Reductionstheilung alle diejenigen Idanten in eine Keimzelle, z. B. in eine der Mutter, gelangen, welche bei der Onto- genese dieser Mutter die bestimmenden (domi- nirenden) gewesen waren, diese Keimzelle unter Um- ständen im Stande sein wird, das mütterliche "Bild"1) im Kinde wieder hervortreten zu lassen. Damit dies aber geschehen könne, wird es nöthig sein, dass sie sich mit einer Samenzelle verbindet, deren Keimplasma im Allgemeinen von schwächerer bestimmen- der Kraft ist, als ihr eigenes, über welches sie also selbst wieder "dominirt".
Die bestimmende Kraft des Idioplasma's wird hier, wie bei der Kreuzung von Arten nicht immer von derselben Ur- sache abhängig sein.
Gewisse Fälle stärkerer Vererbungskraft einzelner Charak- tere lassen ein tieferes Eindringen nicht zu. So hebt schon Darwin die weisse Farbe bei Blumen, aber auch bei Thieren als eine Eigenschaft hervor, die sich sehr leicht auf die Nach- kommen überträgt, wenn weisse Individuen mit dunkel ge- färbten gekreuzt werden; die Mehrzahl der Nachkommen erbt die weisse Farbe. Man kann hier nur annehmen, dass die Bio- phoren, deren Herrschaft in der Zelle das Weiss hervorruft, "stärker" sein müssen, als andere, die Bildung von Pigment veranlassende Determinanten, und zwar wird man diese "Stärke" in einer grösseren Assimilationskraft suchen müssen.
Anders steht es in vielen andern Fällen, in denen sich die grössere Vererbungskraft auf quantitative Unterschiede in der Zusammensetzung der väterlichen und der mütterlichen Idanten-Gruppe beziehen lässt.
Allerdings wird die Zahl der Ide bei allen Individuen der
1) Unter dem Ausdruck "Bild" verstehe ich die Gesammtheit wesentlicher Merkmale, welche zusammen das Individuelle des einzelnen Menschen ausmachen.
Reductionstheilung alle diejenigen Idanten in eine Keimzelle, z. B. in eine der Mutter, gelangen, welche bei der Onto- genese dieser Mutter die bestimmenden (domi- nirenden) gewesen waren, diese Keimzelle unter Um- ständen im Stande sein wird, das mütterliche „Bild“1) im Kinde wieder hervortreten zu lassen. Damit dies aber geschehen könne, wird es nöthig sein, dass sie sich mit einer Samenzelle verbindet, deren Keimplasma im Allgemeinen von schwächerer bestimmen- der Kraft ist, als ihr eigenes, über welches sie also selbst wieder „dominirt“.
Die bestimmende Kraft des Idioplasma’s wird hier, wie bei der Kreuzung von Arten nicht immer von derselben Ur- sache abhängig sein.
Gewisse Fälle stärkerer Vererbungskraft einzelner Charak- tere lassen ein tieferes Eindringen nicht zu. So hebt schon Darwin die weisse Farbe bei Blumen, aber auch bei Thieren als eine Eigenschaft hervor, die sich sehr leicht auf die Nach- kommen überträgt, wenn weisse Individuen mit dunkel ge- färbten gekreuzt werden; die Mehrzahl der Nachkommen erbt die weisse Farbe. Man kann hier nur annehmen, dass die Bio- phoren, deren Herrschaft in der Zelle das Weiss hervorruft, „stärker“ sein müssen, als andere, die Bildung von Pigment veranlassende Determinanten, und zwar wird man diese „Stärke“ in einer grösseren Assimilationskraft suchen müssen.
Anders steht es in vielen andern Fällen, in denen sich die grössere Vererbungskraft auf quantitative Unterschiede in der Zusammensetzung der väterlichen und der mütterlichen Idanten-Gruppe beziehen lässt.
Allerdings wird die Zahl der Ide bei allen Individuen der
1) Unter dem Ausdruck „Bild“ verstehe ich die Gesammtheit wesentlicher Merkmale, welche zusammen das Individuelle des einzelnen Menschen ausmachen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0387"n="363"/>
Reductionstheilung alle diejenigen Idanten in <hirendition="#g">eine</hi> Keimzelle,<lb/>
z. B. in eine der Mutter, gelangen, <hirendition="#g">welche bei der Onto-<lb/>
genese dieser Mutter die bestimmenden (domi-<lb/>
nirenden) gewesen waren</hi>, diese Keimzelle unter Um-<lb/>
ständen im Stande sein wird, das mütterliche „Bild“<noteplace="foot"n="1)">Unter dem Ausdruck „<hirendition="#g">Bild</hi>“ verstehe ich die Gesammtheit<lb/>
wesentlicher Merkmale, welche zusammen das Individuelle des einzelnen<lb/>
Menschen ausmachen.</note> im Kinde<lb/>
wieder hervortreten zu lassen. Damit dies aber geschehen könne,<lb/>
wird es nöthig sein, dass sie sich mit einer Samenzelle verbindet,<lb/>
deren Keimplasma im Allgemeinen von schwächerer bestimmen-<lb/>
der Kraft ist, als ihr eigenes, über welches sie also selbst<lb/>
wieder „dominirt“.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">bestimmende Kraft</hi> des Idioplasma’s wird hier, wie<lb/>
bei der Kreuzung von Arten nicht immer von derselben Ur-<lb/>
sache abhängig sein.</p><lb/><p>Gewisse Fälle stärkerer Vererbungskraft einzelner Charak-<lb/>
tere lassen ein tieferes Eindringen nicht zu. So hebt schon<lb/><hirendition="#g">Darwin</hi> die <hirendition="#g">weisse</hi> Farbe bei Blumen, aber auch bei Thieren<lb/>
als eine Eigenschaft hervor, die sich sehr leicht auf die Nach-<lb/>
kommen überträgt, wenn weisse Individuen mit dunkel ge-<lb/>
färbten gekreuzt werden; die Mehrzahl der Nachkommen erbt<lb/>
die weisse Farbe. Man kann hier nur annehmen, dass die Bio-<lb/>
phoren, deren Herrschaft in der Zelle das Weiss hervorruft,<lb/>„stärker“ sein müssen, als andere, die Bildung von Pigment<lb/>
veranlassende Determinanten, und zwar wird man diese „Stärke“<lb/>
in einer grösseren Assimilationskraft suchen müssen.</p><lb/><p>Anders steht es in vielen andern Fällen, in denen sich die<lb/>
grössere Vererbungskraft auf <hirendition="#g">quantitative</hi> Unterschiede in<lb/>
der Zusammensetzung der väterlichen und der mütterlichen<lb/>
Idanten-Gruppe beziehen lässt.</p><lb/><p>Allerdings wird die Zahl der Ide bei allen Individuen der<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[363/0387]
Reductionstheilung alle diejenigen Idanten in eine Keimzelle,
z. B. in eine der Mutter, gelangen, welche bei der Onto-
genese dieser Mutter die bestimmenden (domi-
nirenden) gewesen waren, diese Keimzelle unter Um-
ständen im Stande sein wird, das mütterliche „Bild“ 1) im Kinde
wieder hervortreten zu lassen. Damit dies aber geschehen könne,
wird es nöthig sein, dass sie sich mit einer Samenzelle verbindet,
deren Keimplasma im Allgemeinen von schwächerer bestimmen-
der Kraft ist, als ihr eigenes, über welches sie also selbst
wieder „dominirt“.
Die bestimmende Kraft des Idioplasma’s wird hier, wie
bei der Kreuzung von Arten nicht immer von derselben Ur-
sache abhängig sein.
Gewisse Fälle stärkerer Vererbungskraft einzelner Charak-
tere lassen ein tieferes Eindringen nicht zu. So hebt schon
Darwin die weisse Farbe bei Blumen, aber auch bei Thieren
als eine Eigenschaft hervor, die sich sehr leicht auf die Nach-
kommen überträgt, wenn weisse Individuen mit dunkel ge-
färbten gekreuzt werden; die Mehrzahl der Nachkommen erbt
die weisse Farbe. Man kann hier nur annehmen, dass die Bio-
phoren, deren Herrschaft in der Zelle das Weiss hervorruft,
„stärker“ sein müssen, als andere, die Bildung von Pigment
veranlassende Determinanten, und zwar wird man diese „Stärke“
in einer grösseren Assimilationskraft suchen müssen.
Anders steht es in vielen andern Fällen, in denen sich die
grössere Vererbungskraft auf quantitative Unterschiede in
der Zusammensetzung der väterlichen und der mütterlichen
Idanten-Gruppe beziehen lässt.
Allerdings wird die Zahl der Ide bei allen Individuen der
1) Unter dem Ausdruck „Bild“ verstehe ich die Gesammtheit
wesentlicher Merkmale, welche zusammen das Individuelle des einzelnen
Menschen ausmachen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/387>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.