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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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Idanten ist, welche die Verschiedenheit der Id-Combinationen her-
vorruft, oder ob auch regelmässig oder doch häufig Änderungen
in der Zusammensetzung der Idanten aus Iden eintritt. Für
jetzt muss es genügen, zu wissen, dass die Keimzellen eines
Individuums sehr viele verschiedene Combinationen
von Iden enthalten, und dass bei mehrmaliger Amphi-
mixis der Keimzellen derselben Eltern wohl niemals
ganz die gleichen Combinationen zusammentreffen
.
Daraus ergiebt sich die stets wechselnde Combination elterlicher
und vorelterlicher Eigenschaften, wie sie das Charakteristische
der amphigonen Vererbung ist.

Dieser Satz wird auch für die Pflanzen allgemeine Gültig-
keit besitzen. So viel wenigstens ist bis heute festgestellt, dass
auch in ihren Keimzellen eine Reduction der Idanten auf die
Hälfte stattfindet. Bei Lilium Martagon enthalten nach den
Untersuchungen von Guignard1) die somatischen Zellen wie

1) L. Guignard in Compt. rend. vom 11. Mai 1891 und von Dem-
selben
, "Nouv. etudes sur la fecondation". Ann. scienc. nat. Bot. Vol.
XIV, 1891, p. 163.
Es ist hier nicht der Ort, im Einzelnen auf die höchst werthvollen
Untersuchungen Guignard's einzugehen. Sie haben nicht nur den Nach-
weis gebracht, dass auch bei den Pflanzen die fertigen Keimzellen nur halb
so viel Idanten enthalten, als die somatischen Zellen, und dass erst durch
die Vereinigung des männlichen und weiblichen Kernes die Normalziffer
der Idanten wieder zu Stande kommt, sondern sie haben auch die Con-
tinuität der Centrosomen von einer Generation auf die andere nach-
gewiesen. Wenn ich aber trotz der offenbar vollkommenen Genauigkeit
der Beobachtungen daran zweifle, dass die Reduction der Idantenziffer
ohne Kerntheilung erfolge, wie Guignard angiebt, so bestimmt
mich dazu nicht nur die Analogie mit den Thieren, sondern ich möchte
auch glauben, dass eine Lücke in den sonst ausgezeichneten Beobach-
tungen gerade an dieser Stelle möglich, ja wahrscheinlich ist. Bei der
Bildung der männlichen Keimzellen dürfte eine Reductionstheilung
zwischen den "cellules meres primordiales" und den "cellules meres de-
finitives" liegen, bei der Bildung der weiblichen Keimzelle aber wird sie
in der Theilung liegen, welche die "cellule mere du sac embryonnaire"

Idanten ist, welche die Verschiedenheit der Id-Combinationen her-
vorruft, oder ob auch regelmässig oder doch häufig Änderungen
in der Zusammensetzung der Idanten aus Iden eintritt. Für
jetzt muss es genügen, zu wissen, dass die Keimzellen eines
Individuums sehr viele verschiedene Combinationen
von Iden enthalten, und dass bei mehrmaliger Amphi-
mixis der Keimzellen derselben Eltern wohl niemals
ganz die gleichen Combinationen zusammentreffen
.
Daraus ergiebt sich die stets wechselnde Combination elterlicher
und vorelterlicher Eigenschaften, wie sie das Charakteristische
der amphigonen Vererbung ist.

Dieser Satz wird auch für die Pflanzen allgemeine Gültig-
keit besitzen. So viel wenigstens ist bis heute festgestellt, dass
auch in ihren Keimzellen eine Reduction der Idanten auf die
Hälfte stattfindet. Bei Lilium Martagon enthalten nach den
Untersuchungen von Guignard1) die somatischen Zellen wie

1) L. Guignard in Compt. rend. vom 11. Mai 1891 und von Dem-
selben
, „Nouv. études sur la fécondation“. Ann. scienc. nat. Bot. Vol.
XIV, 1891, p. 163.
Es ist hier nicht der Ort, im Einzelnen auf die höchst werthvollen
Untersuchungen Guignard’s einzugehen. Sie haben nicht nur den Nach-
weis gebracht, dass auch bei den Pflanzen die fertigen Keimzellen nur halb
so viel Idanten enthalten, als die somatischen Zellen, und dass erst durch
die Vereinigung des männlichen und weiblichen Kernes die Normalziffer
der Idanten wieder zu Stande kommt, sondern sie haben auch die Con-
tinuität der Centrosomen von einer Generation auf die andere nach-
gewiesen. Wenn ich aber trotz der offenbar vollkommenen Genauigkeit
der Beobachtungen daran zweifle, dass die Reduction der Idantenziffer
ohne Kerntheilung erfolge, wie Guignard angiebt, so bestimmt
mich dazu nicht nur die Analogie mit den Thieren, sondern ich möchte
auch glauben, dass eine Lücke in den sonst ausgezeichneten Beobach-
tungen gerade an dieser Stelle möglich, ja wahrscheinlich ist. Bei der
Bildung der männlichen Keimzellen dürfte eine Reductionstheilung
zwischen den „cellules mères primordiales“ und den „cellules mères dé-
finitives“ liegen, bei der Bildung der weiblichen Keimzelle aber wird sie
in der Theilung liegen, welche die „cellule mère du sac embryonnaire“
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[328/0352] Idanten ist, welche die Verschiedenheit der Id-Combinationen her- vorruft, oder ob auch regelmässig oder doch häufig Änderungen in der Zusammensetzung der Idanten aus Iden eintritt. Für jetzt muss es genügen, zu wissen, dass die Keimzellen eines Individuums sehr viele verschiedene Combinationen von Iden enthalten, und dass bei mehrmaliger Amphi- mixis der Keimzellen derselben Eltern wohl niemals ganz die gleichen Combinationen zusammentreffen. Daraus ergiebt sich die stets wechselnde Combination elterlicher und vorelterlicher Eigenschaften, wie sie das Charakteristische der amphigonen Vererbung ist. Dieser Satz wird auch für die Pflanzen allgemeine Gültig- keit besitzen. So viel wenigstens ist bis heute festgestellt, dass auch in ihren Keimzellen eine Reduction der Idanten auf die Hälfte stattfindet. Bei Lilium Martagon enthalten nach den Untersuchungen von Guignard 1) die somatischen Zellen wie 1) L. Guignard in Compt. rend. vom 11. Mai 1891 und von Dem- selben, „Nouv. études sur la fécondation“. Ann. scienc. nat. Bot. Vol. XIV, 1891, p. 163. Es ist hier nicht der Ort, im Einzelnen auf die höchst werthvollen Untersuchungen Guignard’s einzugehen. Sie haben nicht nur den Nach- weis gebracht, dass auch bei den Pflanzen die fertigen Keimzellen nur halb so viel Idanten enthalten, als die somatischen Zellen, und dass erst durch die Vereinigung des männlichen und weiblichen Kernes die Normalziffer der Idanten wieder zu Stande kommt, sondern sie haben auch die Con- tinuität der Centrosomen von einer Generation auf die andere nach- gewiesen. Wenn ich aber trotz der offenbar vollkommenen Genauigkeit der Beobachtungen daran zweifle, dass die Reduction der Idantenziffer ohne Kerntheilung erfolge, wie Guignard angiebt, so bestimmt mich dazu nicht nur die Analogie mit den Thieren, sondern ich möchte auch glauben, dass eine Lücke in den sonst ausgezeichneten Beobach- tungen gerade an dieser Stelle möglich, ja wahrscheinlich ist. Bei der Bildung der männlichen Keimzellen dürfte eine Reductionstheilung zwischen den „cellules mères primordiales“ und den „cellules mères dé- finitives“ liegen, bei der Bildung der weiblichen Keimzelle aber wird sie in der Theilung liegen, welche die „cellule mère du sac embryonnaire“

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/352>, abgerufen am 22.11.2024.