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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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dies darauf hin, dass der Gehalt an Stamm-Determinanten im
Keimplasma der Individuen ein sehr verschiedener ist, dass die-
selben im Keimplasma vielleicht auch ganz fehlen oder nur sehr
spärlich vertreten sein, aber auch in grösserer Anzahl vorhanden
sein können. Ist nun Letzteres der Fall, und treffen zwei
solcher Keimzellen bei der Befruchtung zusammen, so erfolgt
dieser partielle Rückschlag, und zwar um so stärker und aus-
gedehnter, je zahlreichere Ahnen-Determinanten überhaupt zu-
sammentreffen, und je zahlreicheren Körperstellen sie angehören.
Offenbar sind die Streifungs-Determinanten der Hinterbeine viel
weniger zahlreich im Gesammt-Keimplasma der heutigen beiden
Species enthalten, als die der Vorderbeine, wie denn ja auch
mehrere der heutigen wilden Pferde-Arten die Streifung vorn
beibehalten, hinten aber verloren haben. Alle Streifungs-De-
terminanten aber müssen in recht verschiedener Häufigkeit im
Keimplasma der verschiedenen Individuen von Pferd und Esel
vorhanden sein, denn -- wie schon gesagt wurde -- der Rück-
schlag erfolgt durchaus nicht immer, vielmehr in Italien, wo
eine sehr grosse Zahl von Maulthieren existirt, nach meinen
Erfahrungen doch immerhin selten, vielleicht ein oder zwei
Mal unter hundert Thieren. In den Vereinigten Staaten von
Nordamerika dagegen sollen nach Gosse unter zehn Maulthieren
neun die Streifung aufweisen.


Wenn ich zum Schluss auch einen Fall des Rückschlags
auf weit entfernte Vorfahren bei Pflanzen genauer analysire,
so geschieht es nicht, weil hier andere Erklärungs-Principien
in Frage kämen, sondern weil hier Versuche vorliegen, die
eine genauere Prüfung der Theorie möglich machen.

Ich wähle als Beispiel den Rückschlag unregelmässig,
d. h. unsymmetrisch gebauter Blumen auf regelmässig

dies darauf hin, dass der Gehalt an Stamm-Determinanten im
Keimplasma der Individuen ein sehr verschiedener ist, dass die-
selben im Keimplasma vielleicht auch ganz fehlen oder nur sehr
spärlich vertreten sein, aber auch in grösserer Anzahl vorhanden
sein können. Ist nun Letzteres der Fall, und treffen zwei
solcher Keimzellen bei der Befruchtung zusammen, so erfolgt
dieser partielle Rückschlag, und zwar um so stärker und aus-
gedehnter, je zahlreichere Ahnen-Determinanten überhaupt zu-
sammentreffen, und je zahlreicheren Körperstellen sie angehören.
Offenbar sind die Streifungs-Determinanten der Hinterbeine viel
weniger zahlreich im Gesammt-Keimplasma der heutigen beiden
Species enthalten, als die der Vorderbeine, wie denn ja auch
mehrere der heutigen wilden Pferde-Arten die Streifung vorn
beibehalten, hinten aber verloren haben. Alle Streifungs-De-
terminanten aber müssen in recht verschiedener Häufigkeit im
Keimplasma der verschiedenen Individuen von Pferd und Esel
vorhanden sein, denn — wie schon gesagt wurde — der Rück-
schlag erfolgt durchaus nicht immer, vielmehr in Italien, wo
eine sehr grosse Zahl von Maulthieren existirt, nach meinen
Erfahrungen doch immerhin selten, vielleicht ein oder zwei
Mal unter hundert Thieren. In den Vereinigten Staaten von
Nordamerika dagegen sollen nach Gosse unter zehn Maulthieren
neun die Streifung aufweisen.


Wenn ich zum Schluss auch einen Fall des Rückschlags
auf weit entfernte Vorfahren bei Pflanzen genauer analysire,
so geschieht es nicht, weil hier andere Erklärungs-Principien
in Frage kämen, sondern weil hier Versuche vorliegen, die
eine genauere Prüfung der Theorie möglich machen.

Ich wähle als Beispiel den Rückschlag unregelmässig,
d. h. unsymmetrisch gebauter Blumen auf regelmässig

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[432/0456] dies darauf hin, dass der Gehalt an Stamm-Determinanten im Keimplasma der Individuen ein sehr verschiedener ist, dass die- selben im Keimplasma vielleicht auch ganz fehlen oder nur sehr spärlich vertreten sein, aber auch in grösserer Anzahl vorhanden sein können. Ist nun Letzteres der Fall, und treffen zwei solcher Keimzellen bei der Befruchtung zusammen, so erfolgt dieser partielle Rückschlag, und zwar um so stärker und aus- gedehnter, je zahlreichere Ahnen-Determinanten überhaupt zu- sammentreffen, und je zahlreicheren Körperstellen sie angehören. Offenbar sind die Streifungs-Determinanten der Hinterbeine viel weniger zahlreich im Gesammt-Keimplasma der heutigen beiden Species enthalten, als die der Vorderbeine, wie denn ja auch mehrere der heutigen wilden Pferde-Arten die Streifung vorn beibehalten, hinten aber verloren haben. Alle Streifungs-De- terminanten aber müssen in recht verschiedener Häufigkeit im Keimplasma der verschiedenen Individuen von Pferd und Esel vorhanden sein, denn — wie schon gesagt wurde — der Rück- schlag erfolgt durchaus nicht immer, vielmehr in Italien, wo eine sehr grosse Zahl von Maulthieren existirt, nach meinen Erfahrungen doch immerhin selten, vielleicht ein oder zwei Mal unter hundert Thieren. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika dagegen sollen nach Gosse unter zehn Maulthieren neun die Streifung aufweisen. Wenn ich zum Schluss auch einen Fall des Rückschlags auf weit entfernte Vorfahren bei Pflanzen genauer analysire, so geschieht es nicht, weil hier andere Erklärungs-Principien in Frage kämen, sondern weil hier Versuche vorliegen, die eine genauere Prüfung der Theorie möglich machen. Ich wähle als Beispiel den Rückschlag unregelmässig, d. h. unsymmetrisch gebauter Blumen auf regelmässig

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/456>, abgerufen am 22.11.2024.