Bei diesen kleinen Ringelwürmern des süssen Wassers hat Semper den Vorgang der Theilung sehr genau verfolgt. Ein Thier theilt sich in zwei, gewöhnlich aber in mehrere Tochter- thiere gleichzeitig, und der Akt der Theilung wird in sehr voll- ständiger Weise vorbereitet, indem an einer umschriebenen Stelle des Körpers eine ringförmige Zellenwucherung im ganzen Um- fang des Thieres entsteht, welche zur Bildung eines Schwanz- endes für das vordere Theilstück und eines Kopfes für das hintere Theilstück führt. Man hat diese wuchernden Zellen- ringe bisher "Knospungszonen" genannt, doch wird man sie besser als "Regenerationszonen" bezeichnen, da in der That von einer Knospung im eigentlichen Sinne hier nicht die Rede sein kann. Wenn zwei solche Ringe im Verlauf eines Thieres sich bilden, wie es in der Regel geschieht, so erfolgt dann nach völliger Ausbildung von Schwanz- und Kopfstücken die Trennung in drei Tochterthiere dadurch, dass das Thier sich inmitten jeden Regenerationsringes durchschnürt.
Die Regenerationszonen bilden sich bei Nais stets an der Grenze zwischen zwei Segmenten, d. h. also sie gehen von den aneinander stossenden Rändern zweier Segmente aus, und zwar derart, dass zunächst die Zellen der Epidermis in Vermehrung treten und zu einem ringförmigen Lager kleiner Zellen werden, welche besonders an der Bauchseite mehrfach geschichtet sind; sie entbehren noch eines ausgesprochenen histologischen Cha- rakters. Hand in Hand damit geht ein Wachsthum der inneren Organe in die Länge, welches schon dadurch nothwendig wird, dass die wachsende Regenerationszone sich zwischen die beiden Segmente, von denen sie ausgeht, einschiebt und sie auseinander drängt. Der Darm allein aber von den inneren Organen re- generirt sich aus sich selbst, alle übrigen Neubildungen gehen von jenem wuchernden Zellenring aus, welcher von der Haut
13*
2. Die Theilung bei den Naiden.
Bei diesen kleinen Ringelwürmern des süssen Wassers hat Semper den Vorgang der Theilung sehr genau verfolgt. Ein Thier theilt sich in zwei, gewöhnlich aber in mehrere Tochter- thiere gleichzeitig, und der Akt der Theilung wird in sehr voll- ständiger Weise vorbereitet, indem an einer umschriebenen Stelle des Körpers eine ringförmige Zellenwucherung im ganzen Um- fang des Thieres entsteht, welche zur Bildung eines Schwanz- endes für das vordere Theilstück und eines Kopfes für das hintere Theilstück führt. Man hat diese wuchernden Zellen- ringe bisher „Knospungszonen“ genannt, doch wird man sie besser als „Regenerationszonen“ bezeichnen, da in der That von einer Knospung im eigentlichen Sinne hier nicht die Rede sein kann. Wenn zwei solche Ringe im Verlauf eines Thieres sich bilden, wie es in der Regel geschieht, so erfolgt dann nach völliger Ausbildung von Schwanz- und Kopfstücken die Trennung in drei Tochterthiere dadurch, dass das Thier sich inmitten jeden Regenerationsringes durchschnürt.
Die Regenerationszonen bilden sich bei Nais stets an der Grenze zwischen zwei Segmenten, d. h. also sie gehen von den aneinander stossenden Rändern zweier Segmente aus, und zwar derart, dass zunächst die Zellen der Epidermis in Vermehrung treten und zu einem ringförmigen Lager kleiner Zellen werden, welche besonders an der Bauchseite mehrfach geschichtet sind; sie entbehren noch eines ausgesprochenen histologischen Cha- rakters. Hand in Hand damit geht ein Wachsthum der inneren Organe in die Länge, welches schon dadurch nothwendig wird, dass die wachsende Regenerationszone sich zwischen die beiden Segmente, von denen sie ausgeht, einschiebt und sie auseinander drängt. Der Darm allein aber von den inneren Organen re- generirt sich aus sich selbst, alle übrigen Neubildungen gehen von jenem wuchernden Zellenring aus, welcher von der Haut
13*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0219"n="195"/><divn="3"><head><hirendition="#b">2. Die Theilung bei den Naiden.</hi></head><lb/><p>Bei diesen kleinen Ringelwürmern des süssen Wassers hat<lb/><hirendition="#g">Semper</hi> den Vorgang der Theilung sehr genau verfolgt. Ein<lb/>
Thier theilt sich in zwei, gewöhnlich aber in mehrere Tochter-<lb/>
thiere gleichzeitig, und der Akt der Theilung wird in sehr voll-<lb/>
ständiger Weise vorbereitet, indem an einer umschriebenen Stelle<lb/>
des Körpers eine ringförmige Zellenwucherung im ganzen Um-<lb/>
fang des Thieres entsteht, welche zur Bildung eines Schwanz-<lb/>
endes für das vordere Theilstück und eines Kopfes für das<lb/>
hintere Theilstück führt. Man hat diese wuchernden Zellen-<lb/>
ringe bisher „Knospungszonen“ genannt, doch wird man sie<lb/>
besser als „Regenerationszonen“ bezeichnen, da in der That von<lb/>
einer Knospung im eigentlichen Sinne hier nicht die Rede sein<lb/>
kann. Wenn zwei solche Ringe im Verlauf eines Thieres sich<lb/>
bilden, wie es in der Regel geschieht, so erfolgt dann nach<lb/>
völliger Ausbildung von Schwanz- und Kopfstücken die Trennung<lb/>
in drei Tochterthiere dadurch, dass das Thier sich inmitten<lb/>
jeden Regenerationsringes durchschnürt.</p><lb/><p>Die Regenerationszonen bilden sich bei Nais stets an der<lb/>
Grenze zwischen zwei Segmenten, d. h. also sie gehen von den<lb/>
aneinander stossenden Rändern zweier Segmente aus, und zwar<lb/>
derart, dass zunächst die Zellen der Epidermis in Vermehrung<lb/>
treten und zu einem ringförmigen Lager kleiner Zellen werden,<lb/>
welche besonders an der Bauchseite mehrfach geschichtet sind;<lb/>
sie entbehren noch eines ausgesprochenen histologischen Cha-<lb/>
rakters. Hand in Hand damit geht ein Wachsthum der inneren<lb/>
Organe in die Länge, welches schon dadurch nothwendig wird,<lb/>
dass die wachsende Regenerationszone sich zwischen die beiden<lb/>
Segmente, von denen sie ausgeht, einschiebt und sie auseinander<lb/>
drängt. Der Darm allein aber von den inneren Organen re-<lb/>
generirt sich aus sich selbst, alle übrigen Neubildungen gehen<lb/>
von jenem wuchernden Zellenring aus, welcher von der Haut<lb/><fwplace="bottom"type="sig">13*</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[195/0219]
2. Die Theilung bei den Naiden.
Bei diesen kleinen Ringelwürmern des süssen Wassers hat
Semper den Vorgang der Theilung sehr genau verfolgt. Ein
Thier theilt sich in zwei, gewöhnlich aber in mehrere Tochter-
thiere gleichzeitig, und der Akt der Theilung wird in sehr voll-
ständiger Weise vorbereitet, indem an einer umschriebenen Stelle
des Körpers eine ringförmige Zellenwucherung im ganzen Um-
fang des Thieres entsteht, welche zur Bildung eines Schwanz-
endes für das vordere Theilstück und eines Kopfes für das
hintere Theilstück führt. Man hat diese wuchernden Zellen-
ringe bisher „Knospungszonen“ genannt, doch wird man sie
besser als „Regenerationszonen“ bezeichnen, da in der That von
einer Knospung im eigentlichen Sinne hier nicht die Rede sein
kann. Wenn zwei solche Ringe im Verlauf eines Thieres sich
bilden, wie es in der Regel geschieht, so erfolgt dann nach
völliger Ausbildung von Schwanz- und Kopfstücken die Trennung
in drei Tochterthiere dadurch, dass das Thier sich inmitten
jeden Regenerationsringes durchschnürt.
Die Regenerationszonen bilden sich bei Nais stets an der
Grenze zwischen zwei Segmenten, d. h. also sie gehen von den
aneinander stossenden Rändern zweier Segmente aus, und zwar
derart, dass zunächst die Zellen der Epidermis in Vermehrung
treten und zu einem ringförmigen Lager kleiner Zellen werden,
welche besonders an der Bauchseite mehrfach geschichtet sind;
sie entbehren noch eines ausgesprochenen histologischen Cha-
rakters. Hand in Hand damit geht ein Wachsthum der inneren
Organe in die Länge, welches schon dadurch nothwendig wird,
dass die wachsende Regenerationszone sich zwischen die beiden
Segmente, von denen sie ausgeht, einschiebt und sie auseinander
drängt. Der Darm allein aber von den inneren Organen re-
generirt sich aus sich selbst, alle übrigen Neubildungen gehen
von jenem wuchernden Zellenring aus, welcher von der Haut
13*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/219>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.