Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

Bild:
<< vorherige Seite


fand/ daß der gute Knabe nichts anders thun
muste/ als etliche Lateinische formulas sine
judicio
außwendig lernen/ die er bey vorfal-
lender Gelegenheit/ nicht viel klüger als ein
Papagoy herbeten kunte: er mochte nun von
der Sache ichts oder nichts verstehn. Da
remonstrirte nun Gelan. dem ehrlichen Manne/
wie er mit seiner sonderlichen Hoffnung wäre
hinter dz Licht geführet worden/ und wie schlim
er sein väterliches Gewissen verwahren würde/
wenn er den Sohn nicht in Zeiten auß dem
Labyrinth herauß führte. Der Advocat ent-
schuldigte sich/ er hätte hierin vornehmer Leute
Gutachten angesehen: und dar zu so könte es
vielleicht mit jungen Leuten nicht im ersten
Jahre zur Vollkommenheit gebracht werden:
Er sähe gleichwohl/ daß noch hübsche Com-
pendia discendi
darbey getrieben würden.
Erstlich wüste er/ daß sein Sohn den Orbem
pictum perfect
durchgetrieben hätte. Ge-
l
anor wuste nicht/ was es vor ein Buch wäre/
doch als er solches nur ein wenig in die Hände
bekam/ so sagte er: Jch finde viel Zeugs/ das
zu lernen ist/ doch sehe ich nichts/ das ins künff-
tige zu gebrauchen ist/ die wunderlichen Leute
wollen nur Latein gelernt haben/ und sehen nit
aufden scopum, warum man eben solcher
Sprache von nöthen hat.

Es


fand/ daß der gute Knabe nichts anders thun
muſte/ als etliche Lateiniſche formulas ſine
judicio
außwendig lernen/ die er bey vorfal-
lender Gelegenheit/ nicht viel kluͤger als ein
Papagoy herbeten kunte: er mochte nun von
der Sache ichts oder nichts verſtehn. Da
remonſtrirte nun Gelan. dem ehrlichen Mañe/
wie er mit ſeiner ſonderlichen Hoffnung waͤre
hinter dz Licht gefuͤhret woꝛden/ und wie ſchlim
er ſein vaͤterliches Gewiſſẽ verwahren wuͤrde/
wenn er den Sohn nicht in Zeiten auß dem
Labyrinth herauß fuͤhrte. Der Advocat ent-
ſchuldigte ſich/ er haͤtte hierin vornehmer Leute
Gutachten angeſehen: und dar zu ſo koͤnte es
vielleicht mit jungen Leuten nicht im erſten
Jahre zur Vollkommenheit gebracht werden:
Er ſaͤhe gleichwohl/ daß noch huͤbſche Com-
pendia diſcendi
darbey getrieben wuͤrden.
Erſtlich wuͤſte er/ daß ſein Sohn den Orbem
pictum perfect
durchgetrieben haͤtte. Ge-
l
anoꝛ wuſte nicht/ was es vor ein Buch waͤre/
doch als er ſolches nur ein wenig in die Haͤnde
bekam/ ſo ſagte er: Jch finde viel Zeugs/ das
zu leꝛnen iſt/ doch ſehe ich nichts/ das ins kuͤnff-
tige zu gebrauchen iſt/ die wunderlichen Leute
wollen nur Latein gelernt haben/ und ſehen nit
aufden ſcopum, warum man eben ſolcher
Sprache von noͤthen hat.

Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0150" n="144"/><lb/>
fand/ daß der gute Knabe nichts anders thun<lb/>
mu&#x017F;te/ als etliche Lateini&#x017F;che <hi rendition="#aq">formulas &#x017F;ine<lb/>
judicio</hi> außwendig lernen/ die er bey vorfal-<lb/>
lender Gelegenheit/ nicht viel klu&#x0364;ger als ein<lb/>
Papagoy herbeten kunte: er mochte nun von<lb/>
der Sache ichts oder nichts ver&#x017F;tehn. Da<lb/><hi rendition="#aq">remon&#x017F;trir</hi>te nun <hi rendition="#aq">Gelan.</hi> dem ehrlichen Man&#x0303;e/<lb/>
wie er mit &#x017F;einer &#x017F;onderlichen Hoffnung wa&#x0364;re<lb/>
hinter dz Licht gefu&#x0364;hret wo&#xA75B;den/ und wie &#x017F;chlim<lb/>
er &#x017F;ein va&#x0364;terliches Gewi&#x017F;&#x017F;e&#x0303; verwahren wu&#x0364;rde/<lb/>
wenn er den Sohn nicht in Zeiten auß dem<lb/>
Labyrinth herauß fu&#x0364;hrte. Der <hi rendition="#aq">Advocat</hi> ent-<lb/>
&#x017F;chuldigte &#x017F;ich/ er ha&#x0364;tte hierin vornehmer Leute<lb/>
Gutachten ange&#x017F;ehen: und dar zu &#x017F;o ko&#x0364;nte es<lb/>
vielleicht mit jungen Leuten nicht im er&#x017F;ten<lb/>
Jahre zur Vollkommenheit gebracht werden:<lb/>
Er &#x017F;a&#x0364;he gleichwohl/ daß noch hu&#x0364;b&#x017F;che <hi rendition="#aq">Com-<lb/>
pendia di&#x017F;cendi</hi> darbey getrieben wu&#x0364;rden.<lb/>
Er&#x017F;tlich wu&#x0364;&#x017F;te er/ daß &#x017F;ein Sohn den <hi rendition="#aq">Orbem<lb/>
pictum perfect</hi> durchgetrieben ha&#x0364;tte. <hi rendition="#aq">Ge-<lb/>
l</hi>ano&#xA75B; wu&#x017F;te nicht/ was es vor ein Buch wa&#x0364;re/<lb/>
doch als er &#x017F;olches nur ein wenig in die Ha&#x0364;nde<lb/>
bekam/ &#x017F;o &#x017F;agte er: Jch finde viel Zeugs/ das<lb/>
zu le&#xA75B;nen i&#x017F;t/ doch &#x017F;ehe ich nichts/ das ins ku&#x0364;nff-<lb/>
tige zu gebrauchen i&#x017F;t/ die wunderlichen Leute<lb/>
wollen nur Latein gelernt haben/ und &#x017F;ehen nit<lb/>
aufden <hi rendition="#aq">&#x017F;copum,</hi> warum man eben &#x017F;olcher<lb/>
Sprache von no&#x0364;then hat.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0150] fand/ daß der gute Knabe nichts anders thun muſte/ als etliche Lateiniſche formulas ſine judicio außwendig lernen/ die er bey vorfal- lender Gelegenheit/ nicht viel kluͤger als ein Papagoy herbeten kunte: er mochte nun von der Sache ichts oder nichts verſtehn. Da remonſtrirte nun Gelan. dem ehrlichen Mañe/ wie er mit ſeiner ſonderlichen Hoffnung waͤre hinter dz Licht gefuͤhret woꝛden/ und wie ſchlim er ſein vaͤterliches Gewiſſẽ verwahren wuͤrde/ wenn er den Sohn nicht in Zeiten auß dem Labyrinth herauß fuͤhrte. Der Advocat ent- ſchuldigte ſich/ er haͤtte hierin vornehmer Leute Gutachten angeſehen: und dar zu ſo koͤnte es vielleicht mit jungen Leuten nicht im erſten Jahre zur Vollkommenheit gebracht werden: Er ſaͤhe gleichwohl/ daß noch huͤbſche Com- pendia diſcendi darbey getrieben wuͤrden. Erſtlich wuͤſte er/ daß ſein Sohn den Orbem pictum perfect durchgetrieben haͤtte. Ge- lanoꝛ wuſte nicht/ was es vor ein Buch waͤre/ doch als er ſolches nur ein wenig in die Haͤnde bekam/ ſo ſagte er: Jch finde viel Zeugs/ das zu leꝛnen iſt/ doch ſehe ich nichts/ das ins kuͤnff- tige zu gebrauchen iſt/ die wunderlichen Leute wollen nur Latein gelernt haben/ und ſehen nit aufden ſcopum, warum man eben ſolcher Sprache von noͤthen hat. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe handelt es sich um die 2. Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/150
Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/150>, abgerufen am 21.11.2024.