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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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Scheint doch der Brieff als ein halber
Korb/ sagte Florindo, ich wolte mir derglei-
chen Zierligkeit nicht viel wünschen. Dem
guten Menschen muß gewiß viel daran gele-
gen seyn/ daß er Brieffe außgewürckt/ die
nichts geheissen.

Der vierdte Brieff.
Mein Herr/ etc.

OB sein Glück auf meiner Gunst beruhe/
kan ich dannenhero schwerlich glauben/
weil er schon vor langer Zeit glückselig gewe-
sen/ ehe er das geringste von meiner Person ge-
wust. Doch trag ich mit seinem betrübten
Zustande Mitleiden/ daß er mich umb etwas
zu seiner Hülffe ansprechen muß/ welches ich
alsdenn geben könte/ wenn ich es verstehen
lernte. So weiß ich nicht/ was Gunst oder
Liebe ist/ und sehe auch nicht/ welcher Gestalt
man solche den Patienten beybringen muß.
So lange ich nun der Sachen ein Kind bin/
muß ich wieder meinen Willen heissen

Seine
Dienstbegierig-ungehorsame
Dienerin
Amaryllis.
Gela-

Scheint doch der Brieff als ein halber
Korb/ ſagte Florindo, ich wolte mir derglei-
chen Zierligkeit nicht viel wuͤnſchen. Dem
guten Menſchen muß gewiß viel daran gele-
gen ſeyn/ daß er Brieffe außgewuͤrckt/ die
nichts geheiſſen.

Der vierdte Brieff.
Mein Herr/ ꝛc.

OB ſein Gluͤck auf meiner Gunſt beruhe/
kan ich dannenhero ſchwerlich glauben/
weil er ſchon vor langer Zeit gluͤckſelig gewe-
ſen/ ehe er das geringſte von meiner Perſon ge-
wuſt. Doch trag ich mit ſeinem betruͤbten
Zuſtande Mitleiden/ daß er mich umb etwas
zu ſeiner Huͤlffe anſprechen muß/ welches ich
alsdenn geben koͤnte/ wenn ich es verſtehen
lernte. So weiß ich nicht/ was Gunſt oder
Liebe iſt/ und ſehe auch nicht/ welcher Geſtalt
man ſolche den Patienten beybringen muß.
So lange ich nun der Sachen ein Kind bin/
muß ich wieder meinen Willen heiſſen

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Dienſtbegierig-ungehorſame
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Gela-
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[98/0104] Scheint doch der Brieff als ein halber Korb/ ſagte Florindo, ich wolte mir derglei- chen Zierligkeit nicht viel wuͤnſchen. Dem guten Menſchen muß gewiß viel daran gele- gen ſeyn/ daß er Brieffe außgewuͤrckt/ die nichts geheiſſen. Der vierdte Brieff. Mein Herr/ ꝛc. OB ſein Gluͤck auf meiner Gunſt beruhe/ kan ich dannenhero ſchwerlich glauben/ weil er ſchon vor langer Zeit gluͤckſelig gewe- ſen/ ehe er das geringſte von meiner Perſon ge- wuſt. Doch trag ich mit ſeinem betruͤbten Zuſtande Mitleiden/ daß er mich umb etwas zu ſeiner Huͤlffe anſprechen muß/ welches ich alsdenn geben koͤnte/ wenn ich es verſtehen lernte. So weiß ich nicht/ was Gunſt oder Liebe iſt/ und ſehe auch nicht/ welcher Geſtalt man ſolche den Patienten beybringen muß. So lange ich nun der Sachen ein Kind bin/ muß ich wieder meinen Willen heiſſen Seine Dienſtbegierig-ungehorſame Dienerin Amaryllis. Gela-

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/104>, abgerufen am 21.11.2024.