Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

Bild:
<< vorherige Seite


blinde Bettelman nirgend lieber gieng/ als
wo er von dem Volcke gedränget und ge-
druckt ward: also fahren auch solche verliebte
Hertzen am liebsten/ wo die Ecksteine und die
Qvergassen am gemeinsten sind. Jndem sie
noch davon redeten/ kam der gewöhnliche
Postwagen/ welcher Tag vor Tag fort zu ge-
hen pfleget/ im Wirthshause an/ und hatte un-
terschiedene Personen auffgeladen/ denen der
Wirth mit einem Trunck warmen Seckt be-
gegnete/ daher sie nach der Kälte gar wohl er-
quicket wurden. Doch hatten sich etliche so
sehr erkältet/ daß sie den Abend drauff nicht
wieder fort wolten: sondern biß auf bessere Ge-
legenheit in der warmen Stube sitzen blieben.
Auff den Abend bey der Mahlzeit kamen sie
mit zu Tische da saß einer gantz ernsthafftig/ als
ein erstochener Bock/ daß auch die andern
nicht wusten/ woher ihm einiges disgusto
möchte entstanden seyn. Eurylas, der solche
Sauertöpfische Gesichter in der Gesellschafft
nicht gerne leiden konte/ fragte ihn/ warum er
sich so betrübt befände? Dieser gab die unbe-
scheidene Antwort von sich/ er habe in acht Ta-
gen kein süsses gessen. Eurylas merckte den
Bauer wohl/ daß er von derselben Gattung
wäre/ die keinen Schertz vertragen können;

drum


blinde Bettelman nirgend lieber gieng/ als
wo er von dem Volcke gedraͤnget und ge-
druckt ward: alſo fahren auch ſolche verliebte
Hertzen am liebſten/ wo die Eckſteine und die
Qvergaſſen am gemeinſten ſind. Jndem ſie
noch davon redeten/ kam der gewoͤhnliche
Poſtwagen/ welcher Tag vor Tag fort zu ge-
hen pfleget/ im Wirthshauſe an/ und hatte un-
terſchiedene Perſonen auffgeladen/ denen der
Wirth mit einem Trunck warmen Seckt be-
gegnete/ daher ſie nach der Kaͤlte gar wohl er-
quicket wurden. Doch hatten ſich etliche ſo
ſehr erkaͤltet/ daß ſie den Abend drauff nicht
wieder fort wolten: ſondern biß auf beſſere Ge-
legenheit in der warmen Stube ſitzen blieben.
Auff den Abend bey der Mahlzeit kamen ſie
mit zu Tiſche da ſaß eineꝛ gantz eꝛnſthafftig/ als
ein erſtochener Bock/ daß auch die andern
nicht wuſten/ woher ihm einiges diſguſto
moͤchte entſtanden ſeyn. Eurylas, der ſolche
Sauertoͤpfiſche Geſichter in der Geſellſchafft
nicht gerne leiden konte/ fragte ihn/ warum er
ſich ſo betruͤbt befaͤnde? Dieſer gab die unbe-
ſcheidene Antwort von ſich/ er habe in acht Ta-
gen kein ſuͤſſes geſſen. Eurylas merckte den
Bauer wohl/ daß er von derſelben Gattung
waͤre/ die keinen Schertz vertragen koͤnnen;

drum
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0346" n="340"/><lb/>
blinde Bettelman nirgend lieber gieng/ als<lb/>
wo er von dem Volcke gedra&#x0364;nget und ge-<lb/>
druckt ward: al&#x017F;o fahren auch &#x017F;olche verliebte<lb/>
Hertzen am lieb&#x017F;ten/ wo die Eck&#x017F;teine und die<lb/>
Qverga&#x017F;&#x017F;en am gemein&#x017F;ten &#x017F;ind. Jndem &#x017F;ie<lb/>
noch davon redeten/ kam der gewo&#x0364;hnliche<lb/>
Po&#x017F;twagen/ welcher Tag vor Tag fort zu ge-<lb/>
hen pfleget/ im Wirthshau&#x017F;e an/ und hatte un-<lb/>
ter&#x017F;chiedene Per&#x017F;onen auffgeladen/ denen der<lb/>
Wirth mit einem Trunck warmen Seckt be-<lb/>
gegnete/ daher &#x017F;ie nach der Ka&#x0364;lte gar wohl er-<lb/>
quicket wurden. Doch hatten &#x017F;ich etliche &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr erka&#x0364;ltet/ daß &#x017F;ie den Abend drauff nicht<lb/>
wieder fort wolten: &#x017F;ondern biß auf be&#x017F;&#x017F;ere Ge-<lb/>
legenheit in der warmen Stube &#x017F;itzen blieben.<lb/>
Auff den Abend bey der Mahlzeit kamen &#x017F;ie<lb/>
mit zu Ti&#x017F;che da &#x017F;aß eine&#xA75B; gantz e&#xA75B;n&#x017F;thafftig/ als<lb/>
ein er&#x017F;tochener Bock/ daß auch die andern<lb/>
nicht wu&#x017F;ten/ woher ihm einiges <hi rendition="#aq">di&#x017F;gu&#x017F;to</hi><lb/>
mo&#x0364;chte ent&#x017F;tanden &#x017F;eyn. <hi rendition="#aq">Eurylas,</hi> der &#x017F;olche<lb/>
Sauerto&#x0364;pfi&#x017F;che Ge&#x017F;ichter in der Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft<lb/>
nicht gerne leiden konte/ fragte ihn/ warum er<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o betru&#x0364;bt befa&#x0364;nde? Die&#x017F;er gab die unbe-<lb/>
&#x017F;cheidene Antwort von &#x017F;ich/ er habe in acht Ta-<lb/>
gen kein &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;es ge&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#aq">Eurylas</hi> merckte den<lb/>
Bauer wohl/ daß er von der&#x017F;elben Gattung<lb/>
wa&#x0364;re/ die keinen Schertz vertragen ko&#x0364;nnen;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">drum</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[340/0346] blinde Bettelman nirgend lieber gieng/ als wo er von dem Volcke gedraͤnget und ge- druckt ward: alſo fahren auch ſolche verliebte Hertzen am liebſten/ wo die Eckſteine und die Qvergaſſen am gemeinſten ſind. Jndem ſie noch davon redeten/ kam der gewoͤhnliche Poſtwagen/ welcher Tag vor Tag fort zu ge- hen pfleget/ im Wirthshauſe an/ und hatte un- terſchiedene Perſonen auffgeladen/ denen der Wirth mit einem Trunck warmen Seckt be- gegnete/ daher ſie nach der Kaͤlte gar wohl er- quicket wurden. Doch hatten ſich etliche ſo ſehr erkaͤltet/ daß ſie den Abend drauff nicht wieder fort wolten: ſondern biß auf beſſere Ge- legenheit in der warmen Stube ſitzen blieben. Auff den Abend bey der Mahlzeit kamen ſie mit zu Tiſche da ſaß eineꝛ gantz eꝛnſthafftig/ als ein erſtochener Bock/ daß auch die andern nicht wuſten/ woher ihm einiges diſguſto moͤchte entſtanden ſeyn. Eurylas, der ſolche Sauertoͤpfiſche Geſichter in der Geſellſchafft nicht gerne leiden konte/ fragte ihn/ warum er ſich ſo betruͤbt befaͤnde? Dieſer gab die unbe- ſcheidene Antwort von ſich/ er habe in acht Ta- gen kein ſuͤſſes geſſen. Eurylas merckte den Bauer wohl/ daß er von derſelben Gattung waͤre/ die keinen Schertz vertragen koͤnnen; drum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe handelt es sich um die 2. Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/346
Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/346>, abgerufen am 22.11.2024.