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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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Veränderungen im Keimplasma der einzelnen Pflanze hervor-
riefen, Abänderungen z. B. der Determinanten der Blüthen oder
Blätter, aber nicht gleich in allen, sondern zunächst nur in
einzelnen Iden. Diese abgeänderten Determinanten wurden
durch die Continuität des Keimplasma's auf die folgende Gene-
ration übertragen, da aber in dieser die Abänderungsursachen
noch fortwirkten, so veränderten sich die homologen Determi-
nanten noch einiger anderer Ide, und so nahm die Zahl der
abgeänderten Determinanten der Blüthe oder der Blätter langsam
zu, so lange, bis schliesslich einmal ihre Zahl die der normalen
Determinanten übertraf, und so die Abnormität sichtbar wurde
als Variation der Blüthe oder des Blattes.

Ich hebe diese Fälle besonders auch deshalb hervor, weil
hier sicherlich Naturzüchtung nicht mit hereinspielt, denn
wir haben es ja mit Versuchen zu thun, nicht mit den natür-
lichen Lebensbedingungen. Die Steigerung der unsichtbaren
Abänderung des Keimplasma's war natürlich keine stetige, in-
sofern Reductionstheilung und Amphimixis in jeder Generation
von Neuem mit hineinspielten und einerseits starke Herab-
setzung der abgeänderten Determinanten, andererseits plötzliche
Vermehrung, Verdoppelung oder noch stärkeres Anwachsen der-
selben hervorbringen konnte. Gerade daraus sind die Einzel-
heiten in dem Auftreten der abnormen Blüthen und Blätter
sehr schön zu verstehen. Im Allgemeinen nahm nämlich die
Zahl derselben im Laufe der Generationen zu, aber nichts we-
niger als constant. So ergab z. B. Dichtsaat bei einer Reihe
von vier Generationen bei Nigella damascena:

1883: keine gefüllten Blüthen,
1884: " " "
1885: 23 typische und 6 gefüllte Blüthen, also das Verhält-
niss von 100 : 26,
1886: 10 typische und 1 gefüllte Blüthe, also wie 100 : 10.

Veränderungen im Keimplasma der einzelnen Pflanze hervor-
riefen, Abänderungen z. B. der Determinanten der Blüthen oder
Blätter, aber nicht gleich in allen, sondern zunächst nur in
einzelnen Iden. Diese abgeänderten Determinanten wurden
durch die Continuität des Keimplasma’s auf die folgende Gene-
ration übertragen, da aber in dieser die Abänderungsursachen
noch fortwirkten, so veränderten sich die homologen Determi-
nanten noch einiger anderer Ide, und so nahm die Zahl der
abgeänderten Determinanten der Blüthe oder der Blätter langsam
zu, so lange, bis schliesslich einmal ihre Zahl die der normalen
Determinanten übertraf, und so die Abnormität sichtbar wurde
als Variation der Blüthe oder des Blattes.

Ich hebe diese Fälle besonders auch deshalb hervor, weil
hier sicherlich Naturzüchtung nicht mit hereinspielt, denn
wir haben es ja mit Versuchen zu thun, nicht mit den natür-
lichen Lebensbedingungen. Die Steigerung der unsichtbaren
Abänderung des Keimplasma’s war natürlich keine stetige, in-
sofern Reductionstheilung und Amphimixis in jeder Generation
von Neuem mit hineinspielten und einerseits starke Herab-
setzung der abgeänderten Determinanten, andererseits plötzliche
Vermehrung, Verdoppelung oder noch stärkeres Anwachsen der-
selben hervorbringen konnte. Gerade daraus sind die Einzel-
heiten in dem Auftreten der abnormen Blüthen und Blätter
sehr schön zu verstehen. Im Allgemeinen nahm nämlich die
Zahl derselben im Laufe der Generationen zu, aber nichts we-
niger als constant. So ergab z. B. Dichtsaat bei einer Reihe
von vier Generationen bei Nigella damascena:

1883: keine gefüllten Blüthen,
1884: „ „ „
1885: 23 typische und 6 gefüllte Blüthen, also das Verhält-
niss von 100 : 26,
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[575/0599] Veränderungen im Keimplasma der einzelnen Pflanze hervor- riefen, Abänderungen z. B. der Determinanten der Blüthen oder Blätter, aber nicht gleich in allen, sondern zunächst nur in einzelnen Iden. Diese abgeänderten Determinanten wurden durch die Continuität des Keimplasma’s auf die folgende Gene- ration übertragen, da aber in dieser die Abänderungsursachen noch fortwirkten, so veränderten sich die homologen Determi- nanten noch einiger anderer Ide, und so nahm die Zahl der abgeänderten Determinanten der Blüthe oder der Blätter langsam zu, so lange, bis schliesslich einmal ihre Zahl die der normalen Determinanten übertraf, und so die Abnormität sichtbar wurde als Variation der Blüthe oder des Blattes. Ich hebe diese Fälle besonders auch deshalb hervor, weil hier sicherlich Naturzüchtung nicht mit hereinspielt, denn wir haben es ja mit Versuchen zu thun, nicht mit den natür- lichen Lebensbedingungen. Die Steigerung der unsichtbaren Abänderung des Keimplasma’s war natürlich keine stetige, in- sofern Reductionstheilung und Amphimixis in jeder Generation von Neuem mit hineinspielten und einerseits starke Herab- setzung der abgeänderten Determinanten, andererseits plötzliche Vermehrung, Verdoppelung oder noch stärkeres Anwachsen der- selben hervorbringen konnte. Gerade daraus sind die Einzel- heiten in dem Auftreten der abnormen Blüthen und Blätter sehr schön zu verstehen. Im Allgemeinen nahm nämlich die Zahl derselben im Laufe der Generationen zu, aber nichts we- niger als constant. So ergab z. B. Dichtsaat bei einer Reihe von vier Generationen bei Nigella damascena: 1883: keine gefüllten Blüthen, 1884: „ „ „ 1885: 23 typische und 6 gefüllte Blüthen, also das Verhält- niss von 100 : 26, 1886: 10 typische und 1 gefüllte Blüthe, also wie 100 : 10.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/599>, abgerufen am 22.11.2024.