aus verschiedenartigen chemischen Molekülen zusammensetzt. Ich bezeichne diese Einheiten als Lebensträger oder "Bio- phoren", weil sie die kleinsten Einheiten sind, an welchen die Grundkräfte des Lebens zu Tage treten: Assimilation und Stoffwechsel, Wachsthum und Vermehrung durch Theilung.
Wir können ihre chemische Zusammensetzung zwar nicht im Genaueren angeben, da lebendes Protoplasma der chemi- schen Analyse nicht unterworfen werden kann, allein das, was bis jetzt durch Analyse des todten Protoplasma's festgestellt ist, weist mit Sicherheit darauf hin, dass nicht, wie man meist angenommen hat, die Eiweisskörper allein die Lebensträger sind, sondern dass, wie Hoppe-Seyler und Baumann schon hervorgehoben haben, neben ihnen im lebenden Protoplasma noch andere Substanzen eine nicht minder wichtige Rolle spielen. Im todten Protoplasma kommen bekanntlich neben den Eiweiss- stoffen noch phosphorhaltige Verbindungen, wie Lecithin und Nuclein vor, welche dem Eiweiss chemisch nicht verwandt sind, sondern mit ihm Verbindungen eingehen, dann Cholesterin, vermuthlich ein Zerfallprodukt des Stoffwechsels, ferner Kohlen- hydrate wie Glykogen, Stärkemehl, Inulin und Dextrin, schliess- lich Kaliumverbindungen.1) Wenn wir auch heute noch nicht errathen können, aus welchen chemischen Verbindungen des lebenden Protoplasma's diese Körper sich abgespaltet haben, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, dass "eine Beziehung derselben zu den Lebensvorgängen besteht" (Hoppe-Seyler) und dass nicht blos Eiweiss oder verschiedene Eiweissarten die Processe des Lebens zu Stande bringen, sondern dass dazu noch verschiedene andere chemische Körper, Salze, phosphorhaltige und andere Verbindungen, vor Allem auch Wasser ebenso noth-
1) Vergleiche: Hoppe-Seyler, "Allgemeine Biologie", Berlin 1877, p. 75 (Theil I des Lehrbuchs der "Physiologischen Chemie")
aus verschiedenartigen chemischen Molekülen zusammensetzt. Ich bezeichne diese Einheiten als Lebensträger oder „Bio- phoren“, weil sie die kleinsten Einheiten sind, an welchen die Grundkräfte des Lebens zu Tage treten: Assimilation und Stoffwechsel, Wachsthum und Vermehrung durch Theilung.
Wir können ihre chemische Zusammensetzung zwar nicht im Genaueren angeben, da lebendes Protoplasma der chemi- schen Analyse nicht unterworfen werden kann, allein das, was bis jetzt durch Analyse des todten Protoplasma’s festgestellt ist, weist mit Sicherheit darauf hin, dass nicht, wie man meist angenommen hat, die Eiweisskörper allein die Lebensträger sind, sondern dass, wie Hoppe-Seyler und Baumann schon hervorgehoben haben, neben ihnen im lebenden Protoplasma noch andere Substanzen eine nicht minder wichtige Rolle spielen. Im todten Protoplasma kommen bekanntlich neben den Eiweiss- stoffen noch phosphorhaltige Verbindungen, wie Lecithin und Nuclein vor, welche dem Eiweiss chemisch nicht verwandt sind, sondern mit ihm Verbindungen eingehen, dann Cholesterin, vermuthlich ein Zerfallprodukt des Stoffwechsels, ferner Kohlen- hydrate wie Glykogen, Stärkemehl, Inulin und Dextrin, schliess- lich Kaliumverbindungen.1) Wenn wir auch heute noch nicht errathen können, aus welchen chemischen Verbindungen des lebenden Protoplasma’s diese Körper sich abgespaltet haben, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, dass „eine Beziehung derselben zu den Lebensvorgängen besteht“ (Hoppe-Seyler) und dass nicht blos Eiweiss oder verschiedene Eiweissarten die Processe des Lebens zu Stande bringen, sondern dass dazu noch verschiedene andere chemische Körper, Salze, phosphorhaltige und andere Verbindungen, vor Allem auch Wasser ebenso noth-
1) Vergleiche: Hoppe-Seyler, „Allgemeine Biologie“, Berlin 1877, p. 75 (Theil I des Lehrbuchs der „Physiologischen Chemie“)
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aus verschiedenartigen chemischen Molekülen zusammensetzt.
Ich bezeichne diese Einheiten als Lebensträger oder „Bio-
phoren“, weil sie die kleinsten Einheiten sind, an welchen die
Grundkräfte des Lebens zu Tage treten: Assimilation und
Stoffwechsel, Wachsthum und Vermehrung durch
Theilung.
Wir können ihre chemische Zusammensetzung zwar nicht
im Genaueren angeben, da lebendes Protoplasma der chemi-
schen Analyse nicht unterworfen werden kann, allein das, was
bis jetzt durch Analyse des todten Protoplasma’s festgestellt
ist, weist mit Sicherheit darauf hin, dass nicht, wie man meist
angenommen hat, die Eiweisskörper allein die Lebensträger
sind, sondern dass, wie Hoppe-Seyler und Baumann schon
hervorgehoben haben, neben ihnen im lebenden Protoplasma
noch andere Substanzen eine nicht minder wichtige Rolle spielen.
Im todten Protoplasma kommen bekanntlich neben den Eiweiss-
stoffen noch phosphorhaltige Verbindungen, wie Lecithin und
Nuclein vor, welche dem Eiweiss chemisch nicht verwandt sind,
sondern mit ihm Verbindungen eingehen, dann Cholesterin,
vermuthlich ein Zerfallprodukt des Stoffwechsels, ferner Kohlen-
hydrate wie Glykogen, Stärkemehl, Inulin und Dextrin, schliess-
lich Kaliumverbindungen. 1) Wenn wir auch heute noch nicht
errathen können, aus welchen chemischen Verbindungen des
lebenden Protoplasma’s diese Körper sich abgespaltet haben, so
kann es doch keinem Zweifel unterliegen, dass „eine Beziehung
derselben zu den Lebensvorgängen besteht“ (Hoppe-Seyler)
und dass nicht blos Eiweiss oder verschiedene Eiweissarten die
Processe des Lebens zu Stande bringen, sondern dass dazu noch
verschiedene andere chemische Körper, Salze, phosphorhaltige
und andere Verbindungen, vor Allem auch Wasser ebenso noth-
1) Vergleiche: Hoppe-Seyler, „Allgemeine Biologie“, Berlin 1877,
p. 75 (Theil I des Lehrbuchs der „Physiologischen Chemie“)
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/77>, abgerufen am 28.11.2024.
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