Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893.keit zu schliessen als ich selbst. Er verwirft die Möglich- Ich muss sagen, dass mir grade in Bezug auf die Berech- keit zu schliessen als ich selbst. Er verwirft die Möglich- Ich muss sagen, dass mir grade in Bezug auf die Berech- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0039" n="27"/> keit zu schliessen als ich selbst. Er verwirft die Möglich-<lb/> keit, complicirte harmonische Umgestaltungen des Körpers<lb/> (Coadaptation) durch Naturzüchtung zu erklären, weil so<lb/> vielfache und verwickelte gleichzeitige Züchtungsprocesse<lb/> nicht vorgestellt werden können, nimmt aber andererseits<lb/> die sonderbare Höhe des Vorderkörpers der Giraffe als<lb/> Product der Naturzüchtung, weil hier der Vorgang schein-<lb/> bar leicht sich vorstellen lässt. Freilich ist er in dem<lb/> zweiten Fall zu dieser Annahme genöthigt, weil das <hi rendition="#g">La-<lb/> marck</hi>’sche Princip der Vererbung functioneller Abände-<lb/> rung ihn hier im Stiche lässt, da, wie er sagt, eine Ver-<lb/> längerung der Beine und des Halses durch das Recken<lb/> nach hohen Zweigen nicht hervorgebracht werden könne.</p><lb/> <p>Ich muss sagen, dass mir grade in Bezug auf die Berech-<lb/> tigung, den Vorgang der Naturzüchtung in einem bestimmten<lb/> Falle anzunehmen, wenig darauf anzukommen scheint, ob<lb/> wir ihn uns leichter oder schwerer, oder selbst sehr schwer<lb/> nur vorzustellen vermögen, und zwar deshalb, <hi rendition="#g">weil ich<lb/> nicht glaube, dass wir in irgend einem Falle<lb/> überhaupt im Stande sind, uns die morpho-<lb/> logische Umwandlung dabei wirklich und im<lb/> Einzelnen vorzustellen</hi>. Auch ich beziehe die Länge<lb/> des Halses und der Vorderbeine der Giraffe auf Selections-<lb/> processe, aber ich bestreite, dass wir uns dieselben irgend-<lb/> wie anders als ganz allgemein und sehr unbestimmt vorzu-<lb/> stellen vermögen. Es fehlen uns dazu die Daten. Wir<lb/> wissen weder, wie <hi rendition="#g">gross</hi> die Variationen sein müssen,<lb/> welche über Leben oder Untergang entscheiden können,<lb/> noch wissen wir, wie häufig die durch Selection häufbaren<lb/> Variationen vorkommen, noch auch wie oft, in welchen Zeit-<lb/> zwischenräumen sie zur Selection führen. Wir kennen also<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [27/0039]
keit zu schliessen als ich selbst. Er verwirft die Möglich-
keit, complicirte harmonische Umgestaltungen des Körpers
(Coadaptation) durch Naturzüchtung zu erklären, weil so
vielfache und verwickelte gleichzeitige Züchtungsprocesse
nicht vorgestellt werden können, nimmt aber andererseits
die sonderbare Höhe des Vorderkörpers der Giraffe als
Product der Naturzüchtung, weil hier der Vorgang schein-
bar leicht sich vorstellen lässt. Freilich ist er in dem
zweiten Fall zu dieser Annahme genöthigt, weil das La-
marck’sche Princip der Vererbung functioneller Abände-
rung ihn hier im Stiche lässt, da, wie er sagt, eine Ver-
längerung der Beine und des Halses durch das Recken
nach hohen Zweigen nicht hervorgebracht werden könne.
Ich muss sagen, dass mir grade in Bezug auf die Berech-
tigung, den Vorgang der Naturzüchtung in einem bestimmten
Falle anzunehmen, wenig darauf anzukommen scheint, ob
wir ihn uns leichter oder schwerer, oder selbst sehr schwer
nur vorzustellen vermögen, und zwar deshalb, weil ich
nicht glaube, dass wir in irgend einem Falle
überhaupt im Stande sind, uns die morpho-
logische Umwandlung dabei wirklich und im
Einzelnen vorzustellen. Auch ich beziehe die Länge
des Halses und der Vorderbeine der Giraffe auf Selections-
processe, aber ich bestreite, dass wir uns dieselben irgend-
wie anders als ganz allgemein und sehr unbestimmt vorzu-
stellen vermögen. Es fehlen uns dazu die Daten. Wir
wissen weder, wie gross die Variationen sein müssen,
welche über Leben oder Untergang entscheiden können,
noch wissen wir, wie häufig die durch Selection häufbaren
Variationen vorkommen, noch auch wie oft, in welchen Zeit-
zwischenräumen sie zur Selection führen. Wir kennen also
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