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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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er sich einen Stich liesse am Leibe thun: doch
ist es nicht Thorheit/ wenn es gut wäre/ dürff-
te man es nicht flicken. Was vor Händel
geglaubt werden/ wie man thun solle/ wenn
ein Wolff oder ein Hase über den Weg läufft/
ist verhoffentlich bekandt: denn wenn der
Wolff davon läufft/ ist es ein besser Zeichen/
als wenn er da bleibt. Aber läufft der Hase
davon/ so ist es ein böse Zeichen/ daß er nicht
soll in der Schüssel liegen. Jngleichen ist an
etlichen Orten der Brauch/ daß sie das Brod/
welches zu letzt in den Backoffen geschoben
wird/ sonderlich zeichnen/ und es den Wirth
nennen/ da halten sie davor/ so lange der Wirth
im Hause sey/ mangele es nicht am Brodte/
und glauben derwegen/ wenn das gezeichnete
Brod vor der Zeit angeschnitten würde/ so
müste theuer Zeit erfolgen. Doch es sind
Thorheiten/ so lange das Brod da ist/ man-
gelt es nicht. Wie jener liesse sich einen Zwey-
er in die Hosen einnehen/ und rühmte sich
er hätte stets Geld bey sich. Doch darff man
alle Aberglauben auf solche possirliche Außle-
gungen nicht führen. Das meiste kommt mei-
nes erachtens daher/ weil die Eltern ihren Kin-
dern ein und ander Morale haben wollen bey
bringen/ und haben ihren Kindischen Ver-

stan-
K jv


er ſich einen Stich lieſſe am Leibe thun: doch
iſt es nicht Thorheit/ wenn es gut waͤre/ duͤrff-
te man es nicht flicken. Was vor Haͤndel
geglaubt werden/ wie man thun ſolle/ wenn
ein Wolff oder ein Haſe uͤber den Weg laͤufft/
iſt verhoffentlich bekandt: denn wenn der
Wolff davon laͤufft/ iſt es ein beſſer Zeichen/
als wenn er da bleibt. Aber laͤufft der Haſe
davon/ ſo iſt es ein boͤſe Zeichen/ daß er nicht
ſoll in der Schuͤſſel liegen. Jngleichen iſt an
etlichen Orten der Brauch/ daß ſie das Brod/
welches zu letzt in den Backoffen geſchoben
wird/ ſonderlich zeichnen/ und es den Wirth
nennen/ da halten ſie davor/ ſo lange der Wirth
im Hauſe ſey/ mangele es nicht am Brodte/
und glauben derwegen/ wenn das gezeichnete
Brod vor der Zeit angeſchnitten wuͤrde/ ſo
muͤſte theuer Zeit erfolgen. Doch es ſind
Thorheiten/ ſo lange das Brod da iſt/ man-
gelt es nicht. Wie jener lieſſe ſich einen Zwey-
er in die Hoſen einnehen/ und ruͤhmte ſich
er haͤtte ſtets Geld bey ſich. Doch darff man
alle Aberglauben auf ſolche poſſirliche Außle-
gungen nicht fuͤhren. Das meiſte kommt mei-
nes erachtens daher/ weil die Eltern ihren Kin-
dern ein und ander Morale haben wollen bey
bringen/ und haben ihren Kindiſchen Ver-

ſtan-
K jv
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[225/0231] er ſich einen Stich lieſſe am Leibe thun: doch iſt es nicht Thorheit/ wenn es gut waͤre/ duͤrff- te man es nicht flicken. Was vor Haͤndel geglaubt werden/ wie man thun ſolle/ wenn ein Wolff oder ein Haſe uͤber den Weg laͤufft/ iſt verhoffentlich bekandt: denn wenn der Wolff davon laͤufft/ iſt es ein beſſer Zeichen/ als wenn er da bleibt. Aber laͤufft der Haſe davon/ ſo iſt es ein boͤſe Zeichen/ daß er nicht ſoll in der Schuͤſſel liegen. Jngleichen iſt an etlichen Orten der Brauch/ daß ſie das Brod/ welches zu letzt in den Backoffen geſchoben wird/ ſonderlich zeichnen/ und es den Wirth nennen/ da halten ſie davor/ ſo lange der Wirth im Hauſe ſey/ mangele es nicht am Brodte/ und glauben derwegen/ wenn das gezeichnete Brod vor der Zeit angeſchnitten wuͤrde/ ſo muͤſte theuer Zeit erfolgen. Doch es ſind Thorheiten/ ſo lange das Brod da iſt/ man- gelt es nicht. Wie jener lieſſe ſich einen Zwey- er in die Hoſen einnehen/ und ruͤhmte ſich er haͤtte ſtets Geld bey ſich. Doch darff man alle Aberglauben auf ſolche poſſirliche Außle- gungen nicht fuͤhren. Das meiſte kommt mei- nes erachtens daher/ weil die Eltern ihren Kin- dern ein und ander Morale haben wollen bey bringen/ und haben ihren Kindiſchen Ver- ſtan- K jv

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/231>, abgerufen am 24.11.2024.