit am mei&#x017F;ten gebrauchte&#x017F;t/ du&#x0364;rffte dein<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;en ungekra&#x0364;ncket nicht bleiben/ die bey-<lb/>
wohnenden Men&#x017F;chlichen Schwachheiten<lb/>
ko&#x0364;nten der kleinen Herrligkeit genung&#x017F;am<lb/>
Wermuth zu&#x017F;chu&#x0364;tten. Die immer mehr<lb/>
und mehr wach&#x017F;enden Begierden wu&#x0364;rden<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dir</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0499] irrdiſche auch die praͤchtigſten vor mit Doͤr- nern geflochten zuſchaͤtzen/ eine Seeligkeit verſchertzen ſolle/ dargegen auch die vollkom- neſten Gluͤckſeeligkeiten vor nichts anders als bittere Gall und Mirrhen zurechnen ſind. Geſetzt/ du herrſcheſt von einem Ende biß zum andern/ du ſtreckteſt einen Fuß ge- gen Auffgang/ den andern gegen Untergang/ du reicheſt mit deinen Armen von Mittag biß Mitternacht/ du ſeieſt ein Herr der Welt: Ach wie lange/ wenn es auch am laͤngſten wehrete/ und du nur gedenckeſt/ daß ein Ende ſey daß du davon muſſeſt/ wuͤrde auch dieſe Langwierigkeit ein Augenblick zu- rechnen ſeyn gegen jener unendlichen Ewig- keit/ die durch die denen ſuͤndlichen Willen gar zu wohl ſchmeckende Regier-Suͤßigkeit koͤndte auſſer Augen geſetzet werden? Und in dieſem Augenblick/ wo du deiner Ungebun- denheit am meiſten gebrauchteſt/ duͤrffte dein Gewiſſen ungekraͤncket nicht bleiben/ die bey- wohnenden Menſchlichen Schwachheiten koͤnten der kleinen Herrligkeit genungſam Wermuth zuſchuͤtten. Die immer mehr und mehr wachſenden Begierden wuͤrden dir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weirauch_dellaragione_1673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weirauch_dellaragione_1673/499
Zitationshilfe: Weirauch, Christian: Della Ragione di Stato Das ist Von der Geheimen und Ungemeinen Regirungs-Klugheit. Leipzig u. a., 1673, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weirauch_dellaragione_1673/499>, abgerufen am 16.06.2024.