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Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693.

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Harl. Und was habt ihr nochmals zu sa-
gen/ wenn ihr wegen der bewusten
Brieffe sollet ausdrücklich befraget
werden?
Ren. Jch sage so viel: Wenn der Herr
Marschall in seinen Wünschen wäre
glücklich gewesen/ so wäre der König
todt/ Franckreich wäre unter die be-
nachbarten Potentaten ausgetheilet/
und diese Stadt wäre ein Schauplatz
des Elendes.
Bir. Wie? schämestu dich nicht von des
Königes Tode zu reden?
Ren. Jch schäme mich freylich nicht/ son-
derlich gegen denselben/ welcher des
Königes Tod hat befördern wollen.
Bir. Die Fabel hast du erst diese Woche
ausgedacht.
Ren. Doch dieser Anschlag ist schon vor
etlichen Jahren in dem Gehirne des
Herrn Marschalls jung worden. Jch
bitte/ man treibe mir die Unwarheit
nicht zu sehr in den Halß: Jch stehe hier
an einem Orte/ da ich die Warheit frey
heraus bekennen kan.
Harl. Herr Marschall/ er gebe GOtt und
der
Harl. Und was habt ihr nochmals zu ſa-
gen/ wenn ihr wegen der bewuſten
Brieffe ſollet ausdruͤcklich befraget
werden?
Ren. Jch ſage ſo viel: Wenn der Herr
Marſchall in ſeinen Wuͤnſchen waͤre
gluͤcklich geweſen/ ſo waͤre der Koͤnig
todt/ Franckreich waͤre unter die be-
nachbarten Potentaten ausgetheilet/
und dieſe Stadt waͤre ein Schauplatz
des Elendes.
Bir. Wie? ſchaͤmeſtu dich nicht von des
Koͤniges Tode zu reden?
Ren. Jch ſchaͤme mich freylich nicht/ ſon-
derlich gegen denſelben/ welcher des
Koͤniges Tod hat befoͤrdern wollen.
Bir. Die Fabel haſt du erſt dieſe Woche
ausgedacht.
Ren. Doch dieſer Anſchlag iſt ſchon vor
etlichen Jahren in dem Gehirne des
Herrn Marſchalls jung worden. Jch
bitte/ man treibe mir die Unwarheit
nicht zu ſehr in den Halß: Jch ſtehe hier
an einem Orte/ da ich die Warheit frey
heraus bekennen kan.
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der
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[536/0702] Harl. Und was habt ihr nochmals zu ſa- gen/ wenn ihr wegen der bewuſten Brieffe ſollet ausdruͤcklich befraget werden? Ren. Jch ſage ſo viel: Wenn der Herr Marſchall in ſeinen Wuͤnſchen waͤre gluͤcklich geweſen/ ſo waͤre der Koͤnig todt/ Franckreich waͤre unter die be- nachbarten Potentaten ausgetheilet/ und dieſe Stadt waͤre ein Schauplatz des Elendes. Bir. Wie? ſchaͤmeſtu dich nicht von des Koͤniges Tode zu reden? Ren. Jch ſchaͤme mich freylich nicht/ ſon- derlich gegen denſelben/ welcher des Koͤniges Tod hat befoͤrdern wollen. Bir. Die Fabel haſt du erſt dieſe Woche ausgedacht. Ren. Doch dieſer Anſchlag iſt ſchon vor etlichen Jahren in dem Gehirne des Herrn Marſchalls jung worden. Jch bitte/ man treibe mir die Unwarheit nicht zu ſehr in den Halß: Jch ſtehe hier an einem Orte/ da ich die Warheit frey heraus bekennen kan. Harl. Herr Marſchall/ er gebe GOtt und der

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/702>, abgerufen am 22.11.2024.