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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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auch die Mutterzellen von beiderlei Keimzellen 24 Idanten,
während die fertigen Keimzellen selbst deren nur 12 enthalten.
Wie diese Reduction erfolgt, ob durch einmalige Reductions-
theilung, oder wie bei den Thieren durch zweimalige mit vor-
gängiger Verdoppelung, ist bis jetzt nicht bekannt. Dass die
Reduction in der Mutterzelle selbst während ihrer Vorbereitung
zur Theilung erfolge, wie Guignard meint, halte ich aus
naheliegenden theoretischen Gründen für äusserst unwahrschein-
lich. Es ist aber sehr möglich, dass hier nur eine Reductions-
theilung vorkommt.

Für niedere Pflanzen liegen noch keine Angaben über diese
Verhältnisse vor, wahrscheinlich weil die Schwierigkeiten der
Untersuchung bei der Kleinheit der Idanten bisher unüberwind-
lich waren. Soviel konnte aber wenigstens festgestellt werden,
dass bei vielen Meeresalgen (Fucoideen) die Bildung der Eizellen
von der Bildung von "Richtungskörpern" begleitet ist, die sich
hier mit aller Sicherheit als das nachweisen liessen, wofür sie
auch von mir und anderen Zoologen nach dem Vorgang von
Bütschli und Giard schon lange genommen worden sind: für
verkümmerte, phyletisch rückgebildete Eizellen. Bei der Gattung
Fucus fehlen sie, und dort bilden sich aus dem Ur-Ei -- wenn
ich die Stammzelle des sog. Oogonium's oder Eierstockes so
nennen darf -- 8 Eier; bei der verwandten Tang-Art Asco-
phyllum nodosum entstehen aus dem Ur-Ei nur 4 Eier, aber

entstehen lässt. In beiden Fällen wird ein Übersehen der Reductions-
theilung auch dem besten Beobachter passiren können, wenn seine Auf-
merksamkeit nicht speciell auf diesen Punkt gerichtet ist. Wozu wäre
denn die Reductionstheilung bei den Thieren eingerichtet, wenn die
Reduction auch ohne Kerntheilung erfolgen und denselben Erfolg erzielen
könnte? Unter all den zahlreichen Beobachtungen über Karyokinese ist
sonst keine, welche die Ansicht stützte, dass das einheitliche (?) Chromatin-
band des Knäuelstadiums sich auch in blos halb so viel Idanten zerlegen
könne, als in dem Kern vorher anwesend waren.

auch die Mutterzellen von beiderlei Keimzellen 24 Idanten,
während die fertigen Keimzellen selbst deren nur 12 enthalten.
Wie diese Reduction erfolgt, ob durch einmalige Reductions-
theilung, oder wie bei den Thieren durch zweimalige mit vor-
gängiger Verdoppelung, ist bis jetzt nicht bekannt. Dass die
Reduction in der Mutterzelle selbst während ihrer Vorbereitung
zur Theilung erfolge, wie Guignard meint, halte ich aus
naheliegenden theoretischen Gründen für äusserst unwahrschein-
lich. Es ist aber sehr möglich, dass hier nur eine Reductions-
theilung vorkommt.

Für niedere Pflanzen liegen noch keine Angaben über diese
Verhältnisse vor, wahrscheinlich weil die Schwierigkeiten der
Untersuchung bei der Kleinheit der Idanten bisher unüberwind-
lich waren. Soviel konnte aber wenigstens festgestellt werden,
dass bei vielen Meeresalgen (Fucoideen) die Bildung der Eizellen
von der Bildung von „Richtungskörpern“ begleitet ist, die sich
hier mit aller Sicherheit als das nachweisen liessen, wofür sie
auch von mir und anderen Zoologen nach dem Vorgang von
Bütschli und Giard schon lange genommen worden sind: für
verkümmerte, phyletisch rückgebildete Eizellen. Bei der Gattung
Fucus fehlen sie, und dort bilden sich aus dem Ur-Ei — wenn
ich die Stammzelle des sog. Oogonium’s oder Eierstockes so
nennen darf — 8 Eier; bei der verwandten Tang-Art Asco-
phyllum nodosum entstehen aus dem Ur-Ei nur 4 Eier, aber

entstehen lässt. In beiden Fällen wird ein Übersehen der Reductions-
theilung auch dem besten Beobachter passiren können, wenn seine Auf-
merksamkeit nicht speciell auf diesen Punkt gerichtet ist. Wozu wäre
denn die Reductionstheilung bei den Thieren eingerichtet, wenn die
Reduction auch ohne Kerntheilung erfolgen und denselben Erfolg erzielen
könnte? Unter all den zahlreichen Beobachtungen über Karyokinese ist
sonst keine, welche die Ansicht stützte, dass das einheitliche (?) Chromatin-
band des Knäuelstadiums sich auch in blos halb so viel Idanten zerlegen
könne, als in dem Kern vorher anwesend waren.
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[329/0353] auch die Mutterzellen von beiderlei Keimzellen 24 Idanten, während die fertigen Keimzellen selbst deren nur 12 enthalten. Wie diese Reduction erfolgt, ob durch einmalige Reductions- theilung, oder wie bei den Thieren durch zweimalige mit vor- gängiger Verdoppelung, ist bis jetzt nicht bekannt. Dass die Reduction in der Mutterzelle selbst während ihrer Vorbereitung zur Theilung erfolge, wie Guignard meint, halte ich aus naheliegenden theoretischen Gründen für äusserst unwahrschein- lich. Es ist aber sehr möglich, dass hier nur eine Reductions- theilung vorkommt. Für niedere Pflanzen liegen noch keine Angaben über diese Verhältnisse vor, wahrscheinlich weil die Schwierigkeiten der Untersuchung bei der Kleinheit der Idanten bisher unüberwind- lich waren. Soviel konnte aber wenigstens festgestellt werden, dass bei vielen Meeresalgen (Fucoideen) die Bildung der Eizellen von der Bildung von „Richtungskörpern“ begleitet ist, die sich hier mit aller Sicherheit als das nachweisen liessen, wofür sie auch von mir und anderen Zoologen nach dem Vorgang von Bütschli und Giard schon lange genommen worden sind: für verkümmerte, phyletisch rückgebildete Eizellen. Bei der Gattung Fucus fehlen sie, und dort bilden sich aus dem Ur-Ei — wenn ich die Stammzelle des sog. Oogonium’s oder Eierstockes so nennen darf — 8 Eier; bei der verwandten Tang-Art Asco- phyllum nodosum entstehen aus dem Ur-Ei nur 4 Eier, aber 1) 1) entstehen lässt. In beiden Fällen wird ein Übersehen der Reductions- theilung auch dem besten Beobachter passiren können, wenn seine Auf- merksamkeit nicht speciell auf diesen Punkt gerichtet ist. Wozu wäre denn die Reductionstheilung bei den Thieren eingerichtet, wenn die Reduction auch ohne Kerntheilung erfolgen und denselben Erfolg erzielen könnte? Unter all den zahlreichen Beobachtungen über Karyokinese ist sonst keine, welche die Ansicht stützte, dass das einheitliche (?) Chromatin- band des Knäuelstadiums sich auch in blos halb so viel Idanten zerlegen könne, als in dem Kern vorher anwesend waren.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/353>, abgerufen am 22.11.2024.