Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693.

Bild:
<< vorherige Seite
Bir. (ad spect.) Ach warum soll ich die
Barmhertzigkeit anruffen/ da ich doch
weiß/ daß man hier nach der strengen
Gerechtigkeit sprechen muß. So viel
als Stimmen von den gesamten Bey-
sitzern gefodert werden/ so vielmal bin
ich zum Tode verdammt/ und so vielmal
wird mich der König seiner Barmher-
tzigkeit unwürdig achten. Ach daß
heist nach einer Wolcken gegriffen/
nach einem Schatten gezielet/ und dar-
neben die würckliche Glückseligkeit aus
den Händen verlohren. War die be-
trügliche Correspondenz mit hohen Po-
tentaten so viel werth/ daß ich nun die
Correspondenz mit allen guten Freun-
den/ ja wol mit mir selbst verliehren soll?
Meine Furcht/ die in dem Hertzen ent-
stehet/ ist einer Todes-Angst nicht un-
ähnlich. Aber ach! Die jenigen find
schon vorhanden/ welche mich nach dem
Gefängnisse begleiten sollen/ und nun
werde ich mit höchsten Schmertzen al-
le Augenblick den Ausspruch erwarten
müssen/ daß der König diß blutige de-
cret
Bir. (ad ſpect.) Ach warum ſoll ich die
Barmhertzigkeit anruffen/ da ich doch
weiß/ daß man hier nach der ſtrengen
Gerechtigkeit ſprechen muß. So viel
als Stimmen von den geſamten Bey-
ſitzern gefodert werden/ ſo vielmal bin
ich zum Tode verdammt/ und ſo vielmal
wird mich der Koͤnig ſeiner Barmher-
tzigkeit unwuͤrdig achten. Ach daß
heiſt nach einer Wolcken gegriffen/
nach einem Schatten gezielet/ und dar-
neben die wuͤrckliche Gluͤckſeligkeit aus
den Haͤnden verlohren. War die be-
truͤgliche Correſpondenz mit hohen Po-
tentaten ſo viel werth/ daß ich nun die
Correſpondenz mit allen guten Freun-
den/ ja wol mit mir ſelbſt verliehren ſoll?
Meine Furcht/ die in dem Hertzen ent-
ſtehet/ iſt einer Todes-Angſt nicht un-
aͤhnlich. Aber ach! Die jenigen find
ſchon vorhanden/ welche mich nach dem
Gefaͤngniſſe begleiten ſollen/ und nun
werde ich mit hoͤchſten Schmertzen al-
le Augenblick den Ausſpruch erwarten
muͤſſen/ daß der Koͤnig diß blutige de-
cret
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0706" n="540"/>
          <sp who="#BIR">
            <speaker>Bir.</speaker>
            <stage>(<hi rendition="#aq">ad &#x017F;pect.</hi>)</stage>
            <p>Ach warum &#x017F;oll ich die<lb/>
Barmhertzigkeit anruffen/ da ich doch<lb/>
weiß/ daß man hier nach der &#x017F;trengen<lb/>
Gerechtigkeit &#x017F;prechen muß. So viel<lb/>
als Stimmen von den ge&#x017F;amten Bey-<lb/>
&#x017F;itzern gefodert werden/ &#x017F;o vielmal bin<lb/>
ich zum Tode verdammt/ und &#x017F;o vielmal<lb/>
wird mich der Ko&#x0364;nig &#x017F;einer Barmher-<lb/>
tzigkeit unwu&#x0364;rdig achten. Ach daß<lb/>
hei&#x017F;t nach einer Wolcken gegriffen/<lb/>
nach einem Schatten gezielet/ und dar-<lb/>
neben die wu&#x0364;rckliche Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit aus<lb/>
den Ha&#x0364;nden verlohren. War die be-<lb/>
tru&#x0364;gliche <hi rendition="#aq">Corre&#x017F;pondenz</hi> mit hohen Po-<lb/>
tentaten &#x017F;o viel werth/ daß ich nun die<lb/><hi rendition="#aq">Corre&#x017F;pondenz</hi> mit allen guten Freun-<lb/>
den/ ja wol mit mir &#x017F;elb&#x017F;t verliehren &#x017F;oll?<lb/>
Meine Furcht/ die in dem Hertzen ent-<lb/>
&#x017F;tehet/ i&#x017F;t einer Todes-Ang&#x017F;t nicht un-<lb/>
a&#x0364;hnlich. Aber ach! Die jenigen find<lb/>
&#x017F;chon vorhanden/ welche mich nach dem<lb/>
Gefa&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;e begleiten &#x017F;ollen/ und nun<lb/>
werde ich mit ho&#x0364;ch&#x017F;ten Schmertzen al-<lb/>
le Augenblick den Aus&#x017F;pruch erwarten<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ daß der Ko&#x0364;nig diß blutige <hi rendition="#aq">de-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">cret</hi></fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[540/0706] Bir. (ad ſpect.) Ach warum ſoll ich die Barmhertzigkeit anruffen/ da ich doch weiß/ daß man hier nach der ſtrengen Gerechtigkeit ſprechen muß. So viel als Stimmen von den geſamten Bey- ſitzern gefodert werden/ ſo vielmal bin ich zum Tode verdammt/ und ſo vielmal wird mich der Koͤnig ſeiner Barmher- tzigkeit unwuͤrdig achten. Ach daß heiſt nach einer Wolcken gegriffen/ nach einem Schatten gezielet/ und dar- neben die wuͤrckliche Gluͤckſeligkeit aus den Haͤnden verlohren. War die be- truͤgliche Correſpondenz mit hohen Po- tentaten ſo viel werth/ daß ich nun die Correſpondenz mit allen guten Freun- den/ ja wol mit mir ſelbſt verliehren ſoll? Meine Furcht/ die in dem Hertzen ent- ſtehet/ iſt einer Todes-Angſt nicht un- aͤhnlich. Aber ach! Die jenigen find ſchon vorhanden/ welche mich nach dem Gefaͤngniſſe begleiten ſollen/ und nun werde ich mit hoͤchſten Schmertzen al- le Augenblick den Ausſpruch erwarten muͤſſen/ daß der Koͤnig diß blutige de- cret

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/706
Zitationshilfe: Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/706>, abgerufen am 23.06.2024.