In dem Abschnitt über die Beherrschung der Zelle durch die Kernsubstanz werde ich mich dem -- wie ich glaube -- sehr glücklichen Gedanken von de Vries anschliessen, nach welchem materielle Theilchen aus dem Kern austreten und in den Bau des Zellkörpers eingreifen. Diese Theilchen entsprechen den "Pangenen", sie sind die "Eigenschaftsträger" der Zelle; durch ihre Natur, durch ihre verschiedenen Arten und durch die Verhältnisszahl derselben wird auch nach meiner Ansicht der Zelle ihr specifischer Stempel aufgedrückt.
Aber beruht denn der Charakter einer Art blos auf diesen primären "Eigenschaften" der Zellen? Giebt es nicht "Eigen- schaften" sehr verschiedner Ordnung? primäre, sekundäre u. s. w.? Die "Pangene" sind primäre Eigenschaftsträger, ihre blosse Anwesenheit in der Vererbungssubstanz sagt noch gar Nichts oder doch sehr Wenig über den Charakter einer Art aus. Wenn z. B. in der Eizelle einer Pflanze "Chlorophyll-Pangene" ent- halten sind, so können wir daraus keinen weiteren Schluss auf ihre Artcharaktere machen, als dass sie irgend welche grüne Zellen besitzen wird; wo dieselben liegen, welche Theile der Pflanze grün, welche etwa "panaschirt" sein werden, ob grüne, ob weisse oder anderswie gefärbte Blüthen an ihr entstehen werden, lässt sich daraus nicht entnehmen. Erst wenn wir in der Keimsubstanz Gruppen von Pangenen entdeckten, von welchen die einen für Blätter, die andern für Blüthen bestimmt wären, könnten wir sagen, ob die Letzteren grün oder anders- wie ausfallen werden.
De Vries erwähnt einmal die Zebrastreifung. Wie soll ein Charakter, wie dieser vererbbar sein, wenn im Keim blos verschiedene Arten von Pangenen lose nebeneinander liegen, ohne zu festen und als solche vererbbaren Gruppen ver- bunden zu sein? Zebrapangene kann es nicht geben, weil die Zebrastreifung keine Zellen-Eigenschaft ist; es kann vielleicht
In dem Abschnitt über die Beherrschung der Zelle durch die Kernsubstanz werde ich mich dem — wie ich glaube — sehr glücklichen Gedanken von de Vries anschliessen, nach welchem materielle Theilchen aus dem Kern austreten und in den Bau des Zellkörpers eingreifen. Diese Theilchen entsprechen den „Pangenen“, sie sind die „Eigenschaftsträger“ der Zelle; durch ihre Natur, durch ihre verschiedenen Arten und durch die Verhältnisszahl derselben wird auch nach meiner Ansicht der Zelle ihr specifischer Stempel aufgedrückt.
Aber beruht denn der Charakter einer Art blos auf diesen primären „Eigenschaften“ der Zellen? Giebt es nicht „Eigen- schaften“ sehr verschiedner Ordnung? primäre, sekundäre u. s. w.? Die „Pangene“ sind primäre Eigenschaftsträger, ihre blosse Anwesenheit in der Vererbungssubstanz sagt noch gar Nichts oder doch sehr Wenig über den Charakter einer Art aus. Wenn z. B. in der Eizelle einer Pflanze „Chlorophyll-Pangene“ ent- halten sind, so können wir daraus keinen weiteren Schluss auf ihre Artcharaktere machen, als dass sie irgend welche grüne Zellen besitzen wird; wo dieselben liegen, welche Theile der Pflanze grün, welche etwa „panaschirt“ sein werden, ob grüne, ob weisse oder anderswie gefärbte Blüthen an ihr entstehen werden, lässt sich daraus nicht entnehmen. Erst wenn wir in der Keimsubstanz Gruppen von Pangenen entdeckten, von welchen die einen für Blätter, die andern für Blüthen bestimmt wären, könnten wir sagen, ob die Letzteren grün oder anders- wie ausfallen werden.
De Vries erwähnt einmal die Zebrastreifung. Wie soll ein Charakter, wie dieser vererbbar sein, wenn im Keim blos verschiedene Arten von Pangenen lose nebeneinander liegen, ohne zu festen und als solche vererbbaren Gruppen ver- bunden zu sein? Zebrapangene kann es nicht geben, weil die Zebrastreifung keine Zellen-Eigenschaft ist; es kann vielleicht
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[22/0046]
In dem Abschnitt über die Beherrschung der Zelle durch
die Kernsubstanz werde ich mich dem — wie ich glaube —
sehr glücklichen Gedanken von de Vries anschliessen, nach
welchem materielle Theilchen aus dem Kern austreten und in
den Bau des Zellkörpers eingreifen. Diese Theilchen entsprechen
den „Pangenen“, sie sind die „Eigenschaftsträger“ der Zelle;
durch ihre Natur, durch ihre verschiedenen Arten und durch
die Verhältnisszahl derselben wird auch nach meiner Ansicht
der Zelle ihr specifischer Stempel aufgedrückt.
Aber beruht denn der Charakter einer Art blos auf diesen
primären „Eigenschaften“ der Zellen? Giebt es nicht „Eigen-
schaften“ sehr verschiedner Ordnung? primäre, sekundäre u. s. w.?
Die „Pangene“ sind primäre Eigenschaftsträger, ihre blosse
Anwesenheit in der Vererbungssubstanz sagt noch gar Nichts
oder doch sehr Wenig über den Charakter einer Art aus. Wenn
z. B. in der Eizelle einer Pflanze „Chlorophyll-Pangene“ ent-
halten sind, so können wir daraus keinen weiteren Schluss auf
ihre Artcharaktere machen, als dass sie irgend welche grüne
Zellen besitzen wird; wo dieselben liegen, welche Theile der
Pflanze grün, welche etwa „panaschirt“ sein werden, ob grüne,
ob weisse oder anderswie gefärbte Blüthen an ihr entstehen
werden, lässt sich daraus nicht entnehmen. Erst wenn wir in
der Keimsubstanz Gruppen von Pangenen entdeckten, von
welchen die einen für Blätter, die andern für Blüthen bestimmt
wären, könnten wir sagen, ob die Letzteren grün oder anders-
wie ausfallen werden.
De Vries erwähnt einmal die Zebrastreifung. Wie soll
ein Charakter, wie dieser vererbbar sein, wenn im Keim blos
verschiedene Arten von Pangenen lose nebeneinander liegen,
ohne zu festen und als solche vererbbaren Gruppen ver-
bunden zu sein? Zebrapangene kann es nicht geben, weil die
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/46>, abgerufen am 21.11.2024.
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