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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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treffliche Boltzen mit einander finden. Ja/ sag-
te Gelanor, es wäre von nöthen/ daß man die
Narren dahin recommendirte; schickt einen
klugen Menschen davor hin/ der ihm die Pos-
sen vertreiben kan/ und damit stunden sie auff.
Nun war einer bey Tische/ der saß die gantze
Zeit traurig/ und that weder dem Essen noch
Trincken gar zu übrig viel nicht. Gela-
nor
sah ihn etliche mahl genau an/ und ließ
sich seine Person nicht übel gefallen. Darumb
fragte er ihn/ warumb er so Melancholisch
gewesen? Mich dünckt/ ihr beyde seyd zu un-
gerechten Theilen kommen/ einer hat die Lust/
der andere die Melancholie mit einander
kriegt. Doch dieser gab zur Antwort: Ach
wie kan der frölich seyn/ der zu lauter Unglück
gebohren ist? Gelanor versetzte: Was/ im Un-
glücke sol man sich freueu/ denn man hat die
Hoffnung/ daß es besser wird. Ein Glück seli-
ger muß traurig seyn/ denn er hat die Furcht/
es möchte schlimmer werden. Dieser unbe-
kante sagte drauff: Die Erfahrung habe ihm
offt genung dargethan/ daß er sich in seinem
Glücke keiner Besserung trösten dürffte: Gela-
nor
sprach ihm einen Trost zu/ und nach we-
niger Wortwechselung fragte er/ worinn denn
eben sein Unglück bestünde? Da erzehlte er fol-

gen-


treffliche Boltzen mit einander finden. Ja/ ſag-
te Gelanor, es waͤre von noͤthen/ daß man die
Narren dahin recommendirte; ſchickt einen
klugen Menſchen davor hin/ der ihm die Poſ-
ſen vertreiben kan/ und damit ſtunden ſie auff.
Nun war einer bey Tiſche/ der ſaß die gantze
Zeit traurig/ und that weder dem Eſſen noch
Trincken gar zu uͤbrig viel nicht. Gela-
nor
ſah ihn etliche mahl genau an/ und ließ
ſich ſeine Perſon nicht uͤbel gefallen. Darumb
fragte er ihn/ warumb er ſo Melancholiſch
geweſen? Mich duͤnckt/ ihr beyde ſeyd zu un-
gerechten Theilen kommen/ einer hat die Luſt/
der andere die Melancholie mit einander
kriegt. Doch dieſer gab zur Antwort: Ach
wie kan der froͤlich ſeyn/ der zu lauter Ungluͤck
gebohren iſt? Gelanor verſetzte: Was/ im Un-
gluͤcke ſol man ſich freueu/ denn man hat die
Hoffnung/ daß es beſſer wird. Ein Gluͤck ſeli-
ger muß traurig ſeyn/ denn er hat die Furcht/
es moͤchte ſchlimmer werden. Dieſer unbe-
kante ſagte drauff: Die Erfahrung habe ihm
offt genung dargethan/ daß er ſich in ſeinem
Glücke keiner Beſſerung troͤſten duͤꝛffte: Gela-
nor
ſprach ihm einen Troſt zu/ und nach we-
niger Wortwechſelung fragte er/ worinn deñ
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[311/0317] treffliche Boltzen mit einander finden. Ja/ ſag- te Gelanor, es waͤre von noͤthen/ daß man die Narren dahin recommendirte; ſchickt einen klugen Menſchen davor hin/ der ihm die Poſ- ſen vertreiben kan/ und damit ſtunden ſie auff. Nun war einer bey Tiſche/ der ſaß die gantze Zeit traurig/ und that weder dem Eſſen noch Trincken gar zu uͤbrig viel nicht. Gela- nor ſah ihn etliche mahl genau an/ und ließ ſich ſeine Perſon nicht uͤbel gefallen. Darumb fragte er ihn/ warumb er ſo Melancholiſch geweſen? Mich duͤnckt/ ihr beyde ſeyd zu un- gerechten Theilen kommen/ einer hat die Luſt/ der andere die Melancholie mit einander kriegt. Doch dieſer gab zur Antwort: Ach wie kan der froͤlich ſeyn/ der zu lauter Ungluͤck gebohren iſt? Gelanor verſetzte: Was/ im Un- gluͤcke ſol man ſich freueu/ denn man hat die Hoffnung/ daß es beſſer wird. Ein Gluͤck ſeli- ger muß traurig ſeyn/ denn er hat die Furcht/ es moͤchte ſchlimmer werden. Dieſer unbe- kante ſagte drauff: Die Erfahrung habe ihm offt genung dargethan/ daß er ſich in ſeinem Glücke keiner Beſſerung troͤſten duͤꝛffte: Gela- nor ſprach ihm einen Troſt zu/ und nach we- niger Wortwechſelung fragte er/ worinn deñ eben ſein Ungluͤck beſtuͤnde? Da erzehlte er fol- gen-

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/317>, abgerufen am 22.11.2024.