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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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die chemische Beschaffenheit der Moleküle braucht
keineswegs überall dieselbe zu sein, wenn auch sicherlich ein
bestimmter Rahmen den möglichen Schwankungen Grenzen
ziehen wird. Zahlreiche Thatsachen weisen darauf hin, dass
mindestens in den beiden grössten Gruppen der Organismen-
welt, dem Pflanzen- und Thierreich, mehrere der das Biophor
zusammensetzenden Moleküle chemisch verschieden sind, dass
also Substitutionen stattfinden. Während im thierischen Proto-
plasma, "soweit dasselbe amöboide Bewegungen zeigt, Glykogen
ein nie fehlender Bestandtheil" ist, ist dieses Kohlehydrat in
Pflanzen noch nicht aufgefunden worden und wird, wie Hoppe-
Seyler
vermuthet, durch Amylum, Dextrin oder Gummi ver-
treten. Ebenso sind die krystallisirenden Albuminate, welche
bei den Pflanzen als Aleuron-Krystalle, bei den Thieren als
Dotterplättchen bekannt sind, chemisch verschieden.

Eine Verschiedenheit der Biophoren wird ferner auch ohne
Veränderung ihrer atomistischen Zusammensetzung durch Um-
gruppirung der Atome
im einzelnen Molekül als möglich
zu denken sein. Das Eiweiss-Molekül vor Allem hat nach den
Anschauungen der heutigen Chemie mindestens ein Molekül-
gewicht von 1000, so dass eine unzählige Menge von isomeren
Eiweiss-Molekülen denkbar erscheint. Wie viele davon wirklich
vorkommen, lässt sich freilich nicht angeben.

Um aber mit Hülfe des Biophors zu einer möglichst voll-
ständigen Erklärung der Vererbungserscheinungen zu gelangen,
wird demselben noch eine weitere Art der Veränderungsmöglich-
keit zugeschrieben werden dürfen, nämlich eine Umgruppi-
rung der Moleküle
, analog der isomeren Umgruppirung der
Atome im einzelnen Molekül. Diese Annahme schwebt nicht
in der Luft, insofern der Chemie "Molekülverbindungen" in
mehreren Fällen schon bekannt sind; so bei den "Doppelsalzen"
und dem Krystallwasser der Salze, welches stets in einer ganz

die chemische Beschaffenheit der Moleküle braucht
keineswegs überall dieselbe zu sein, wenn auch sicherlich ein
bestimmter Rahmen den möglichen Schwankungen Grenzen
ziehen wird. Zahlreiche Thatsachen weisen darauf hin, dass
mindestens in den beiden grössten Gruppen der Organismen-
welt, dem Pflanzen- und Thierreich, mehrere der das Biophor
zusammensetzenden Moleküle chemisch verschieden sind, dass
also Substitutionen stattfinden. Während im thierischen Proto-
plasma, „soweit dasselbe amöboide Bewegungen zeigt, Glykogen
ein nie fehlender Bestandtheil“ ist, ist dieses Kohlehydrat in
Pflanzen noch nicht aufgefunden worden und wird, wie Hoppe-
Seyler
vermuthet, durch Amylum, Dextrin oder Gummi ver-
treten. Ebenso sind die krystallisirenden Albuminate, welche
bei den Pflanzen als Aleuron-Krystalle, bei den Thieren als
Dotterplättchen bekannt sind, chemisch verschieden.

Eine Verschiedenheit der Biophoren wird ferner auch ohne
Veränderung ihrer atomistischen Zusammensetzung durch Um-
gruppirung der Atome
im einzelnen Molekül als möglich
zu denken sein. Das Eiweiss-Molekül vor Allem hat nach den
Anschauungen der heutigen Chemie mindestens ein Molekül-
gewicht von 1000, so dass eine unzählige Menge von isomeren
Eiweiss-Molekülen denkbar erscheint. Wie viele davon wirklich
vorkommen, lässt sich freilich nicht angeben.

Um aber mit Hülfe des Biophors zu einer möglichst voll-
ständigen Erklärung der Vererbungserscheinungen zu gelangen,
wird demselben noch eine weitere Art der Veränderungsmöglich-
keit zugeschrieben werden dürfen, nämlich eine Umgruppi-
rung der Moleküle
, analog der isomeren Umgruppirung der
Atome im einzelnen Molekül. Diese Annahme schwebt nicht
in der Luft, insofern der Chemie „Molekülverbindungen“ in
mehreren Fällen schon bekannt sind; so bei den „Doppelsalzen“
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[58/0082] die chemische Beschaffenheit der Moleküle braucht keineswegs überall dieselbe zu sein, wenn auch sicherlich ein bestimmter Rahmen den möglichen Schwankungen Grenzen ziehen wird. Zahlreiche Thatsachen weisen darauf hin, dass mindestens in den beiden grössten Gruppen der Organismen- welt, dem Pflanzen- und Thierreich, mehrere der das Biophor zusammensetzenden Moleküle chemisch verschieden sind, dass also Substitutionen stattfinden. Während im thierischen Proto- plasma, „soweit dasselbe amöboide Bewegungen zeigt, Glykogen ein nie fehlender Bestandtheil“ ist, ist dieses Kohlehydrat in Pflanzen noch nicht aufgefunden worden und wird, wie Hoppe- Seyler vermuthet, durch Amylum, Dextrin oder Gummi ver- treten. Ebenso sind die krystallisirenden Albuminate, welche bei den Pflanzen als Aleuron-Krystalle, bei den Thieren als Dotterplättchen bekannt sind, chemisch verschieden. Eine Verschiedenheit der Biophoren wird ferner auch ohne Veränderung ihrer atomistischen Zusammensetzung durch Um- gruppirung der Atome im einzelnen Molekül als möglich zu denken sein. Das Eiweiss-Molekül vor Allem hat nach den Anschauungen der heutigen Chemie mindestens ein Molekül- gewicht von 1000, so dass eine unzählige Menge von isomeren Eiweiss-Molekülen denkbar erscheint. Wie viele davon wirklich vorkommen, lässt sich freilich nicht angeben. Um aber mit Hülfe des Biophors zu einer möglichst voll- ständigen Erklärung der Vererbungserscheinungen zu gelangen, wird demselben noch eine weitere Art der Veränderungsmöglich- keit zugeschrieben werden dürfen, nämlich eine Umgruppi- rung der Moleküle, analog der isomeren Umgruppirung der Atome im einzelnen Molekül. Diese Annahme schwebt nicht in der Luft, insofern der Chemie „Molekülverbindungen“ in mehreren Fällen schon bekannt sind; so bei den „Doppelsalzen“ und dem Krystallwasser der Salze, welches stets in einer ganz

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/82>, abgerufen am 29.11.2024.