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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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einen Vogel mit weissem Kopf mit einem, der einen weissen
Schwanz besitzt und erzielt dadurch vielleicht einzelne Junge,
die zugleich weissen Kopf und Schwanz besitzen. Hier findet
also eine Summirung der "Eigenschaften" weisser Kopf und
weisser Schwanz statt. Die Federn beider Körperstellen haben aber
ihre eigenen Determinanten, und der idioplasmatische Vorgang
bei dieser Kreuzung ist nicht der, dass homologe Determinanten
sich summirt hätten, sondern dass die weisse Abart der De-
terminanten der Federn sowohl in Bezug auf den Kopf, als
auf den Schwanz die Majorität über die blaue Abart derselben
erhalten haben. Es ist keine Summirung von Gleich und Gleich,
sondern nur ein Sieg ähnlicher Determinanten an verschiedenen
Körperstellen.

Wie oft hat man sich nicht über den von Darwin mit-
getheilten Fall gewundert, dass zwei behaubte Kanarienvögel
nicht Junge gaben mit stärkerer Haube, sondern -- öfters
wenigstens -- mit Kahlköpfigkeit. Die "Haube" der Vögel
beruht eben, wie Darwin selbst schon andeutete, auf schwächerer
Befiederung des Kopfes, die sich nun bei den Nachkommen zur
Kahlheit steigern kann. Hier steigert sich also thatsächlich
eine "Eigenschaft", aber nicht die für den Züchter werthvolle
der "Haube", sondern die "Kahlheit". Idioplasmatisch wird
diese Steigerung ganz analog zu erklären sein, wie die Steigerung
des Charakters "Weiss" bei dem Beispiel der Tauben; d. h. sie
beruht auf der Zusammenstellung von "Kahlkopfs-Determinanten",
wenn ich mich so ausdrücken darf, von denen die einen vom
Vater herrühren und sich auf die Stelle a beziehen, die andern
von der Mutter auf die Stelle b. Beim Vater hatte die Stelle b
noch eine "Feder-Determinante", bei der Mutter die Stelle a;
beim Kind sind zufällig durch die Reductionstheilung und nach-
folgende Amphimixis gerade für beide Stellen "Kahlkopfs-Deter-
minanten" zusammengekommen.

einen Vogel mit weissem Kopf mit einem, der einen weissen
Schwanz besitzt und erzielt dadurch vielleicht einzelne Junge,
die zugleich weissen Kopf und Schwanz besitzen. Hier findet
also eine Summirung der „Eigenschaften“ weisser Kopf und
weisser Schwanz statt. Die Federn beider Körperstellen haben aber
ihre eigenen Determinanten, und der idioplasmatische Vorgang
bei dieser Kreuzung ist nicht der, dass homologe Determinanten
sich summirt hätten, sondern dass die weisse Abart der De-
terminanten der Federn sowohl in Bezug auf den Kopf, als
auf den Schwanz die Majorität über die blaue Abart derselben
erhalten haben. Es ist keine Summirung von Gleich und Gleich,
sondern nur ein Sieg ähnlicher Determinanten an verschiedenen
Körperstellen.

Wie oft hat man sich nicht über den von Darwin mit-
getheilten Fall gewundert, dass zwei behaubte Kanarienvögel
nicht Junge gaben mit stärkerer Haube, sondern — öfters
wenigstens — mit Kahlköpfigkeit. Die „Haube“ der Vögel
beruht eben, wie Darwin selbst schon andeutete, auf schwächerer
Befiederung des Kopfes, die sich nun bei den Nachkommen zur
Kahlheit steigern kann. Hier steigert sich also thatsächlich
eine „Eigenschaft“, aber nicht die für den Züchter werthvolle
der „Haube“, sondern die „Kahlheit“. Idioplasmatisch wird
diese Steigerung ganz analog zu erklären sein, wie die Steigerung
des Charakters „Weiss“ bei dem Beispiel der Tauben; d. h. sie
beruht auf der Zusammenstellung von „Kahlkopfs-Determinanten“,
wenn ich mich so ausdrücken darf, von denen die einen vom
Vater herrühren und sich auf die Stelle a beziehen, die andern
von der Mutter auf die Stelle b. Beim Vater hatte die Stelle b
noch eine „Feder-Determinante“, bei der Mutter die Stelle a;
beim Kind sind zufällig durch die Reductionstheilung und nach-
folgende Amphimixis gerade für beide Stellen „Kahlkopfs-Deter-
minanten“ zusammengekommen.

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[559/0583] einen Vogel mit weissem Kopf mit einem, der einen weissen Schwanz besitzt und erzielt dadurch vielleicht einzelne Junge, die zugleich weissen Kopf und Schwanz besitzen. Hier findet also eine Summirung der „Eigenschaften“ weisser Kopf und weisser Schwanz statt. Die Federn beider Körperstellen haben aber ihre eigenen Determinanten, und der idioplasmatische Vorgang bei dieser Kreuzung ist nicht der, dass homologe Determinanten sich summirt hätten, sondern dass die weisse Abart der De- terminanten der Federn sowohl in Bezug auf den Kopf, als auf den Schwanz die Majorität über die blaue Abart derselben erhalten haben. Es ist keine Summirung von Gleich und Gleich, sondern nur ein Sieg ähnlicher Determinanten an verschiedenen Körperstellen. Wie oft hat man sich nicht über den von Darwin mit- getheilten Fall gewundert, dass zwei behaubte Kanarienvögel nicht Junge gaben mit stärkerer Haube, sondern — öfters wenigstens — mit Kahlköpfigkeit. Die „Haube“ der Vögel beruht eben, wie Darwin selbst schon andeutete, auf schwächerer Befiederung des Kopfes, die sich nun bei den Nachkommen zur Kahlheit steigern kann. Hier steigert sich also thatsächlich eine „Eigenschaft“, aber nicht die für den Züchter werthvolle der „Haube“, sondern die „Kahlheit“. Idioplasmatisch wird diese Steigerung ganz analog zu erklären sein, wie die Steigerung des Charakters „Weiss“ bei dem Beispiel der Tauben; d. h. sie beruht auf der Zusammenstellung von „Kahlkopfs-Determinanten“, wenn ich mich so ausdrücken darf, von denen die einen vom Vater herrühren und sich auf die Stelle a beziehen, die andern von der Mutter auf die Stelle b. Beim Vater hatte die Stelle b noch eine „Feder-Determinante“, bei der Mutter die Stelle a; beim Kind sind zufällig durch die Reductionstheilung und nach- folgende Amphimixis gerade für beide Stellen „Kahlkopfs-Deter- minanten“ zusammengekommen.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/583>, abgerufen am 22.11.2024.