offenbar eine grosse Constanz, d. h. die Biophoren, welche es zusammensetzen, vermögen sich dergestalt zu ernähren und zu wachsen, dass sie sehr genaue Copien ihrer selbst in ihren Theilungshälften liefern. Anders wäre es nicht zu verstehen, dass trotz eines so ungeheuren Wachsthums, wie ihn das Keim- plasma von einer Generation zur andern durchmacht, dennoch die Artcharaktere und selbst kleinste Merkmale individueller Art sich durch so lange Generationsfolgen erhalten können.
Nicht so beweisend für die Schwerveränderlichkeit des Keim- plasma's sind jene früher von Nägeli und mir dafür geltend gemachten Fälle jahrtausendelanger Constanz einer Art, wie solche z. B. in den altägyptischen Thieren (Ibis, Krokodil) nachgewiesen sind. Diesen Fällen kann entgegengehalten werden, dass diese Arten ja fortwährend der Controle der Naturzüchtung unter- worfen waren, welche jede Abweichung von der vollkommenen Anpassung ausmerzte. Wenn aber unbedeutende individuelle Merkmale ohne jeden Nutzen für die Art sich durch mehrere Generationen hin beim Menschen erhalten können, so muss dies darauf beruhen, dass die betreffenden Determinanten bei Wachs- thum und Vermehrung sehr wenig geneigt sind, stärkere Ver- änderungen einzugehen, vielmehr höchst getreue Copien ihrer selbst zu liefern. Ich hatte also wohl Recht, dem Keimplasma ein sehr grosses Beharrungsvermögen zuzuschreiben.1)
Nichtsdestoweniger ist die Annahme unvermeidlich, dass auch die Elemente des Keimplasma's, die Biophoren und Determinanten während ihres beinahe unausgesetzten Wachs- thums steten Schwankungen in ihrer Zusammensetzung unterworfen sind, und dass diese zunächst sehr kleinen und uns unsichtbaren Schwankungen die letzte Wurzel jener grösseren Abweichungen der Determinanten dar-
1) Vgl. meinen Aufsatz "Die Bedeutung der sexuellen Fortpflanzung", Jena 1886, p. 38.
offenbar eine grosse Constanz, d. h. die Biophoren, welche es zusammensetzen, vermögen sich dergestalt zu ernähren und zu wachsen, dass sie sehr genaue Copien ihrer selbst in ihren Theilungshälften liefern. Anders wäre es nicht zu verstehen, dass trotz eines so ungeheuren Wachsthums, wie ihn das Keim- plasma von einer Generation zur andern durchmacht, dennoch die Artcharaktere und selbst kleinste Merkmale individueller Art sich durch so lange Generationsfolgen erhalten können.
Nicht so beweisend für die Schwerveränderlichkeit des Keim- plasma’s sind jene früher von Nägeli und mir dafür geltend gemachten Fälle jahrtausendelanger Constanz einer Art, wie solche z. B. in den altägyptischen Thieren (Ibis, Krokodil) nachgewiesen sind. Diesen Fällen kann entgegengehalten werden, dass diese Arten ja fortwährend der Controle der Naturzüchtung unter- worfen waren, welche jede Abweichung von der vollkommenen Anpassung ausmerzte. Wenn aber unbedeutende individuelle Merkmale ohne jeden Nutzen für die Art sich durch mehrere Generationen hin beim Menschen erhalten können, so muss dies darauf beruhen, dass die betreffenden Determinanten bei Wachs- thum und Vermehrung sehr wenig geneigt sind, stärkere Ver- änderungen einzugehen, vielmehr höchst getreue Copien ihrer selbst zu liefern. Ich hatte also wohl Recht, dem Keimplasma ein sehr grosses Beharrungsvermögen zuzuschreiben.1)
Nichtsdestoweniger ist die Annahme unvermeidlich, dass auch die Elemente des Keimplasma’s, die Biophoren und Determinanten während ihres beinahe unausgesetzten Wachs- thums steten Schwankungen in ihrer Zusammensetzung unterworfen sind, und dass diese zunächst sehr kleinen und uns unsichtbaren Schwankungen die letzte Wurzel jener grösseren Abweichungen der Determinanten dar-
1) Vgl. meinen Aufsatz „Die Bedeutung der sexuellen Fortpflanzung“, Jena 1886, p. 38.
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offenbar eine grosse Constanz, d. h. die Biophoren, welche es
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wachsen, dass sie sehr genaue Copien ihrer selbst in ihren
Theilungshälften liefern. Anders wäre es nicht zu verstehen,
dass trotz eines so ungeheuren Wachsthums, wie ihn das Keim-
plasma von einer Generation zur andern durchmacht, dennoch
die Artcharaktere und selbst kleinste Merkmale individueller
Art sich durch so lange Generationsfolgen erhalten können.
Nicht so beweisend für die Schwerveränderlichkeit des Keim-
plasma’s sind jene früher von Nägeli und mir dafür geltend
gemachten Fälle jahrtausendelanger Constanz einer Art, wie solche
z. B. in den altägyptischen Thieren (Ibis, Krokodil) nachgewiesen
sind. Diesen Fällen kann entgegengehalten werden, dass diese
Arten ja fortwährend der Controle der Naturzüchtung unter-
worfen waren, welche jede Abweichung von der vollkommenen
Anpassung ausmerzte. Wenn aber unbedeutende individuelle
Merkmale ohne jeden Nutzen für die Art sich durch mehrere
Generationen hin beim Menschen erhalten können, so muss dies
darauf beruhen, dass die betreffenden Determinanten bei Wachs-
thum und Vermehrung sehr wenig geneigt sind, stärkere Ver-
änderungen einzugehen, vielmehr höchst getreue Copien ihrer
selbst zu liefern. Ich hatte also wohl Recht, dem Keimplasma
ein sehr grosses Beharrungsvermögen zuzuschreiben. 1)
Nichtsdestoweniger ist die Annahme unvermeidlich, dass
auch die Elemente des Keimplasma’s, die Biophoren und
Determinanten während ihres beinahe unausgesetzten Wachs-
thums steten Schwankungen in ihrer Zusammensetzung
unterworfen sind, und dass diese zunächst sehr kleinen
und uns unsichtbaren Schwankungen die letzte Wurzel
jener grösseren Abweichungen der Determinanten dar-
1) Vgl. meinen Aufsatz „Die Bedeutung der sexuellen Fortpflanzung“,
Jena 1886, p. 38.
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/570>, abgerufen am 22.11.2024.
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