Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

Bild:
<< vorherige Seite


loche fressen/ und würden sie noch dasselbe
Jahr vor Martini zu Eseln. Und was sol
ich sagen von Braut und Bräutigam/ woß
sie mehrentheils vor Sachen mercken müssen.
Da sollen sie dicht zusammen treten/ wann
sie sich trauen lassen/ daß niemand durch sehen
kan: da sollen sie den Zapffen vom ersten Bier-
oder Weinfasse in acht nehmen: da sollen sie
zugleich in das Bette steigen/ ja was das Pos-
sirlichste ist/ da soll sich der Bräutigam wohl
gar in einer Badeschürtze trauen lassen. Mit
einem Worte der Händel sind so viel/ daß man
ein groß Buch davon schreiben könte.

Gelanor fragte/ was doch solche Aberglau-
ben müsten vor einen Ursprung haben? Dieser
sagte/ ich habe den Sachen offt mit verwun-
derung nachgedacht/ und befinde zwar/ daß
etliche auß blossen Possen vorgebracht/ und
hernach von einfältigen Leuten im Ernste ver-
standen worden: Da nähme mancher nicht
viel Geld und wüschte das Maul an das
Tischtuch/ denn es heisst: wer das Maul an das
Tischtuch wischt/ der wird nicht satt. Ja
wohl möchte ein Narr hundert Jahr wischen/
er solte doch vom wischen nicht satt werden.
Jngleichen sprechen sie/ es sey nicht gut/ wenn
man das Kleid am Leibe flicken liesse. Und
mancher lieffe lieber durch ein Feuer/ als daß

er sich


loche freſſen/ und wuͤrden ſie noch daſſelbe
Jahr vor Martini zu Eſeln. Und was ſol
ich ſagen von Braut und Braͤutigam/ woß
ſie mehrentheils vor Sachen mercken muͤſſen.
Da ſollen ſie dicht zuſammen treten/ wann
ſie ſich trauen laſſen/ daß niemand durch ſehen
kan: da ſollen ſie den Zapffen vom erſten Bier-
oder Weinfaſſe in acht nehmen: da ſollen ſie
zugleich in das Bette ſteigen/ ja was das Poſ-
ſirlichſte iſt/ da ſoll ſich der Braͤutigam wohl
gar in einer Badeſchuͤrtze trauen laſſen. Mit
einem Worte der Haͤndel ſind ſo viel/ daß man
ein groß Buch davon ſchreiben koͤnte.

Gelanor fragte/ was doch ſolche Aberglau-
ben muͤſten vor einen Urſprung haben? Dieſer
ſagte/ ich habe den Sachen offt mit verwun-
derung nachgedacht/ und befinde zwar/ daß
etliche auß bloſſen Poſſen vorgebracht/ und
hernach von einfaͤltigen Leuten im Ernſte ver-
ſtanden worden: Da naͤhme mancher nicht
viel Geld und wuͤſchte das Maul an das
Tiſchtuch/ deñ es heiſſt: wer das Maul an das
Tiſchtuch wiſcht/ der wird nicht ſatt. Ja
wohl moͤchte ein Narr hundert Jahr wiſchen/
er ſolte doch vom wiſchen nicht ſatt werden.
Jngleichen ſprechen ſie/ es ſey nicht gut/ wenn
man das Kleid am Leibe flicken lieſſe. Und
mancher lieffe lieber durch ein Feuer/ als daß

er ſich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0230" n="224"/><lb/>
loche fre&#x017F;&#x017F;en/ und wu&#x0364;rden &#x017F;ie noch da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
Jahr vor Martini zu E&#x017F;eln. Und was &#x017F;ol<lb/>
ich &#x017F;agen von Braut und Bra&#x0364;utigam/ woß<lb/>
&#x017F;ie mehrentheils vor Sachen mercken mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Da &#x017F;ollen &#x017F;ie dicht zu&#x017F;ammen treten/ wann<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich trauen la&#x017F;&#x017F;en/ daß niemand durch &#x017F;ehen<lb/>
kan: da &#x017F;ollen &#x017F;ie den Zapffen vom er&#x017F;ten Bier-<lb/>
oder Weinfa&#x017F;&#x017F;e in acht nehmen: da &#x017F;ollen &#x017F;ie<lb/>
zugleich in das Bette &#x017F;teigen/ ja was das Po&#x017F;-<lb/>
&#x017F;irlich&#x017F;te i&#x017F;t/ da &#x017F;oll &#x017F;ich der Bra&#x0364;utigam wohl<lb/>
gar in einer Bade&#x017F;chu&#x0364;rtze trauen la&#x017F;&#x017F;en. Mit<lb/>
einem Worte der Ha&#x0364;ndel &#x017F;ind &#x017F;o viel/ daß man<lb/>
ein groß Buch davon &#x017F;chreiben ko&#x0364;nte.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">Gelanor</hi> fragte/ was doch &#x017F;olche Aberglau-<lb/>
ben mu&#x0364;&#x017F;ten vor einen <hi rendition="#aq">U</hi>r&#x017F;prung haben? Die&#x017F;er<lb/>
&#x017F;agte/ ich habe den Sachen offt mit verwun-<lb/>
derung nachgedacht/ und befinde zwar/ daß<lb/>
etliche auß blo&#x017F;&#x017F;en Po&#x017F;&#x017F;en vorgebracht/ und<lb/>
hernach von einfa&#x0364;ltigen Leuten im Ern&#x017F;te ver-<lb/>
&#x017F;tanden worden: Da na&#x0364;hme mancher nicht<lb/>
viel Geld und wu&#x0364;&#x017F;chte das Maul an das<lb/>
Ti&#x017F;chtuch/ den&#x0303; es hei&#x017F;&#x017F;t: wer das Maul an das<lb/>
Ti&#x017F;chtuch wi&#x017F;cht/ der wird nicht &#x017F;att. Ja<lb/>
wohl mo&#x0364;chte ein Narr hundert Jahr wi&#x017F;chen/<lb/>
er &#x017F;olte doch vom wi&#x017F;chen nicht &#x017F;att werden.<lb/>
Jngleichen &#x017F;prechen &#x017F;ie/ es &#x017F;ey nicht gut/ wenn<lb/>
man das Kleid am Leibe flicken lie&#x017F;&#x017F;e. Und<lb/>
mancher lieffe lieber durch ein Feuer/ als daß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">er &#x017F;ich</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0230] loche freſſen/ und wuͤrden ſie noch daſſelbe Jahr vor Martini zu Eſeln. Und was ſol ich ſagen von Braut und Braͤutigam/ woß ſie mehrentheils vor Sachen mercken muͤſſen. Da ſollen ſie dicht zuſammen treten/ wann ſie ſich trauen laſſen/ daß niemand durch ſehen kan: da ſollen ſie den Zapffen vom erſten Bier- oder Weinfaſſe in acht nehmen: da ſollen ſie zugleich in das Bette ſteigen/ ja was das Poſ- ſirlichſte iſt/ da ſoll ſich der Braͤutigam wohl gar in einer Badeſchuͤrtze trauen laſſen. Mit einem Worte der Haͤndel ſind ſo viel/ daß man ein groß Buch davon ſchreiben koͤnte. Gelanor fragte/ was doch ſolche Aberglau- ben muͤſten vor einen Urſprung haben? Dieſer ſagte/ ich habe den Sachen offt mit verwun- derung nachgedacht/ und befinde zwar/ daß etliche auß bloſſen Poſſen vorgebracht/ und hernach von einfaͤltigen Leuten im Ernſte ver- ſtanden worden: Da naͤhme mancher nicht viel Geld und wuͤſchte das Maul an das Tiſchtuch/ deñ es heiſſt: wer das Maul an das Tiſchtuch wiſcht/ der wird nicht ſatt. Ja wohl moͤchte ein Narr hundert Jahr wiſchen/ er ſolte doch vom wiſchen nicht ſatt werden. Jngleichen ſprechen ſie/ es ſey nicht gut/ wenn man das Kleid am Leibe flicken lieſſe. Und mancher lieffe lieber durch ein Feuer/ als daß er ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe handelt es sich um die 2. Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/230
Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/230>, abgerufen am 24.11.2024.