Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693.
uns denn so tieff ins Hertze sehen/ daß er sich um unsre Liebe und um unsre Scham bekümmern darff? Louys. Ach wäre die Noth so groß/ man würde der Schamhafftigkeit wol ver- gessen. Man sieht es an eures glei- chen; Wenn ihr nur einen Schatten vom Frauenzimmer von weiten sehet/ oder wenn ihr eine Garten-Klincke wisset/ da etwan vor 14. Tagen eine Jungfer nur in Handschuhen daran gerühret hat/ ach da ist die verliebte Sehnsucht so groß/ daß man sich we- der Schande noch Unglücke läst ab- halten. Laff. Was wir thun/ das geschiehet offte wider unsern Willen. Jungfern wol- len gesucht seyn: Drum ehe sie uns in Gedancken vor unhöffliche Kerlen hal- ten/ so thun wir ein übriges. Charl. Ja wir thun ein übriges und lassen das Häßgen lauffen. Louys. Meinet wegen möchte es wol nach- bleiben/ es müste andern Leuten mehr daran gelegen seyn als mir: Jch wol- te so geschwinde ins Kloster gehen als ins Braut-Bette. Laff.
uns denn ſo tieff ins Hertze ſehen/ daß er ſich um unſre Liebe und um unſre Scham bekuͤmmern darff? Louyſ. Ach waͤre die Noth ſo groß/ man wuͤrde der Schamhafftigkeit wol ver- geſſen. Man ſieht es an eures glei- chen; Wenn ihr nur einen Schatten vom Frauenzimmer von weiten ſehet/ oder wenn ihr eine Garten-Klincke wiſſet/ da etwan vor 14. Tagen eine Jungfer nur in Handſchuhen daran geruͤhret hat/ ach da iſt die verliebte Sehnſucht ſo groß/ daß man ſich we- der Schande noch Ungluͤcke laͤſt ab- halten. Laff. Was wir thun/ das geſchiehet offte wider unſern Willen. Jungfern wol- len geſucht ſeyn: Drum ehe ſie uns in Gedancken vor unhoͤffliche Kerlen hal- ten/ ſo thun wir ein uͤbriges. Charl. Ja wir thun ein uͤbriges und laſſen das Haͤßgen lauffen. Louyſ. Meinet wegen moͤchte es wol nach- bleiben/ es muͤſte andern Leuten mehr daran gelegen ſeyn als mir: Jch wol- te ſo geſchwinde ins Kloſter gehen als ins Braut-Bette. Laff.
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uns denn ſo tieff ins Hertze ſehen/ daß
er ſich um unſre Liebe und um unſre
Scham bekuͤmmern darff?
Louyſ. Ach waͤre die Noth ſo groß/ man
wuͤrde der Schamhafftigkeit wol ver-
geſſen. Man ſieht es an eures glei-
chen; Wenn ihr nur einen Schatten
vom Frauenzimmer von weiten ſehet/
oder wenn ihr eine Garten-Klincke
wiſſet/ da etwan vor 14. Tagen eine
Jungfer nur in Handſchuhen daran
geruͤhret hat/ ach da iſt die verliebte
Sehnſucht ſo groß/ daß man ſich we-
der Schande noch Ungluͤcke laͤſt ab-
halten.
Laff. Was wir thun/ das geſchiehet offte
wider unſern Willen. Jungfern wol-
len geſucht ſeyn: Drum ehe ſie uns in
Gedancken vor unhoͤffliche Kerlen hal-
ten/ ſo thun wir ein uͤbriges.
Charl. Ja wir thun ein uͤbriges und laſſen
das Haͤßgen lauffen.
Louyſ. Meinet wegen moͤchte es wol nach-
bleiben/ es muͤſte andern Leuten mehr
daran gelegen ſeyn als mir: Jch wol-
te ſo geſchwinde ins Kloſter gehen als
ins Braut-Bette.
Laff.
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/570>, abgerufen am 21.06.2024. |