Gefäss voll von erwachsenen und selbst wieder eierlegenden Nachkommen war. Dann wurde die Colonie gemustert, der grösste Theil derselben getötet und aufbewahrt, ein oder mehrere Thiere aber zur Nachzucht ausgewählt, und jedes für sich in einem Aquarium angesiedelt. Auf diese Weise sind mir im Laufe dieser acht Jahre viele Tausende von Individuen durch die Hände gegangen, denn die Thiere vermehren sich sehr rasch und zwar während des ganzen Jahres.
Das erste Resultat, welches bei diesen Züchtungen hervor- trat, bestätigte meine Erwartung: die Nachkommen einer Mutter stimmten in der Zeichnung bis in kleine Einzel- heiten sowohl unter sich, als mit der Stammmutter. Die Unterschiede waren meist so gering, wie man sie etwa bei identischen Zwillingen des Menschen kennt; es liess sich nicht bestimmt sagen, ob sie auf Verschiedenheiten im Keimplasma, oder nicht am Ende blos auf zufällige Ernährungsdifferenzen bezogen werden müssten.
Auch im Laufe zahlreicher Generationen trat keine Ver- änderung ein, wenn ich von den gleich zu erwähnenden Aus- nahmen absehe. Ich besitze heute noch Colonien von A und von B, welche von ihren beiden Stammmüttern aus dem Jahr 1884 nicht zu unterscheiden sind. Wenn man fünf bis sechs Generationen für das Jahr rechnet, so würden sich seither etwa vierzig Generationen gefolgt sein.
Im Jahre 1887 fand ich zum ersten Male in einem Aquarium der hellen Abart A neben typischen Thieren dieser lehmgelben Form auch einige der dunkelgrünen Abart B, und dieser Fall hat sich später noch zwei Mal in andern Zuchten von A wiederholt. In dem letztbeobachteten vom Mai 1891 konnte festgestellt werden, dass nur ein einziges Thier unter 540 erwachsenen Cypris des betreffenden Aquariums ganz un- vermittelt und plötzlich in die dunkle Abart übergesprungen
Gefäss voll von erwachsenen und selbst wieder eierlegenden Nachkommen war. Dann wurde die Colonie gemustert, der grösste Theil derselben getötet und aufbewahrt, ein oder mehrere Thiere aber zur Nachzucht ausgewählt, und jedes für sich in einem Aquarium angesiedelt. Auf diese Weise sind mir im Laufe dieser acht Jahre viele Tausende von Individuen durch die Hände gegangen, denn die Thiere vermehren sich sehr rasch und zwar während des ganzen Jahres.
Das erste Resultat, welches bei diesen Züchtungen hervor- trat, bestätigte meine Erwartung: die Nachkommen einer Mutter stimmten in der Zeichnung bis in kleine Einzel- heiten sowohl unter sich, als mit der Stammmutter. Die Unterschiede waren meist so gering, wie man sie etwa bei identischen Zwillingen des Menschen kennt; es liess sich nicht bestimmt sagen, ob sie auf Verschiedenheiten im Keimplasma, oder nicht am Ende blos auf zufällige Ernährungsdifferenzen bezogen werden müssten.
Auch im Laufe zahlreicher Generationen trat keine Ver- änderung ein, wenn ich von den gleich zu erwähnenden Aus- nahmen absehe. Ich besitze heute noch Colonien von A und von B, welche von ihren beiden Stammmüttern aus dem Jahr 1884 nicht zu unterscheiden sind. Wenn man fünf bis sechs Generationen für das Jahr rechnet, so würden sich seither etwa vierzig Generationen gefolgt sein.
Im Jahre 1887 fand ich zum ersten Male in einem Aquarium der hellen Abart A neben typischen Thieren dieser lehmgelben Form auch einige der dunkelgrünen Abart B, und dieser Fall hat sich später noch zwei Mal in andern Zuchten von A wiederholt. In dem letztbeobachteten vom Mai 1891 konnte festgestellt werden, dass nur ein einziges Thier unter 540 erwachsenen Cypris des betreffenden Aquariums ganz un- vermittelt und plötzlich in die dunkle Abart übergesprungen
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Gefäss voll von erwachsenen und selbst wieder eierlegenden
Nachkommen war. Dann wurde die Colonie gemustert, der
grösste Theil derselben getötet und aufbewahrt, ein oder mehrere
Thiere aber zur Nachzucht ausgewählt, und jedes für sich in
einem Aquarium angesiedelt. Auf diese Weise sind mir im
Laufe dieser acht Jahre viele Tausende von Individuen durch
die Hände gegangen, denn die Thiere vermehren sich sehr rasch
und zwar während des ganzen Jahres.
Das erste Resultat, welches bei diesen Züchtungen hervor-
trat, bestätigte meine Erwartung: die Nachkommen einer
Mutter stimmten in der Zeichnung bis in kleine Einzel-
heiten sowohl unter sich, als mit der Stammmutter.
Die Unterschiede waren meist so gering, wie man sie etwa bei
identischen Zwillingen des Menschen kennt; es liess sich nicht
bestimmt sagen, ob sie auf Verschiedenheiten im Keimplasma,
oder nicht am Ende blos auf zufällige Ernährungsdifferenzen
bezogen werden müssten.
Auch im Laufe zahlreicher Generationen trat keine Ver-
änderung ein, wenn ich von den gleich zu erwähnenden Aus-
nahmen absehe. Ich besitze heute noch Colonien von A und
von B, welche von ihren beiden Stammmüttern aus dem Jahr
1884 nicht zu unterscheiden sind. Wenn man fünf bis sechs
Generationen für das Jahr rechnet, so würden sich seither etwa
vierzig Generationen gefolgt sein.
Im Jahre 1887 fand ich zum ersten Male in einem
Aquarium der hellen Abart A neben typischen Thieren dieser
lehmgelben Form auch einige der dunkelgrünen Abart B, und
dieser Fall hat sich später noch zwei Mal in andern Zuchten
von A wiederholt. In dem letztbeobachteten vom Mai 1891
konnte festgestellt werden, dass nur ein einziges Thier unter
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/477>, abgerufen am 22.11.2024.
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