falls verändert zu werden brauchten. Die "Eigenschaften" sind aber auch "fast in jedem Verhältniss mit einander mischbar", wie besonders die Versuche über Bastardirung und Kreuzung lehren sollen; "nirgendwo tritt so klar wie hier das Bild der Art gegenüber seiner Zusammensetzung aus selbständigen Fak- toren in den Hintergrund". Die Eigenschaften, oder vielmehr ihr materielles Substrat, sind also selbständig und fast beliebig mischbar.
Die Träger nun dieser die Art zusammensetzenden "Eigen- schaften" sind eben jene "Pangene", jene kleinsten Lebens-Ein- heiten, welche de Vries an Stelle der Darwin'schen "Zellen- keimchen" setzt.
Der Grundgedanke der ganzen Deduction ist gewiss voll- kommen richtig; als ich vor einem Jahrzehnt zuerst anfing, mich in das Problem der Vererbung zu vertiefen, glaubte ich noch an die Möglichkeit einer epigenetischen Theorie, habe sie aber auch längst als unmöglich erkannt, wie man im Verlauf dieses Buches sehen wird. Auch ich denke mir die Vererbungs- substanz aus "Anlagen" zusammengesetzt und glaube sogar, diese Annahme als unvermeidlich und als eine völlig gesicherte nachweisen zu können. Aber ich meine nicht, dass wir mit "Pangenen" ausreichen zur Erklärung der Vererbungserschei- nungen. De Vries lässt die Keimsubstanz aus einer Menge verschiedener Arten von Pangenen bestehen, von denen so viele vorhanden sein müssen, als "Eigenschaften" bei der Art vor- kommen. Diese Pangene denkt sich nun de Vries nicht in festem geordneten Verband, sondern frei mischbar, wie es der angenommenen "freien Mischbarkeit der Eigenschaften" entspricht. Höhere Einheiten, die etwa eine bestimmte Zahl Pangene ge- ordnet zusammenhielten, bekämpft er als eine überflüssige An- nahme und darin scheint mir der schwache Punkt seiner Auf- stellungen zu liegen.
falls verändert zu werden brauchten. Die „Eigenschaften“ sind aber auch „fast in jedem Verhältniss mit einander mischbar“, wie besonders die Versuche über Bastardirung und Kreuzung lehren sollen; „nirgendwo tritt so klar wie hier das Bild der Art gegenüber seiner Zusammensetzung aus selbständigen Fak- toren in den Hintergrund“. Die Eigenschaften, oder vielmehr ihr materielles Substrat, sind also selbständig und fast beliebig mischbar.
Die Träger nun dieser die Art zusammensetzenden „Eigen- schaften“ sind eben jene „Pangene“, jene kleinsten Lebens-Ein- heiten, welche de Vries an Stelle der Darwin’schen „Zellen- keimchen“ setzt.
Der Grundgedanke der ganzen Deduction ist gewiss voll- kommen richtig; als ich vor einem Jahrzehnt zuerst anfing, mich in das Problem der Vererbung zu vertiefen, glaubte ich noch an die Möglichkeit einer epigenetischen Theorie, habe sie aber auch längst als unmöglich erkannt, wie man im Verlauf dieses Buches sehen wird. Auch ich denke mir die Vererbungs- substanz aus „Anlagen“ zusammengesetzt und glaube sogar, diese Annahme als unvermeidlich und als eine völlig gesicherte nachweisen zu können. Aber ich meine nicht, dass wir mit „Pangenen“ ausreichen zur Erklärung der Vererbungserschei- nungen. De Vries lässt die Keimsubstanz aus einer Menge verschiedener Arten von Pangenen bestehen, von denen so viele vorhanden sein müssen, als „Eigenschaften“ bei der Art vor- kommen. Diese Pangene denkt sich nun de Vries nicht in festem geordneten Verband, sondern frei mischbar, wie es der angenommenen „freien Mischbarkeit der Eigenschaften“ entspricht. Höhere Einheiten, die etwa eine bestimmte Zahl Pangene ge- ordnet zusammenhielten, bekämpft er als eine überflüssige An- nahme und darin scheint mir der schwache Punkt seiner Auf- stellungen zu liegen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0045"n="21"/>
falls verändert zu werden brauchten. Die „Eigenschaften“ sind<lb/>
aber auch „fast in jedem Verhältniss mit einander mischbar“,<lb/>
wie besonders die Versuche über Bastardirung und Kreuzung<lb/>
lehren sollen; „nirgendwo tritt so klar wie hier das Bild der<lb/>
Art gegenüber seiner Zusammensetzung aus selbständigen Fak-<lb/>
toren in den Hintergrund“. Die Eigenschaften, oder vielmehr<lb/>
ihr materielles Substrat, sind also selbständig und fast beliebig<lb/>
mischbar.</p><lb/><p>Die Träger nun dieser die Art zusammensetzenden „Eigen-<lb/>
schaften“ sind eben jene „Pangene“, jene kleinsten Lebens-Ein-<lb/>
heiten, welche <hirendition="#g">de Vries</hi> an Stelle der <hirendition="#g">Darwin’</hi>schen „Zellen-<lb/>
keimchen“ setzt.</p><lb/><p>Der Grundgedanke der ganzen Deduction ist gewiss voll-<lb/>
kommen richtig; als ich vor einem Jahrzehnt zuerst anfing,<lb/>
mich in das Problem der Vererbung zu vertiefen, glaubte ich<lb/>
noch an die Möglichkeit einer epigenetischen Theorie, habe sie<lb/>
aber auch längst als unmöglich erkannt, wie man im Verlauf<lb/>
dieses Buches sehen wird. Auch ich denke mir die Vererbungs-<lb/>
substanz aus „Anlagen“ zusammengesetzt und glaube sogar,<lb/>
diese Annahme als unvermeidlich und als eine völlig gesicherte<lb/>
nachweisen zu können. Aber ich meine nicht, dass wir mit<lb/>„Pangenen“ ausreichen zur Erklärung der Vererbungserschei-<lb/>
nungen. <hirendition="#g">De Vries</hi> lässt die Keimsubstanz aus einer Menge<lb/>
verschiedener Arten von Pangenen bestehen, von denen so viele<lb/>
vorhanden sein müssen, als „Eigenschaften“ bei der Art vor-<lb/>
kommen. Diese Pangene denkt sich nun <hirendition="#g">de Vries</hi> nicht in<lb/>
festem geordneten Verband, sondern frei mischbar, wie es der<lb/>
angenommenen „freien Mischbarkeit der Eigenschaften“ entspricht.<lb/><hirendition="#g">Höhere</hi> Einheiten, die etwa eine bestimmte Zahl Pangene ge-<lb/>
ordnet zusammenhielten, bekämpft er als eine überflüssige An-<lb/>
nahme und darin scheint mir der schwache Punkt seiner Auf-<lb/>
stellungen zu liegen.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[21/0045]
falls verändert zu werden brauchten. Die „Eigenschaften“ sind
aber auch „fast in jedem Verhältniss mit einander mischbar“,
wie besonders die Versuche über Bastardirung und Kreuzung
lehren sollen; „nirgendwo tritt so klar wie hier das Bild der
Art gegenüber seiner Zusammensetzung aus selbständigen Fak-
toren in den Hintergrund“. Die Eigenschaften, oder vielmehr
ihr materielles Substrat, sind also selbständig und fast beliebig
mischbar.
Die Träger nun dieser die Art zusammensetzenden „Eigen-
schaften“ sind eben jene „Pangene“, jene kleinsten Lebens-Ein-
heiten, welche de Vries an Stelle der Darwin’schen „Zellen-
keimchen“ setzt.
Der Grundgedanke der ganzen Deduction ist gewiss voll-
kommen richtig; als ich vor einem Jahrzehnt zuerst anfing,
mich in das Problem der Vererbung zu vertiefen, glaubte ich
noch an die Möglichkeit einer epigenetischen Theorie, habe sie
aber auch längst als unmöglich erkannt, wie man im Verlauf
dieses Buches sehen wird. Auch ich denke mir die Vererbungs-
substanz aus „Anlagen“ zusammengesetzt und glaube sogar,
diese Annahme als unvermeidlich und als eine völlig gesicherte
nachweisen zu können. Aber ich meine nicht, dass wir mit
„Pangenen“ ausreichen zur Erklärung der Vererbungserschei-
nungen. De Vries lässt die Keimsubstanz aus einer Menge
verschiedener Arten von Pangenen bestehen, von denen so viele
vorhanden sein müssen, als „Eigenschaften“ bei der Art vor-
kommen. Diese Pangene denkt sich nun de Vries nicht in
festem geordneten Verband, sondern frei mischbar, wie es der
angenommenen „freien Mischbarkeit der Eigenschaften“ entspricht.
Höhere Einheiten, die etwa eine bestimmte Zahl Pangene ge-
ordnet zusammenhielten, bekämpft er als eine überflüssige An-
nahme und darin scheint mir der schwache Punkt seiner Auf-
stellungen zu liegen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/45>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.