Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

Bild:
<< vorherige Seite
Drittes Gespräch.
von eurer lust zu verstöhren: Doch wenn ich sagen sol-
te was mir am besten gefiele/ so möchte ich gern die
peccata juventutis auff die seite setzen/ und etwas ernst-
haftes hören.
Fill. Die Uberflüssigen Gedancken sind gar selten
ernsthaftig.
Gil. Ja wol. Doch es wird ja auch etwas vorhan-
den seyn/ das so gar liederlich nicht außsieht.
Fill. Jch wolte es nicht einmahl vorbringen/ wei-
stu nicht/

Turpe est difficiles habere nugas,
Et stultus labor est ineptiarum.
Mel. Es reimt sich/ gleich als könte man nicht lu-
stig seyn/ da keine nugae vorbracht würden.
Gil. Nun so höret ob diß recht ist.
JCh weiß wol/ daß ich neider habe
Die mir nach meinem glücke stehn:
Doch alles ist des Höchsten gabe/
Daher entspringt mein wolergehn/
Drum bleib' ich allzeit unbetrübt
Und nehme was der himmel giebt.
2. Jch sehe daß ich sicher bleibe/
Ob gleich der neid sehr grimmig thut:
Jch fühle nichts an meinem leibe/
Das essen schmeckt mir gleich so gut/
Jm schlaffe bin ich unverstört/
Und habe stets was mir gehört.
3. Hingegen wolt ich eh nicht leben
Als an der neider stelle seyn/
Weil sie nach meiner wohlfarth streben/
So fressen sie viel kummer ein/
Und kräncken sich mit ihrem sinn/
Daß
Y 5
Drittes Geſpraͤch.
von eurer luſt zu verſtoͤhren: Doch wenn ich ſagen ſol-
te was mir am beſten gefiele/ ſo moͤchte ich gern die
peccata juventutis auff die ſeite ſetzen/ und etwas ernſt-
haftes hoͤren.
Fill. Die Uberfluͤſſigen Gedancken ſind gar ſelten
ernſthaftig.
Gil. Ja wol. Doch es wird ja auch etwas vorhan-
den ſeyn/ das ſo gar liederlich nicht außſieht.
Fill. Jch wolte es nicht einmahl vorbringen/ wei-
ſtu nicht/

Turpe eſt difficiles habere nugas,
Et ſtultus labor eſt ineptiarum.
Mel. Es reimt ſich/ gleich als koͤnte man nicht lu-
ſtig ſeyn/ da keine nugæ vorbracht wuͤrden.
Gil. Nun ſo hoͤret ob diß recht iſt.
JCh weiß wol/ daß ich neider habe
Die mir nach meinem gluͤcke ſtehn:
Doch alles iſt des Hoͤchſten gabe/
Daher entſpringt mein wolergehn/
Drum bleib’ ich allzeit unbetruͤbt
Und nehme was der himmel giebt.
2. Jch ſehe daß ich ſicher bleibe/
Ob gleich der neid ſehr grimmig thut:
Jch fuͤhle nichts an meinem leibe/
Das eſſen ſchmeckt mir gleich ſo gut/
Jm ſchlaffe bin ich unverſtoͤrt/
Und habe ſtets was mir gehoͤrt.
3. Hingegen wolt ich eh nicht leben
Als an der neider ſtelle ſeyn/
Weil ſie nach meiner wohlfarth ſtreben/
So freſſen ſie viel kummer ein/
Und kraͤncken ſich mit ihrem ſinn/
Daß
Y 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp>
            <p><pb facs="#f0361" n="345"/><fw place="top" type="header">Drittes Ge&#x017F;pra&#x0364;ch.</fw><lb/>
von eurer lu&#x017F;t zu ver&#x017F;to&#x0364;hren: Doch wenn ich &#x017F;agen &#x017F;ol-<lb/>
te was mir am be&#x017F;ten gefiele/ &#x017F;o mo&#x0364;chte ich gern die<lb/><hi rendition="#aq">peccata juventutis</hi> auff die &#x017F;eite &#x017F;etzen/ und etwas ern&#x017F;t-<lb/>
haftes ho&#x0364;ren.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker>Fill.</speaker>
            <p><hi rendition="#fr">D</hi>ie Uberflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Gedancken &#x017F;ind gar &#x017F;elten<lb/>
ern&#x017F;thaftig.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker>Gil.</speaker>
            <p>Ja wol. <hi rendition="#fr">D</hi>och es wird ja auch etwas vorhan-<lb/>
den &#x017F;eyn/ das &#x017F;o gar liederlich nicht auß&#x017F;ieht.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker>Fill.</speaker>
            <p>Jch wolte es nicht einmahl vorbringen/ wei-<lb/>
&#x017F;tu nicht/</p><lb/>
            <p> <hi rendition="#aq">Turpe e&#x017F;t difficiles habere nugas,<lb/>
Et &#x017F;tultus labor e&#x017F;t ineptiarum.</hi> </p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker>Mel.</speaker>
            <p>Es reimt &#x017F;ich/ gleich als ko&#x0364;nte man nicht lu-<lb/>
&#x017F;tig &#x017F;eyn/ da keine <hi rendition="#aq">nugæ</hi> vorbracht wu&#x0364;rden.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker>Gil.</speaker>
            <p>Nun &#x017F;o ho&#x0364;ret ob diß recht i&#x017F;t.</p><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">J</hi>Ch weiß wol/ daß ich neider habe</l><lb/>
                <l><hi rendition="#fr">D</hi>ie mir nach meinem glu&#x0364;cke &#x017F;tehn:</l><lb/>
                <l><hi rendition="#fr">D</hi>och alles i&#x017F;t des Ho&#x0364;ch&#x017F;ten gabe/</l><lb/>
                <l><hi rendition="#fr">D</hi>aher ent&#x017F;pringt mein wolergehn/</l><lb/>
                <l><hi rendition="#fr">D</hi>rum bleib&#x2019; ich allzeit unbetru&#x0364;bt</l><lb/>
                <l>Und nehme was der himmel giebt.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="2">
                <l>2. Jch &#x017F;ehe daß ich &#x017F;icher bleibe/</l><lb/>
                <l>Ob gleich der neid &#x017F;ehr grimmig thut:</l><lb/>
                <l>Jch fu&#x0364;hle nichts an meinem leibe/</l><lb/>
                <l>Das e&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chmeckt mir gleich &#x017F;o gut/</l><lb/>
                <l>Jm &#x017F;chlaffe bin ich unver&#x017F;to&#x0364;rt/</l><lb/>
                <l>Und habe &#x017F;tets was mir geho&#x0364;rt.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="3">
                <l>3. Hingegen wolt ich eh nicht leben</l><lb/>
                <l>Als an der neider &#x017F;telle &#x017F;eyn/</l><lb/>
                <l>Weil &#x017F;ie nach meiner wohlfarth &#x017F;treben/</l><lb/>
                <l>So fre&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie viel kummer ein/</l><lb/>
                <l>Und kra&#x0364;ncken &#x017F;ich mit ihrem &#x017F;inn/</l><lb/>
                <fw place="bottom" type="sig">Y 5</fw>
                <fw place="bottom" type="catch">Daß</fw><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0361] Drittes Geſpraͤch. von eurer luſt zu verſtoͤhren: Doch wenn ich ſagen ſol- te was mir am beſten gefiele/ ſo moͤchte ich gern die peccata juventutis auff die ſeite ſetzen/ und etwas ernſt- haftes hoͤren. Fill. Die Uberfluͤſſigen Gedancken ſind gar ſelten ernſthaftig. Gil. Ja wol. Doch es wird ja auch etwas vorhan- den ſeyn/ das ſo gar liederlich nicht außſieht. Fill. Jch wolte es nicht einmahl vorbringen/ wei- ſtu nicht/ Turpe eſt difficiles habere nugas, Et ſtultus labor eſt ineptiarum. Mel. Es reimt ſich/ gleich als koͤnte man nicht lu- ſtig ſeyn/ da keine nugæ vorbracht wuͤrden. Gil. Nun ſo hoͤret ob diß recht iſt. JCh weiß wol/ daß ich neider habe Die mir nach meinem gluͤcke ſtehn: Doch alles iſt des Hoͤchſten gabe/ Daher entſpringt mein wolergehn/ Drum bleib’ ich allzeit unbetruͤbt Und nehme was der himmel giebt. 2. Jch ſehe daß ich ſicher bleibe/ Ob gleich der neid ſehr grimmig thut: Jch fuͤhle nichts an meinem leibe/ Das eſſen ſchmeckt mir gleich ſo gut/ Jm ſchlaffe bin ich unverſtoͤrt/ Und habe ſtets was mir gehoͤrt. 3. Hingegen wolt ich eh nicht leben Als an der neider ſtelle ſeyn/ Weil ſie nach meiner wohlfarth ſtreben/ So freſſen ſie viel kummer ein/ Und kraͤncken ſich mit ihrem ſinn/ Daß Y 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die für das DTA ausgewählte Ausgabe von 1701 vere… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/361
Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/361>, abgerufen am 01.06.2024.