Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

Bild:
<< vorherige Seite


auch es käme zu weilen ein ungewöhnlich
Wort in diesem und jenem Autore vor/ so ist
doch bekant/ daß sich die Gelehrtesten Leute
bey so raren Exempeln des Lexici als eines
Trösters bedienen. Endlich/ daß man meynt/
es würde ein praegustus omnium disciplina-
rum
hier durch beygebracht/ das ist Eitelkeit.
Denn die Knaben haben lange das Judicium
nicht/ solche Sache zu penetriren. Und folgt
nicht/ der Herr Praeceptor von 40. Jahren
versteht es/ ergo kan es ein kleiner Bachant
von 9. Jahren alsobald auf dem Butterbrot
in den Bauch einfressen. Es wäre zu wün-
schen/ daß ein Künstler auffträte/ und mit kur-
tzen Sprüchen auf die Regulas Grammati-
cas
zielte/ damit solche per exempla eingebil-
det würden/ hätte man hernach das exerciti-
um,
so würden sich die Vocabula wohl geben.
Nun aber wird es umbgekehrt/ die Gram.
matica
soll sich ex usu geben. Ja sie giebt sich/
daß man niemahls weniger Latein gekunt hat/
als seit der übersichtige Autor Orbis picti mit
seinen vielfältigen Büchern auffkommen/ der
alles/ was er zu Hause theoretice vor gut be-
funden/ nescio quo fatierrore, den Schulen
zu practiciren auffgetrungen hat. Und ist
zu beklagen/ daß niemand klüger wird/ ob

gleich


auch es kaͤme zu weilen ein ungewoͤhnlich
Wort in dieſem und jenem Autore vor/ ſo iſt
doch bekant/ daß ſich die Gelehrteſten Leute
bey ſo raren Exempeln des Lexici als eines
Troͤſters bedienen. Endlich/ daß man meynt/
es wuͤrde ein præguſtus omnium diſciplina-
rum
hier durch beygebracht/ das iſt Eitelkeit.
Denn die Knaben haben lange das Judicium
nicht/ ſolche Sache zu penetriren. Und folgt
nicht/ der Herr Præceptor von 40. Jahren
verſteht es/ ergò kan es ein kleiner Bachant
von 9. Jahren alſobald auf dem Butterbrot
in den Bauch einfreſſen. Es waͤre zu wuͤn-
ſchen/ daß ein Kuͤnſtler aufftraͤte/ und mit kur-
tzen Spruͤchen auf die Regulas Grammati-
cas
zielte/ damit ſolche per exempla eingebil-
det wuͤrden/ haͤtte man hernach das exerciti-
um,
ſo wuͤrden ſich die Vocabula wohl geben.
Nun aber wird es umbgekehrt/ die Gram.
matica
ſoll ſich ex uſu geben. Ja ſie giebt ſich/
daß man niemahls weniger Latein gekunt hat/
als ſeit der uͤberſichtige Autor Orbis picti mit
ſeinen vielfaͤltigen Buͤchern auffkommen/ der
alles/ was er zu Hauſe theoreticè vor gut be-
funden/ neſcio quo fatierrore, den Schulen
zu practiciren auffgetrungen hat. Und iſt
zu beklagen/ daß niemand kluͤger wird/ ob

gleich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0152" n="146"/><lb/>
auch es ka&#x0364;me zu weilen ein ungewo&#x0364;hnlich<lb/>
Wort in die&#x017F;em und jenem <hi rendition="#aq">Autore</hi> vor/ &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
doch bekant/ daß &#x017F;ich die Gelehrte&#x017F;ten Leute<lb/>
bey &#x017F;o raren Exempeln des <hi rendition="#aq">Lexici</hi> als eines<lb/>
Tro&#x0364;&#x017F;ters bedienen. Endlich/ daß man meynt/<lb/>
es wu&#x0364;rde ein <hi rendition="#aq">prægu&#x017F;tus omnium di&#x017F;ciplina-<lb/>
rum</hi> hier durch beygebracht/ das i&#x017F;t Eitelkeit.<lb/>
Denn die Knaben haben lange das <hi rendition="#aq">Judicium</hi><lb/>
nicht/ &#x017F;olche Sache zu <hi rendition="#aq">penetriren.</hi> Und folgt<lb/>
nicht/ der Herr <hi rendition="#aq">Præceptor</hi> von 40. Jahren<lb/>
ver&#x017F;teht es/ <hi rendition="#aq">ergò</hi> kan es ein kleiner Bachant<lb/>
von 9. Jahren al&#x017F;obald auf dem Butterbrot<lb/>
in den Bauch einfre&#x017F;&#x017F;en. Es wa&#x0364;re zu wu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;chen/ daß ein Ku&#x0364;n&#x017F;tler aufftra&#x0364;te/ und mit kur-<lb/>
tzen Spru&#x0364;chen auf die <hi rendition="#aq">Regulas Grammati-<lb/>
cas</hi> zielte/ damit &#x017F;olche <hi rendition="#aq">per exempla</hi> eingebil-<lb/>
det wu&#x0364;rden/ ha&#x0364;tte man hernach das <hi rendition="#aq">exerciti-<lb/>
um,</hi> &#x017F;o wu&#x0364;rden &#x017F;ich die <hi rendition="#aq">Vocabula</hi> wohl geben.<lb/>
Nun aber wird es umbgekehrt/ die <hi rendition="#aq">Gram.<lb/>
matica</hi> &#x017F;oll &#x017F;ich <hi rendition="#aq">ex u&#x017F;u</hi> geben. Ja &#x017F;ie giebt &#x017F;ich/<lb/>
daß man niemahls weniger Latein gekunt hat/<lb/>
als &#x017F;eit der u&#x0364;ber&#x017F;ichtige <hi rendition="#aq">Autor Orbis picti</hi> mit<lb/>
&#x017F;einen vielfa&#x0364;ltigen Bu&#x0364;chern auffkommen/ der<lb/>
alles/ was er zu Hau&#x017F;e <hi rendition="#aq">theoreticè</hi> vor gut be-<lb/>
funden/ <hi rendition="#aq">ne&#x017F;cio quo fatierrore,</hi> den Schulen<lb/>
zu <hi rendition="#aq">practici</hi>ren auffgetrungen hat. Und i&#x017F;t<lb/>
zu beklagen/ daß niemand klu&#x0364;ger wird/ ob<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gleich</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0152] auch es kaͤme zu weilen ein ungewoͤhnlich Wort in dieſem und jenem Autore vor/ ſo iſt doch bekant/ daß ſich die Gelehrteſten Leute bey ſo raren Exempeln des Lexici als eines Troͤſters bedienen. Endlich/ daß man meynt/ es wuͤrde ein præguſtus omnium diſciplina- rum hier durch beygebracht/ das iſt Eitelkeit. Denn die Knaben haben lange das Judicium nicht/ ſolche Sache zu penetriren. Und folgt nicht/ der Herr Præceptor von 40. Jahren verſteht es/ ergò kan es ein kleiner Bachant von 9. Jahren alſobald auf dem Butterbrot in den Bauch einfreſſen. Es waͤre zu wuͤn- ſchen/ daß ein Kuͤnſtler aufftraͤte/ und mit kur- tzen Spruͤchen auf die Regulas Grammati- cas zielte/ damit ſolche per exempla eingebil- det wuͤrden/ haͤtte man hernach das exerciti- um, ſo wuͤrden ſich die Vocabula wohl geben. Nun aber wird es umbgekehrt/ die Gram. matica ſoll ſich ex uſu geben. Ja ſie giebt ſich/ daß man niemahls weniger Latein gekunt hat/ als ſeit der uͤberſichtige Autor Orbis picti mit ſeinen vielfaͤltigen Buͤchern auffkommen/ der alles/ was er zu Hauſe theoreticè vor gut be- funden/ neſcio quo fatierrore, den Schulen zu practiciren auffgetrungen hat. Und iſt zu beklagen/ daß niemand kluͤger wird/ ob gleich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe handelt es sich um die 2. Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/152
Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/152>, abgerufen am 22.11.2024.