Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

Zuerst mögen die Thatsachen kurz mitgetheilt werden. In
der Gegend von Freiburg kommen in gewissen Sümpfen zwei
Varietäten eines kleinen Muschelkrebses vor, der eine sehr auf-
fällige Zeichnung der Schale hat. Die eine Abart, A, erscheint
hell ockergelb mit fünf grünen Flecken auf jeder Schale, die
andere, B, sieht dunkelgrün aus, weil bei ihr der ockergelbe
Grund von sechs grossen Flecken stark eingeengt wird. Die

[Abbildung] Fig. 23.

Die beiden Varietäten von Cypris reptans.
1--6 bezeichnen die sechs Hauptflecken der Schale des Thieres.

Flecken der beiden Abarten entsprechen einander der Lage nach
genau und sind nur bei A viel kleiner, als bei B, Fleck 6 fehlt
sogar bei A ganz. Beide Abarten pflanzen sich bei Freiburg
nur durch Parthenogenese fort; Männchen kommen niemals vor.

Ich stellte nun die Versuche so an, dass ich je ein Weib-
chen beider Abarten in einem kleinen Aquarium isolirte, gut
fütterte und sie sich so lange vermehren liess, bis das ganze

Zuerst mögen die Thatsachen kurz mitgetheilt werden. In
der Gegend von Freiburg kommen in gewissen Sümpfen zwei
Varietäten eines kleinen Muschelkrebses vor, der eine sehr auf-
fällige Zeichnung der Schale hat. Die eine Abart, A, erscheint
hell ockergelb mit fünf grünen Flecken auf jeder Schale, die
andere, B, sieht dunkelgrün aus, weil bei ihr der ockergelbe
Grund von sechs grossen Flecken stark eingeengt wird. Die

[Abbildung] Fig. 23.

Die beiden Varietäten von Cypris reptans.
1—6 bezeichnen die sechs Hauptflecken der Schale des Thieres.

Flecken der beiden Abarten entsprechen einander der Lage nach
genau und sind nur bei A viel kleiner, als bei B, Fleck 6 fehlt
sogar bei A ganz. Beide Abarten pflanzen sich bei Freiburg
nur durch Parthenogenese fort; Männchen kommen niemals vor.

Ich stellte nun die Versuche so an, dass ich je ein Weib-
chen beider Abarten in einem kleinen Aquarium isolirte, gut
fütterte und sie sich so lange vermehren liess, bis das ganze

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0476" n="452"/>
              <p>Zuerst mögen die Thatsachen kurz mitgetheilt werden. In<lb/>
der Gegend von Freiburg kommen in gewissen Sümpfen zwei<lb/>
Varietäten eines kleinen Muschelkrebses vor, der eine sehr auf-<lb/>
fällige Zeichnung der Schale hat. Die eine Abart, <hi rendition="#i">A</hi>, erscheint<lb/>
hell ockergelb mit fünf grünen Flecken auf jeder Schale, die<lb/>
andere, <hi rendition="#i">B</hi>, sieht dunkelgrün aus, weil bei ihr der ockergelbe<lb/>
Grund von sechs grossen Flecken stark eingeengt wird. Die<lb/><figure><head>Fig. 23.</head><lb/><p><hi rendition="#g">Die beiden Varietäten von Cypris reptans</hi>.<lb/><hi rendition="#i">1&#x2014;6</hi> bezeichnen die sechs Hauptflecken der Schale des Thieres.</p></figure><lb/>
Flecken der beiden Abarten entsprechen einander der Lage nach<lb/>
genau und sind nur bei <hi rendition="#i">A</hi> viel kleiner, als bei <hi rendition="#i">B</hi>, Fleck <hi rendition="#i">6</hi> fehlt<lb/>
sogar bei <hi rendition="#i">A</hi> ganz. Beide Abarten pflanzen sich bei Freiburg<lb/>
nur durch Parthenogenese fort; Männchen kommen niemals vor.</p><lb/>
              <p>Ich stellte nun die Versuche so an, dass ich je ein Weib-<lb/>
chen beider Abarten in einem kleinen Aquarium isolirte, gut<lb/>
fütterte und sie sich so lange vermehren liess, bis das ganze<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[452/0476] Zuerst mögen die Thatsachen kurz mitgetheilt werden. In der Gegend von Freiburg kommen in gewissen Sümpfen zwei Varietäten eines kleinen Muschelkrebses vor, der eine sehr auf- fällige Zeichnung der Schale hat. Die eine Abart, A, erscheint hell ockergelb mit fünf grünen Flecken auf jeder Schale, die andere, B, sieht dunkelgrün aus, weil bei ihr der ockergelbe Grund von sechs grossen Flecken stark eingeengt wird. Die [Abbildung Fig. 23. Die beiden Varietäten von Cypris reptans. 1—6 bezeichnen die sechs Hauptflecken der Schale des Thieres.] Flecken der beiden Abarten entsprechen einander der Lage nach genau und sind nur bei A viel kleiner, als bei B, Fleck 6 fehlt sogar bei A ganz. Beide Abarten pflanzen sich bei Freiburg nur durch Parthenogenese fort; Männchen kommen niemals vor. Ich stellte nun die Versuche so an, dass ich je ein Weib- chen beider Abarten in einem kleinen Aquarium isolirte, gut fütterte und sie sich so lange vermehren liess, bis das ganze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/476
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/476>, abgerufen am 22.11.2024.