Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Der triumphirenden keuschheit Jch bin seine gefangene/ und werde mich durch dievielfältigen stricke seiner unvergleichlichen annehm- lichkeit/ entweder in die äusserste vergnü gung/ oder in die erbärmlichste verzweiffelung leiten lassen. Du wunderliches glücke/ kanst du wohl zugeben/ daß so ein albernes und einfältiges gemüthe den aller- schönsten und zierlichsten leib besitzen soll/ und daß die liebens-würdigste person/ alle angebotene gunstgewogenheit so kaltsinnig ausschlagen kan? warumb hast du nicht dergleichen süssigkeit meinem Rodoman eingepflantzet/ welchem ich die schuldige freundlichkeit nicht anders/ als unter dem gedächt- niß meines werthesten Floretto abstatten kan? so muß der schöne Floretto allezeit unverständig/ die arme Clarisse allzeit unglückselig seyn. (Rodoman tritt auf.) Rod. Liebste Clarisse! wie so alleine? Clar. Welche von ihrem geliebten verlassen wird/ muß wohl alleine seyn. Rod. Welche von ihrem geliebten in gedancken beglei- tet wird/ kan niemals ohne gesellschafft seyn. Clar. Welche sich vor ihren eigenen gedaucken fürch- tet/ kan aus fremden gedancken schlechten trost schöpffen. Rod. Und warum fürcht ihr euch/ liebste Clarisse? Clar. Weil ich verliebt bin/ liebster Flo - - - - Rodoman. Rod. So solte ich mich auch fürchten? Clar. Das weiß ich nicht/ meine liebe ist furchtsam. Rod. Hab ich ursache darzu gegeben? Clar. Der mich lieben soll/ liebet mich nicht. Rod. Die treu/ die sie erkennen soll/ erkennet sie nicht. Clar.
Der triumphirenden keuſchheit Jch bin ſeine gefangene/ und werde mich durch dievielfaͤltigen ſtꝛicke ſeiner unvergleichlichen annehm- lichkeit/ entweder in die aͤuſſerſte vergnuͤ gung/ oder in die erbaͤrmlichſte verzweiffelung leiten laſſen. Du wundeꝛliches gluͤcke/ kanſt du wohl zugeben/ daß ſo ein albernes und einfaͤltiges gemuͤthe den aller- ſchoͤnſten und zierlichſten leib beſitzen ſoll/ und daß die liebens-wuͤrdigſte perſon/ alle angebotene gunſtgewogenheit ſo kaltſinnig ausſchlagen kan? warumb haſt du nicht dergleichen ſuͤſſigkeit meinem Rodoman eingepflantzet/ welchem ich die ſchuldige freundlichkeit nicht anders/ als unter dem gedaͤcht- niß meines wertheſten Floretto abſtatten kan? ſo muß der ſchoͤne Floretto allezeit unverſtaͤndig/ die arme Clariſſe allzeit ungluͤckſelig ſeyn. (Rodoman tritt auf.) Rod. Liebſte Clariſſe! wie ſo alleine? Clar. Welche von ihrem geliebten verlaſſen wird/ muß wohl alleine ſeyn. Rod. Welche von ihrem geliebten in gedancken beglei- tet wird/ kan niemals ohne geſellſchafft ſeyn. Clar. Welche ſich vor ihren eigenen gedaucken fuͤrch- tet/ kan aus fremden gedancken ſchlechten troſt ſchoͤpffen. Rod. Und warum fuͤrcht ihr euch/ liebſte Clariſſe? Clar. Weil ich verliebt bin/ liebſter Flo ‒ ‒ ‒ ‒ Rodomã. Rod. So ſolte ich mich auch fuͤrchten? Clar. Das weiß ich nicht/ meine liebe iſt furchtſam. Rod. Hab ich urſache darzu gegeben? Clar. Der mich lieben ſoll/ liebet mich nicht. Rod. Die treu/ die ſie erkennen ſoll/ erkennet ſie nicht. Clar.
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Der triumphirenden keuſchheit
Jch bin ſeine gefangene/ und werde mich durch die
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in die erbaͤrmlichſte verzweiffelung leiten laſſen.
Du wundeꝛliches gluͤcke/ kanſt du wohl zugeben/ daß
ſo ein albernes und einfaͤltiges gemuͤthe den aller-
ſchoͤnſten und zierlichſten leib beſitzen ſoll/ und daß
die liebens-wuͤrdigſte perſon/ alle angebotene
gunſtgewogenheit ſo kaltſinnig ausſchlagen kan?
warumb haſt du nicht dergleichen ſuͤſſigkeit meinem
Rodoman eingepflantzet/ welchem ich die ſchuldige
freundlichkeit nicht anders/ als unter dem gedaͤcht-
niß meines wertheſten Floretto abſtatten kan? ſo
muß der ſchoͤne Floretto allezeit unverſtaͤndig/ die
arme Clariſſe allzeit ungluͤckſelig ſeyn.
(Rodoman tritt auf.)
Rod.
Liebſte Clariſſe! wie ſo alleine?
Clar. Welche von ihrem geliebten verlaſſen wird/
muß wohl alleine ſeyn.
Rod. Welche von ihrem geliebten in gedancken beglei-
tet wird/ kan niemals ohne geſellſchafft ſeyn.
Clar. Welche ſich vor ihren eigenen gedaucken fuͤrch-
tet/ kan aus fremden gedancken ſchlechten troſt
ſchoͤpffen.
Rod. Und warum fuͤrcht ihr euch/ liebſte Clariſſe?
Clar. Weil ich verliebt bin/ liebſter Flo ‒ ‒ ‒ ‒ Rodomã.
Rod. So ſolte ich mich auch fuͤrchten?
Clar. Das weiß ich nicht/ meine liebe iſt furchtſam.
Rod. Hab ich urſache darzu gegeben?
Clar. Der mich lieben ſoll/ liebet mich nicht.
Rod. Die treu/ die ſie erkennen ſoll/ erkennet ſie nicht.
Clar.
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/214>, abgerufen am 19.07.2024. |