Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

die Blaufärbung der Weibchen mechanisch durch die Blau-
färbung der Männchen herbeigeführt worden, indem der sekun-
däre Sexualcharakter sich im Laufe sehr langer Generations-
folgen auf das weibliche Geschlecht mit übertrug. Dies aber
kann nach unserer Theorie nur darauf beruhen, dass die Ver-
änderung der männlichen Determinantenhälften eine ähnliche,
wenn auch schwächere Veränderung der weiblichen Hälfte nach
und nach herbeiführte. Auf diese Weise verstehen wir es auch
bis zu gewissem Grade, dass einzelne Weibchen den übrigen
vorauseilen können, denn dieser umändernde Einfluss wird sich
nicht in allen Individuen gleich stark und gleich rasch geltend
machen. Bei vielen Lycaena-Arten mit braunen Weibchen
kommen aber seltener oder häufiger einzelne blau angeflogene
oder selbst stark blaue Weibchen vor.

3. Polymorphismus.

Sexuelle Dreigestaltigkeit findet sich bekanntlich
mehrfach im Thierreich. Einige Fälle sind zuerst von Alfred
Wallace bei Schmetterlingen entdeckt worden, und an diese
möchte ich hier anknüpfen. Zuerst einen Fall, der mir den
ersten Schritt zum Polymorphismus zu enthalten scheint.

In Nordamerika ist ein unserm Schwalbenschwanz ähnlicher
Tagfalter Papilis Turnus häufig, dessen Männchen gelbe mit
schwarzen Querstreifen gezierte Flügel besitzen, die Weibchen
aber sind theils den Männchen gleich gefärbt, theils ganz
schwarz, also stark abweichend. Da die gelben Weibchen lokal
von den schwarzen getrennt sind, indem die Ersteren den
Osten und Norden der Vereinigten Staaten, die Letzteren den
Westen und Süden derselben bewohnen, so werden wir uns
vorstellen müssen, dass zwei Lokalrassen dieses Schmetterlings
existiren, von welchen die nördliche in beiden Geschlechtern
dieselbe Flügelfärbung besitzt, die südliche dagegen dimorph ist.

die Blaufärbung der Weibchen mechanisch durch die Blau-
färbung der Männchen herbeigeführt worden, indem der sekun-
däre Sexualcharakter sich im Laufe sehr langer Generations-
folgen auf das weibliche Geschlecht mit übertrug. Dies aber
kann nach unserer Theorie nur darauf beruhen, dass die Ver-
änderung der männlichen Determinantenhälften eine ähnliche,
wenn auch schwächere Veränderung der weiblichen Hälfte nach
und nach herbeiführte. Auf diese Weise verstehen wir es auch
bis zu gewissem Grade, dass einzelne Weibchen den übrigen
vorauseilen können, denn dieser umändernde Einfluss wird sich
nicht in allen Individuen gleich stark und gleich rasch geltend
machen. Bei vielen Lycaena-Arten mit braunen Weibchen
kommen aber seltener oder häufiger einzelne blau angeflogene
oder selbst stark blaue Weibchen vor.

3. Polymorphismus.

Sexuelle Dreigestaltigkeit findet sich bekanntlich
mehrfach im Thierreich. Einige Fälle sind zuerst von Alfred
Wallace bei Schmetterlingen entdeckt worden, und an diese
möchte ich hier anknüpfen. Zuerst einen Fall, der mir den
ersten Schritt zum Polymorphismus zu enthalten scheint.

In Nordamerika ist ein unserm Schwalbenschwanz ähnlicher
Tagfalter Papilis Turnus häufig, dessen Männchen gelbe mit
schwarzen Querstreifen gezierte Flügel besitzen, die Weibchen
aber sind theils den Männchen gleich gefärbt, theils ganz
schwarz, also stark abweichend. Da die gelben Weibchen lokal
von den schwarzen getrennt sind, indem die Ersteren den
Osten und Norden der Vereinigten Staaten, die Letzteren den
Westen und Süden derselben bewohnen, so werden wir uns
vorstellen müssen, dass zwei Lokalrassen dieses Schmetterlings
existiren, von welchen die nördliche in beiden Geschlechtern
dieselbe Flügelfärbung besitzt, die südliche dagegen dimorph ist.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0515" n="491"/>
die Blaufärbung der Weibchen mechanisch durch die Blau-<lb/>
färbung der Männchen herbeigeführt worden, indem der sekun-<lb/>
däre Sexualcharakter sich im Laufe sehr langer Generations-<lb/>
folgen auf das weibliche Geschlecht mit übertrug. Dies aber<lb/>
kann nach unserer Theorie nur darauf beruhen, dass die Ver-<lb/>
änderung der männlichen Determinantenhälften eine ähnliche,<lb/>
wenn auch schwächere Veränderung der weiblichen Hälfte nach<lb/>
und nach herbeiführte. Auf diese Weise verstehen wir es auch<lb/>
bis zu gewissem Grade, dass einzelne Weibchen den übrigen<lb/>
vorauseilen können, denn dieser umändernde Einfluss wird sich<lb/>
nicht in allen Individuen gleich stark und gleich rasch geltend<lb/>
machen. Bei vielen Lycaena-Arten mit braunen Weibchen<lb/>
kommen aber seltener oder häufiger einzelne blau angeflogene<lb/>
oder selbst stark blaue Weibchen vor.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">3. Polymorphismus.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Sexuelle Dreigestaltigkeit</hi> findet sich bekanntlich<lb/>
mehrfach im Thierreich. Einige Fälle sind zuerst von Alfred<lb/>
Wallace bei Schmetterlingen entdeckt worden, und an diese<lb/>
möchte ich hier anknüpfen. Zuerst einen Fall, der mir den<lb/>
ersten Schritt zum Polymorphismus zu enthalten scheint.</p><lb/>
            <p>In Nordamerika ist ein unserm Schwalbenschwanz ähnlicher<lb/>
Tagfalter Papilis Turnus häufig, dessen Männchen gelbe mit<lb/>
schwarzen Querstreifen gezierte Flügel besitzen, die Weibchen<lb/>
aber sind theils den Männchen gleich gefärbt, theils ganz<lb/>
schwarz, also stark abweichend. Da die gelben Weibchen lokal<lb/>
von den schwarzen getrennt sind, indem die Ersteren den<lb/>
Osten und Norden der Vereinigten Staaten, die Letzteren den<lb/>
Westen und Süden derselben bewohnen, so werden wir uns<lb/>
vorstellen müssen, dass zwei Lokalrassen dieses Schmetterlings<lb/>
existiren, von welchen die nördliche in beiden Geschlechtern<lb/>
dieselbe Flügelfärbung besitzt, die südliche dagegen dimorph ist.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[491/0515] die Blaufärbung der Weibchen mechanisch durch die Blau- färbung der Männchen herbeigeführt worden, indem der sekun- däre Sexualcharakter sich im Laufe sehr langer Generations- folgen auf das weibliche Geschlecht mit übertrug. Dies aber kann nach unserer Theorie nur darauf beruhen, dass die Ver- änderung der männlichen Determinantenhälften eine ähnliche, wenn auch schwächere Veränderung der weiblichen Hälfte nach und nach herbeiführte. Auf diese Weise verstehen wir es auch bis zu gewissem Grade, dass einzelne Weibchen den übrigen vorauseilen können, denn dieser umändernde Einfluss wird sich nicht in allen Individuen gleich stark und gleich rasch geltend machen. Bei vielen Lycaena-Arten mit braunen Weibchen kommen aber seltener oder häufiger einzelne blau angeflogene oder selbst stark blaue Weibchen vor. 3. Polymorphismus. Sexuelle Dreigestaltigkeit findet sich bekanntlich mehrfach im Thierreich. Einige Fälle sind zuerst von Alfred Wallace bei Schmetterlingen entdeckt worden, und an diese möchte ich hier anknüpfen. Zuerst einen Fall, der mir den ersten Schritt zum Polymorphismus zu enthalten scheint. In Nordamerika ist ein unserm Schwalbenschwanz ähnlicher Tagfalter Papilis Turnus häufig, dessen Männchen gelbe mit schwarzen Querstreifen gezierte Flügel besitzen, die Weibchen aber sind theils den Männchen gleich gefärbt, theils ganz schwarz, also stark abweichend. Da die gelben Weibchen lokal von den schwarzen getrennt sind, indem die Ersteren den Osten und Norden der Vereinigten Staaten, die Letzteren den Westen und Süden derselben bewohnen, so werden wir uns vorstellen müssen, dass zwei Lokalrassen dieses Schmetterlings existiren, von welchen die nördliche in beiden Geschlechtern dieselbe Flügelfärbung besitzt, die südliche dagegen dimorph ist.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/515
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/515>, abgerufen am 22.11.2024.