Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

Bild:
<< vorherige Seite


bogen wären so spitzig/ er dürffte kein Wam-
mes vier Wochen anziehen/ so wären die Er-
mel durch gebohrt. Der 4. kunte kein Geld
im Hause sehn/ drum wolte er sich den Staar
stechen lassen/ daß er Geld zu sehen kriegte.
Der fünffte war ein Schulmeister/ der hätte
gern eine helle liebliche Stimme gehabt. Der
Sechste war ein Bote/ der klagte er lieffe sich
stracks über einer Meile den Wolff. Der
Siebende hatte ein Hünerauge in der Nase.
Der Achte klagte er dürffte nicht vor neun
Pfennige Kirschen essen/ so legen ihm die
Kerne im Magen/ als wolten sie ihm das
Hertz abdrücken. Der Neundte war schon
dreyssig Jahr alt und hatte noch keinen Bart.
Der zehende wolte der Spulwürmer gerne
loß seyn. Die andern suchten was anders.
Und da hatte der gute Meister ein trefflich
Compendium curandi, daß seine Salbe sich
eben zu allen Beschwerungen schickte. Flo-
rindo
lachte wohl darüber/ und hätte gern ge-
sehen/ daß Gelanor mit ge'acht hätte. Doch
sagte dieser/ man dürffte sich über den Quack-
salber nicht zu tode wundern/ hätte doch ein
iedweder fast das principium, MUNDUS
VULT DECIPI,
in seinen actionibus gleich-
sam forn angeschrieben. Und wer von der

Poli-


bogen waͤren ſo ſpitzig/ er duͤrffte kein Wam-
mes vier Wochen anziehen/ ſo waͤren die Er-
mel durch gebohrt. Der 4. kunte kein Geld
im Hauſe ſehn/ drum wolte er ſich den Staar
ſtechen laſſen/ daß er Geld zu ſehen kriegte.
Der fuͤnffte war ein Schulmeiſter/ der haͤtte
gern eine helle liebliche Stimme gehabt. Der
Sechſte war ein Bote/ der klagte er lieffe ſich
ſtracks uͤber einer Meile den Wolff. Der
Siebende hatte ein Huͤnerauge in der Naſe.
Der Achte klagte er duͤrffte nicht vor neun
Pfennige Kirſchen eſſen/ ſo legen ihm die
Kerne im Magen/ als wolten ſie ihm das
Hertz abdruͤcken. Der Neundte war ſchon
dreyſſig Jahr alt und hatte noch keinen Bart.
Der zehende wolte der Spulwuͤrmer gerne
loß ſeyn. Die andern ſuchten was anders.
Und da hatte der gute Meiſter ein trefflich
Compendium curandi, daß ſeine Salbe ſich
eben zu allen Beſchwerungen ſchickte. Flo-
rindo
lachte wohl daruͤber/ und haͤtte gern ge-
ſehen/ daß Gelanor mit ge'acht haͤtte. Doch
ſagte dieſer/ man duͤrffte ſich uͤber den Quack-
ſalber nicht zu tode wundern/ haͤtte doch ein
iedweder faſt das principium, MUNDUS
VULT DECIPI,
in ſeinen actionibus gleich-
ſam forn angeſchrieben. Und wer von der

Poli-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0169" n="163"/><lb/>
bogen wa&#x0364;ren &#x017F;o &#x017F;pitzig/ er du&#x0364;rffte kein Wam-<lb/>
mes vier Wochen anziehen/ &#x017F;o wa&#x0364;ren die Er-<lb/>
mel durch gebohrt. Der 4. kunte kein Geld<lb/>
im Hau&#x017F;e &#x017F;ehn/ drum wolte er &#x017F;ich den Staar<lb/>
&#x017F;techen la&#x017F;&#x017F;en/ daß er Geld zu &#x017F;ehen kriegte.<lb/>
Der fu&#x0364;nffte war ein Schulmei&#x017F;ter/ der ha&#x0364;tte<lb/>
gern eine helle liebliche Stimme gehabt. Der<lb/>
Sech&#x017F;te war ein Bote/ der klagte er lieffe &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;tracks u&#x0364;ber einer Meile den Wolff. Der<lb/>
Siebende hatte ein Hu&#x0364;nerauge in der Na&#x017F;e.<lb/>
Der Achte klagte er du&#x0364;rffte nicht vor neun<lb/>
Pfennige Kir&#x017F;chen e&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;o legen ihm die<lb/>
Kerne im Magen/ als wolten &#x017F;ie ihm das<lb/>
Hertz abdru&#x0364;cken. Der Neundte war &#x017F;chon<lb/>
drey&#x017F;&#x017F;ig Jahr alt und hatte noch keinen Bart.<lb/>
Der zehende wolte der Spulwu&#x0364;rmer gerne<lb/>
loß &#x017F;eyn. Die andern &#x017F;uchten was anders.<lb/>
Und da hatte der gute Mei&#x017F;ter ein trefflich<lb/><hi rendition="#aq">Compendium curandi,</hi> daß &#x017F;eine Salbe &#x017F;ich<lb/>
eben zu allen Be&#x017F;chwerungen &#x017F;chickte. <hi rendition="#aq">Flo-<lb/>
rindo</hi> lachte wohl daru&#x0364;ber/ und ha&#x0364;tte gern ge-<lb/>
&#x017F;ehen/ daß <hi rendition="#aq">Gelanor</hi> mit ge'acht ha&#x0364;tte. Doch<lb/>
&#x017F;agte die&#x017F;er/ man du&#x0364;rffte &#x017F;ich u&#x0364;ber den Quack-<lb/>
&#x017F;alber nicht zu tode wundern/ ha&#x0364;tte doch ein<lb/>
iedweder fa&#x017F;t das <hi rendition="#aq">principium, MUNDUS<lb/>
VULT DECIPI,</hi> in &#x017F;einen <hi rendition="#aq">actionibus</hi> gleich-<lb/>
&#x017F;am forn ange&#x017F;chrieben. Und wer von der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Poli-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0169] bogen waͤren ſo ſpitzig/ er duͤrffte kein Wam- mes vier Wochen anziehen/ ſo waͤren die Er- mel durch gebohrt. Der 4. kunte kein Geld im Hauſe ſehn/ drum wolte er ſich den Staar ſtechen laſſen/ daß er Geld zu ſehen kriegte. Der fuͤnffte war ein Schulmeiſter/ der haͤtte gern eine helle liebliche Stimme gehabt. Der Sechſte war ein Bote/ der klagte er lieffe ſich ſtracks uͤber einer Meile den Wolff. Der Siebende hatte ein Huͤnerauge in der Naſe. Der Achte klagte er duͤrffte nicht vor neun Pfennige Kirſchen eſſen/ ſo legen ihm die Kerne im Magen/ als wolten ſie ihm das Hertz abdruͤcken. Der Neundte war ſchon dreyſſig Jahr alt und hatte noch keinen Bart. Der zehende wolte der Spulwuͤrmer gerne loß ſeyn. Die andern ſuchten was anders. Und da hatte der gute Meiſter ein trefflich Compendium curandi, daß ſeine Salbe ſich eben zu allen Beſchwerungen ſchickte. Flo- rindo lachte wohl daruͤber/ und haͤtte gern ge- ſehen/ daß Gelanor mit ge'acht haͤtte. Doch ſagte dieſer/ man duͤrffte ſich uͤber den Quack- ſalber nicht zu tode wundern/ haͤtte doch ein iedweder faſt das principium, MUNDUS VULT DECIPI, in ſeinen actionibus gleich- ſam forn angeſchrieben. Und wer von der Poli-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe handelt es sich um die 2. Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/169
Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/169>, abgerufen am 24.11.2024.