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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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bereit, aktiv zu werden, sobald der geeignete Reiz auf sie ein-
wirkt. Diesen Nachweis hält er dann weiter für unvereinbar
mit der Annahme eines Keimplasma's und einer Continuität
desselben.

Gewiss unterliegt es keinem Zweifel, dass die Gallen ein
höchst interessantes Problem sind, aber eben so gewiss scheint
es wenigstens mir, dass dieses Problem noch nicht völlig gelöst
ist, trotz der mehrfachen und ganz vortrefflichen Untersuchungen,
welche die letzten Decennien gebracht haben und unter welchen
diejenigen von Adler1) und von Beyerinck2) unsere Einsicht
ganz besonders gefördert haben.

Der Punkt, der hier im Vordergrund steht, ist die That-
sache, dass die Gallen keineswegs immer nur aus denjenigen
Zellenarten bestehen, welche in den Organen der Pflanze vor-
kommen, auf welchen sie wachsen, sondern dass sie häufig auch
andere Zellenarten enthalten. "Zellen, welche die Pflanze sonst
nur in der Rinde ihres Stammes bildet, kann man häufig in
den Gallen blattbewohnender Cynipiden und Dipteren finden."
Es ist also gewiss, dass das Vermögen, diese z. B. dem Blatte
sonst fremden Zellenarten hervorzubringen, "nicht nur jenen
Organen eigen ist, welche sie im normalen Laufe entwickeln,
sondern" auch gewissen Zellen des Blattes, de Vries meint
sogar, "wohl allen übrigen Theilen der Pflanze".

Dies könnte uns nicht besonders überraschen, wenn wir

1) Adler, "Beiträge zur Naturgeschichte der Cynipiden", Deutsche
entomolog. Zeitschr. XXI, 1877, p. 209, u. "Über den Generationswechsel
der Eichengallwespen" in der Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. XXXV, 1888,
p. 151.
2) M. W. Beyerinck, "Beobachtungen über die ersten Entwicke-
lungsphasen einiger Cynipidengallen". Veröffentlicht durch die k. Aka-
demie d. Wiss. zu Amsterdam, 1882.
Derselbe, "Die Galle von Cecidomyia Poae", in Bot. Zeit. 1885.
Derselbe, "Über des Cecidium von Nematus Capreae", Bot. Zeit.
1888, No. 1.

bereit, aktiv zu werden, sobald der geeignete Reiz auf sie ein-
wirkt. Diesen Nachweis hält er dann weiter für unvereinbar
mit der Annahme eines Keimplasma’s und einer Continuität
desselben.

Gewiss unterliegt es keinem Zweifel, dass die Gallen ein
höchst interessantes Problem sind, aber eben so gewiss scheint
es wenigstens mir, dass dieses Problem noch nicht völlig gelöst
ist, trotz der mehrfachen und ganz vortrefflichen Untersuchungen,
welche die letzten Decennien gebracht haben und unter welchen
diejenigen von Adler1) und von Beyerinck2) unsere Einsicht
ganz besonders gefördert haben.

Der Punkt, der hier im Vordergrund steht, ist die That-
sache, dass die Gallen keineswegs immer nur aus denjenigen
Zellenarten bestehen, welche in den Organen der Pflanze vor-
kommen, auf welchen sie wachsen, sondern dass sie häufig auch
andere Zellenarten enthalten. „Zellen, welche die Pflanze sonst
nur in der Rinde ihres Stammes bildet, kann man häufig in
den Gallen blattbewohnender Cynipiden und Dipteren finden.“
Es ist also gewiss, dass das Vermögen, diese z. B. dem Blatte
sonst fremden Zellenarten hervorzubringen, „nicht nur jenen
Organen eigen ist, welche sie im normalen Laufe entwickeln,
sondern“ auch gewissen Zellen des Blattes, de Vries meint
sogar, „wohl allen übrigen Theilen der Pflanze“.

Dies könnte uns nicht besonders überraschen, wenn wir

1) Adler, „Beiträge zur Naturgeschichte der Cynipiden“, Deutsche
entomolog. Zeitschr. XXI, 1877, p. 209, u. „Über den Generationswechsel
der Eichengallwespen“ in der Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. XXXV, 1888,
p. 151.
2) M. W. Beyerinck, „Beobachtungen über die ersten Entwicke-
lungsphasen einiger Cynipidengallen“. Veröffentlicht durch die k. Aka-
demie d. Wiss. zu Amsterdam, 1882.
Derselbe, „Die Galle von Cecidomyia Poae“, in Bot. Zeit. 1885.
Derselbe, „Über des Cecidium von Nematus Capreae“, Bot. Zeit.
1888, No. 1.
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[288/0312] bereit, aktiv zu werden, sobald der geeignete Reiz auf sie ein- wirkt. Diesen Nachweis hält er dann weiter für unvereinbar mit der Annahme eines Keimplasma’s und einer Continuität desselben. Gewiss unterliegt es keinem Zweifel, dass die Gallen ein höchst interessantes Problem sind, aber eben so gewiss scheint es wenigstens mir, dass dieses Problem noch nicht völlig gelöst ist, trotz der mehrfachen und ganz vortrefflichen Untersuchungen, welche die letzten Decennien gebracht haben und unter welchen diejenigen von Adler 1) und von Beyerinck 2) unsere Einsicht ganz besonders gefördert haben. Der Punkt, der hier im Vordergrund steht, ist die That- sache, dass die Gallen keineswegs immer nur aus denjenigen Zellenarten bestehen, welche in den Organen der Pflanze vor- kommen, auf welchen sie wachsen, sondern dass sie häufig auch andere Zellenarten enthalten. „Zellen, welche die Pflanze sonst nur in der Rinde ihres Stammes bildet, kann man häufig in den Gallen blattbewohnender Cynipiden und Dipteren finden.“ Es ist also gewiss, dass das Vermögen, diese z. B. dem Blatte sonst fremden Zellenarten hervorzubringen, „nicht nur jenen Organen eigen ist, welche sie im normalen Laufe entwickeln, sondern“ auch gewissen Zellen des Blattes, de Vries meint sogar, „wohl allen übrigen Theilen der Pflanze“. Dies könnte uns nicht besonders überraschen, wenn wir 1) Adler, „Beiträge zur Naturgeschichte der Cynipiden“, Deutsche entomolog. Zeitschr. XXI, 1877, p. 209, u. „Über den Generationswechsel der Eichengallwespen“ in der Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. XXXV, 1888, p. 151. 2) M. W. Beyerinck, „Beobachtungen über die ersten Entwicke- lungsphasen einiger Cynipidengallen“. Veröffentlicht durch die k. Aka- demie d. Wiss. zu Amsterdam, 1882. Derselbe, „Die Galle von Cecidomyia Poae“, in Bot. Zeit. 1885. Derselbe, „Über des Cecidium von Nematus Capreae“, Bot. Zeit. 1888, No. 1.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/312>, abgerufen am 22.11.2024.