Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

von Iden durch homodyname Determinanten vertreten sein, wird
deshalb auch durch die Reductionstheilung aus keiner Hälfte
völlig entfernt werden, und wird somit in den meisten Fällen
auch im Kind wieder eine Majorität besitzen.

Die "Steigerung" einer "Eigenschaft" lediglich durch
Kreuzung beruht auf einer Ungenauigkeit des Ausdrucks. "Glei-
ches mit Gleichem giebt Gleiches", nicht aber etwas Anderes;
darin stimmt die Theorie mit der Erfahrung überein. Steigerung
genau desselben Theiles, d. h. einer Determinate, oder ein und
derselben Gruppe von Determinaten lediglich durch Paarung
zweier Eltern, die denselben besitzen, ist theoretisch nicht wohl
denkbar. Wenn z. B. zwei Lycaena Agestis sich paarten, von
denen jedes einen weissen statt eines schwarzen Fleckes auf der
Mitte der Flügel hätte, so würde keiner der Nachkommen einen
doppelt so grossen, oder überhaupt nur grösseren Fleck besitzen
können, denn der Fleck wird durch eine oder mehrere homo-
loge Determinanten bestimmt, und wenn diese in der weissen
Abart in der Majorität sind, so kommt der Fleck weiss; die
benachbarten Determinanten können aber dadurch nicht ver-
ändert werden. Höchstens könnte der Fleck, falls er vorher
nur grau war, jetzt rein weiss werden, indem in den Eltern
noch eine relativ grössere Zahl "schwarzer" Determinanten an
der Bestimmung des Fleckes Antheil nahm, welche jetzt durch
eine überwiegende Majorität "weisser" Determinanten ganz von
der Bestimmung der Zellen ausgeschlossen werden.

Der Begriff der "Eigenschaft" ist es, der hier den wirk-
lichen Sachverhalt verdunkelt. Schon in der Einleitung zu
diesem Buche wurde darauf hingewiesen, dass das Wort "Eigen-
schaft" in Bezug auf Vererbung etwas sehr Verschiedenes meint.
Weissheit des Gefieders ist eine "Eigenschaft", die ein Züchter
z. B. für eine zu bildende Rasse dadurch zu erzielen hofft, dass
er immer die möglichst weissen Vögel zur Nachzucht auswählt.
So paart er z. B. aus seiner bisherigen blauen Taubenrasse

von Iden durch homodyname Determinanten vertreten sein, wird
deshalb auch durch die Reductionstheilung aus keiner Hälfte
völlig entfernt werden, und wird somit in den meisten Fällen
auch im Kind wieder eine Majorität besitzen.

Die „Steigerung“ einer „Eigenschaft“ lediglich durch
Kreuzung beruht auf einer Ungenauigkeit des Ausdrucks. „Glei-
ches mit Gleichem giebt Gleiches“, nicht aber etwas Anderes;
darin stimmt die Theorie mit der Erfahrung überein. Steigerung
genau desselben Theiles, d. h. einer Determinate, oder ein und
derselben Gruppe von Determinaten lediglich durch Paarung
zweier Eltern, die denselben besitzen, ist theoretisch nicht wohl
denkbar. Wenn z. B. zwei Lycaena Agestis sich paarten, von
denen jedes einen weissen statt eines schwarzen Fleckes auf der
Mitte der Flügel hätte, so würde keiner der Nachkommen einen
doppelt so grossen, oder überhaupt nur grösseren Fleck besitzen
können, denn der Fleck wird durch eine oder mehrere homo-
loge Determinanten bestimmt, und wenn diese in der weissen
Abart in der Majorität sind, so kommt der Fleck weiss; die
benachbarten Determinanten können aber dadurch nicht ver-
ändert werden. Höchstens könnte der Fleck, falls er vorher
nur grau war, jetzt rein weiss werden, indem in den Eltern
noch eine relativ grössere Zahl „schwarzer“ Determinanten an
der Bestimmung des Fleckes Antheil nahm, welche jetzt durch
eine überwiegende Majorität „weisser“ Determinanten ganz von
der Bestimmung der Zellen ausgeschlossen werden.

Der Begriff der „Eigenschaft“ ist es, der hier den wirk-
lichen Sachverhalt verdunkelt. Schon in der Einleitung zu
diesem Buche wurde darauf hingewiesen, dass das Wort „Eigen-
schaft“ in Bezug auf Vererbung etwas sehr Verschiedenes meint.
Weissheit des Gefieders ist eine „Eigenschaft“, die ein Züchter
z. B. für eine zu bildende Rasse dadurch zu erzielen hofft, dass
er immer die möglichst weissen Vögel zur Nachzucht auswählt.
So paart er z. B. aus seiner bisherigen blauen Taubenrasse

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0582" n="558"/>
von Iden durch homodyname Determinanten vertreten sein, wird<lb/>
deshalb auch durch die Reductionstheilung aus keiner Hälfte<lb/>
völlig entfernt werden, und wird somit in den meisten Fällen<lb/>
auch im Kind wieder eine Majorität besitzen.</p><lb/>
            <p>Die &#x201E;<hi rendition="#g">Steigerung</hi>&#x201C; einer &#x201E;Eigenschaft&#x201C; lediglich durch<lb/>
Kreuzung beruht auf einer Ungenauigkeit des Ausdrucks. &#x201E;Glei-<lb/>
ches mit Gleichem giebt Gleiches&#x201C;, nicht aber etwas Anderes;<lb/>
darin stimmt die Theorie mit der Erfahrung überein. Steigerung<lb/>
genau desselben Theiles, d. h. einer Determinate, oder ein und<lb/>
derselben Gruppe von Determinaten lediglich durch Paarung<lb/>
zweier Eltern, die denselben besitzen, ist theoretisch nicht wohl<lb/>
denkbar. Wenn z. B. zwei Lycaena Agestis sich paarten, von<lb/>
denen jedes einen weissen statt eines schwarzen Fleckes auf der<lb/>
Mitte der Flügel hätte, so würde keiner der Nachkommen einen<lb/>
doppelt so grossen, oder überhaupt nur grösseren Fleck besitzen<lb/>
können, denn der Fleck wird durch <hi rendition="#g">eine</hi> oder mehrere homo-<lb/>
loge Determinanten bestimmt, und wenn diese in der weissen<lb/>
Abart in der Majorität sind, so kommt der Fleck weiss; die<lb/>
benachbarten Determinanten können aber dadurch nicht ver-<lb/>
ändert werden. Höchstens könnte der Fleck, falls er vorher<lb/>
nur grau war, jetzt rein weiss werden, indem in den Eltern<lb/>
noch eine relativ grössere Zahl &#x201E;schwarzer&#x201C; Determinanten an<lb/>
der Bestimmung des Fleckes Antheil nahm, welche jetzt durch<lb/>
eine überwiegende Majorität &#x201E;weisser&#x201C; Determinanten ganz von<lb/>
der Bestimmung der Zellen ausgeschlossen werden.</p><lb/>
            <p>Der Begriff der &#x201E;<hi rendition="#g">Eigenschaft</hi>&#x201C; ist es, der hier den wirk-<lb/>
lichen Sachverhalt verdunkelt. Schon in der Einleitung zu<lb/>
diesem Buche wurde darauf hingewiesen, dass das Wort &#x201E;Eigen-<lb/>
schaft&#x201C; in Bezug auf Vererbung etwas sehr Verschiedenes meint.<lb/><hi rendition="#g">Weissheit</hi> des Gefieders ist eine &#x201E;Eigenschaft&#x201C;, die ein Züchter<lb/>
z. B. für eine zu bildende Rasse dadurch zu erzielen hofft, dass<lb/>
er immer die möglichst weissen Vögel zur Nachzucht auswählt.<lb/>
So paart er z. B. aus seiner bisherigen blauen Taubenrasse<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[558/0582] von Iden durch homodyname Determinanten vertreten sein, wird deshalb auch durch die Reductionstheilung aus keiner Hälfte völlig entfernt werden, und wird somit in den meisten Fällen auch im Kind wieder eine Majorität besitzen. Die „Steigerung“ einer „Eigenschaft“ lediglich durch Kreuzung beruht auf einer Ungenauigkeit des Ausdrucks. „Glei- ches mit Gleichem giebt Gleiches“, nicht aber etwas Anderes; darin stimmt die Theorie mit der Erfahrung überein. Steigerung genau desselben Theiles, d. h. einer Determinate, oder ein und derselben Gruppe von Determinaten lediglich durch Paarung zweier Eltern, die denselben besitzen, ist theoretisch nicht wohl denkbar. Wenn z. B. zwei Lycaena Agestis sich paarten, von denen jedes einen weissen statt eines schwarzen Fleckes auf der Mitte der Flügel hätte, so würde keiner der Nachkommen einen doppelt so grossen, oder überhaupt nur grösseren Fleck besitzen können, denn der Fleck wird durch eine oder mehrere homo- loge Determinanten bestimmt, und wenn diese in der weissen Abart in der Majorität sind, so kommt der Fleck weiss; die benachbarten Determinanten können aber dadurch nicht ver- ändert werden. Höchstens könnte der Fleck, falls er vorher nur grau war, jetzt rein weiss werden, indem in den Eltern noch eine relativ grössere Zahl „schwarzer“ Determinanten an der Bestimmung des Fleckes Antheil nahm, welche jetzt durch eine überwiegende Majorität „weisser“ Determinanten ganz von der Bestimmung der Zellen ausgeschlossen werden. Der Begriff der „Eigenschaft“ ist es, der hier den wirk- lichen Sachverhalt verdunkelt. Schon in der Einleitung zu diesem Buche wurde darauf hingewiesen, dass das Wort „Eigen- schaft“ in Bezug auf Vererbung etwas sehr Verschiedenes meint. Weissheit des Gefieders ist eine „Eigenschaft“, die ein Züchter z. B. für eine zu bildende Rasse dadurch zu erzielen hofft, dass er immer die möglichst weissen Vögel zur Nachzucht auswählt. So paart er z. B. aus seiner bisherigen blauen Taubenrasse

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/582
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/582>, abgerufen am 22.11.2024.