angewiesen durch ihre Entstehung aus den früheren Zellgene- rationen, durch den Rhythmus der Zell-Theilungen. Hier aber müssten die Zellen des Ganglions z. B. sich durch freie Orts- bewegung am richtigen Platz zusammenfinden. Aber auch in der Embryogenese mancher Thiergruppen, z. B. der Echino- dermen kommt Ähnliches vor, und es wird bis zu weiterer Klärung der Thatsachen Nichts übrig bleiben, als den Zellen eine ihrer Bestimmung entsprechende Neigung zur Festsetzung an bestimmten Stellen zuzuschreiben, so unbefriedigend eine solche Annahme auch erscheint. Die umgekehrte Annahme wenigstens, dass diese Zellen sich je nach dem zufälligen Fest- setzungsort zu Muskel-, Nerven- oder Sexualzellen entwickelten, scheint mir weit weniger annehmbar.
Vergleicht man nun die Knospung dieser Ascidien mit ihrer Embryogenese, so finden sich grosse Verschiedenheiten. Nicht nur, dass bei der Knospung die ganze Ei-Furchung wegfällt und die Gastrulation mit der Bildung des Mesoderm's, sondern es entstehen auch manche Theile im Embryo aus dem Ekto- derm, in der Knospe aus dem Mesoderm. Noch auffälliger vielleicht ist dies bei den frei im Meere schwimmenden Mantel- thieren, den Salpen. Auch diese vermehren sich durch Knospung an einem Fortsatz des Thieres, dem sog. Stolo, und auch bei ihnen entsteht fast Nichts ausser der Haut aus dem Ektoderm, Einiges aus dem Entoderm, Vieles aber aus den "Mesoderm- zellen". Seeliger1) glaubt die Erklärung dafür darin zu finden, dass das "Mesoderm des Mutterthieres, welches in die Knospen übergeht, eigentlich nichts Anderes ist, als sein Geschlechts- apparat". Dies wäre indessen doch nur insoweit eine Er- klärung zu nennen, als es für die "Mesodermzellen" des Stolo und der Knospe die Möglichkeit eröffnet, jede verlangte Deter-
1) O. Seeliger, "Die Knospung der Salpen". Jena 1885.
angewiesen durch ihre Entstehung aus den früheren Zellgene- rationen, durch den Rhythmus der Zell-Theilungen. Hier aber müssten die Zellen des Ganglions z. B. sich durch freie Orts- bewegung am richtigen Platz zusammenfinden. Aber auch in der Embryogenese mancher Thiergruppen, z. B. der Echino- dermen kommt Ähnliches vor, und es wird bis zu weiterer Klärung der Thatsachen Nichts übrig bleiben, als den Zellen eine ihrer Bestimmung entsprechende Neigung zur Festsetzung an bestimmten Stellen zuzuschreiben, so unbefriedigend eine solche Annahme auch erscheint. Die umgekehrte Annahme wenigstens, dass diese Zellen sich je nach dem zufälligen Fest- setzungsort zu Muskel-, Nerven- oder Sexualzellen entwickelten, scheint mir weit weniger annehmbar.
Vergleicht man nun die Knospung dieser Ascidien mit ihrer Embryogenese, so finden sich grosse Verschiedenheiten. Nicht nur, dass bei der Knospung die ganze Ei-Furchung wegfällt und die Gastrulation mit der Bildung des Mesoderm’s, sondern es entstehen auch manche Theile im Embryo aus dem Ekto- derm, in der Knospe aus dem Mesoderm. Noch auffälliger vielleicht ist dies bei den frei im Meere schwimmenden Mantel- thieren, den Salpen. Auch diese vermehren sich durch Knospung an einem Fortsatz des Thieres, dem sog. Stolo, und auch bei ihnen entsteht fast Nichts ausser der Haut aus dem Ektoderm, Einiges aus dem Entoderm, Vieles aber aus den „Mesoderm- zellen“. Seeliger1) glaubt die Erklärung dafür darin zu finden, dass das „Mesoderm des Mutterthieres, welches in die Knospen übergeht, eigentlich nichts Anderes ist, als sein Geschlechts- apparat“. Dies wäre indessen doch nur insoweit eine Er- klärung zu nennen, als es für die „Mesodermzellen“ des Stolo und der Knospe die Möglichkeit eröffnet, jede verlangte Deter-
1) O. Seeliger, „Die Knospung der Salpen“. Jena 1885.
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angewiesen durch ihre Entstehung aus den früheren Zellgene-
rationen, durch den Rhythmus der Zell-Theilungen. Hier aber
müssten die Zellen des Ganglions z. B. sich durch freie Orts-
bewegung am richtigen Platz zusammenfinden. Aber auch in
der Embryogenese mancher Thiergruppen, z. B. der Echino-
dermen kommt Ähnliches vor, und es wird bis zu weiterer
Klärung der Thatsachen Nichts übrig bleiben, als den Zellen
eine ihrer Bestimmung entsprechende Neigung zur Festsetzung
an bestimmten Stellen zuzuschreiben, so unbefriedigend eine
solche Annahme auch erscheint. Die umgekehrte Annahme
wenigstens, dass diese Zellen sich je nach dem zufälligen Fest-
setzungsort zu Muskel-, Nerven- oder Sexualzellen entwickelten,
scheint mir weit weniger annehmbar.
Vergleicht man nun die Knospung dieser Ascidien mit
ihrer Embryogenese, so finden sich grosse Verschiedenheiten.
Nicht nur, dass bei der Knospung die ganze Ei-Furchung wegfällt
und die Gastrulation mit der Bildung des Mesoderm’s, sondern
es entstehen auch manche Theile im Embryo aus dem Ekto-
derm, in der Knospe aus dem Mesoderm. Noch auffälliger
vielleicht ist dies bei den frei im Meere schwimmenden Mantel-
thieren, den Salpen. Auch diese vermehren sich durch Knospung
an einem Fortsatz des Thieres, dem sog. Stolo, und auch bei
ihnen entsteht fast Nichts ausser der Haut aus dem Ektoderm,
Einiges aus dem Entoderm, Vieles aber aus den „Mesoderm-
zellen“. Seeliger 1) glaubt die Erklärung dafür darin zu finden,
dass das „Mesoderm des Mutterthieres, welches in die Knospen
übergeht, eigentlich nichts Anderes ist, als sein Geschlechts-
apparat“. Dies wäre indessen doch nur insoweit eine Er-
klärung zu nennen, als es für die „Mesodermzellen“ des Stolo
und der Knospe die Möglichkeit eröffnet, jede verlangte Deter-
1) O. Seeliger, „Die Knospung der Salpen“. Jena 1885.
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/239>, abgerufen am 21.11.2024.
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